Glyder - Backroads To Byzantium Tipp

Glyder - Backroads To Byzantium Cover

Stil (Spielzeit):
Hard Rock (38:44)
Label / Vertrieb (V.Ö.): SPV / Steamhammer (07.10.2011)
Bewertung: 9,5/10

http://www.glydermusic.com/

Nachdem sich die Urbesetzung der irischen Hard Rocker GLYDER völlig überraschend auflösten, dachte niemand wirklich ernsthaft daran, von den Jungens noch ein weiteres Studioalbum zu hören. Mastermind Bat Kinane stellte die Gitarre jedoch nicht in die Ecke, sondern veröffentlichte ein sehr emotionales und starkes Soloalbum mit dem Titel „A Lifetime To Kill". Das hat ihn offensichtlich angespornt, GLYDER doch nicht in der Versenkung verschwinden zu lassen, denn die Band von der Grünen Insel hatte sich zum Zeitpunkt des Splits eine treue Anhängerschaft auch weit über ihre Inselküsten hinaus erspielt.

Kurzerhand machte er sich auf die Suche nach neuen Musikern, denn von der Originalbesetzung war nur noch Gitarrist Pete Fisher übrig geblieben. Mit Bassist Graham McClatchie und Des McEvoy an den Drums sowie Sänger Jackie Robinson fand er schnell hungrige und überaus talentierte Mitstreiter. Da Jackie Robinson in Belfast / Nord Irland sesshaft ist, nutzte die Band alle technischen Möglichkeiten die sich ihr boten, und so entstanden die zehn Songs des vierte Album „Backroads To Byzantium" quasi auf dem Internet-Weg, denn die einzelnen Ideen und Soundfiles wurden via E-Mail zwischen Dublin und Belfast hin und her geschickt.
Herausgekommen ist meiner Meinung nach das stärkste GLYDER Album bisher, denn vor allem mit dem neuen Sänger Jackie Robinson stellt sich die Band stilistisch wesentlich breiter auf, als noch mit Ex-Sänger Tony Cullem, was dessen Leistung auf den vorherigen Alben aber in keiner Weise schmählern soll. Aber GLYDER klingen jetzt erheblich roher und rockiger, und haben sich im Vergleich zu den ersten Alben noch ein Stückchen mehr von THIN LIZZY abgenabelt, deren Einfluss auf den ersten Alben noch wesentlich deutlicher zu hören war. Auf der einen Seite Schade, auf der anderen Seite zeigt das aber auch die Entwicklung, die bei den Musikern stattgefunden hat, vor allem in Bezug auf das Songwriting.

Der Stampfer „Chronicled Denied" als Opener könnte nicht besser gewählt sein, denn hier können sich alle „Neuen" der Band direkt einmal ins rechte Licht stellen. Die Rhythmussektion treibt den Song nach vorne und Sänger Jackie Robinson rockt weniger lasziv als sein Vorgänger, dafür aber eine gehörige Portion dreckiger. „Long Gone" ist dann eine ganze Ecke schneller, mit schönen Tempiwechseln zwischen Chorus und Refrain, und einem tollen Gitarrensolo und Hammond Orgel Passagen. Unüblich für GLYDER ist auch die Tatsache, dass sich Bat und Pete bei den Soli fast zu gleichen Teilen verantwortlich zeigen, denn bisher war das immer eher Petes Job.
„Fade To Dust" klingt dann wieder ein bisschen mehr nach THIN LIZZY, rockt ordentlich nach vorne und zeigt, das Jackies Stimme wirklich einen enormen Umfang hat, da er hier teilweise sehr hoch singt. Beim Gitarrensolo sind dann mal wieder heruntergefallen Kinnladen Pflicht. Hammer. Wenn ich das richtig höre wechseln sich Bat und Pete hier ab.

„Even If I Don't Know Where I'm Gonna Go" klingt wie ein typisch amerikanischer Highway Rocker, und ist für GLYDER Verhältnisse fast schon mainstreamig. Die doppelstimmigen Leadgitarren im Mittelteil sind typisch GLYDER und erinnern noch einmal an die alten Alben. Auch wenn es schwer ist unter den wirklich tollen Songs einen herauszustellen, kommt dann mit „Don't Make Their Mistakes" mein Fave auf der Scheibe. Textlich geht es um die religiösen und politischen Auseinandersetzungen in Nord-Irland, und die seit Jahrzehnten festgefahrenen Positionen der fast schon verfeindeten Parteien. Eine tolle gesangliche Leistung von Jackie, der auch für die Lyrics verantwortlich ist, die von einem wirklich ohrwurmmässigen Melodiebogen untermalt wird.
Das ruhige und melancholische „Down & Out" zeigt die Band musikalisch groovig und textlich nachdenklich. „Something She Knows" klingt ein bisschen nach den frühen FOREIGENER oder TOTO, und könnte definitiv ein Song fürs amerikanische Radio sein. Klug, danach mit „Two Wrongs" wieder einen fetten Rocksong zu platzieren, bei dem auch wieder mit einigen Tempiwechseln gearbeitet wird. Der Track wird von einem einfachen Riff dominiert, was aber gerade den Reiz ausmacht. Weniger kann manchmal auch mehr sein, und zu viel Gefrickel hätte die Dynamik in diesem Song eher behindert. Das tolle, gefühlvolle Solo von Pete (oder Bat?) zeigt einmal mehr, wie die Jungens auch als Musiker in den letzten Jahren gereift sind. Ohne Schnörkel geht es auch bei „End Of The Line" zur Sache. So muss zeitgemäßer Hard Rock klingen, ohne viel SchnickSchnack und Umwege kommt die Band hier auf den Punkt.
Mit dem Akustik Song „Motions Of Time", der mich vom Stil her an „More Than Words" von EXTREME erinnert, ist das Album eigentlich viel zu schnell durch. Aber dafür gibt es ja die Repeat-Funktion.

Fazit: GLYDER sind wieder da, und zwar stärker denn je. Der Line Up Wechsel scheint wie eine Art Frischzellenkur gewirkt zu haben, und die Band hat in Sachen Songwriting und Bandbreite die nächsten Stufen genommen.
Bisher haben die Iren von Album zu Album einen draufgelegt, und so verhält es sich auch mit „Backroads To Byzantium". Starke, eingängige Rocksongs, die sich förmlich in den Gehörgängen festfressen. Fans des gediegenen, traditionellen Hard Rock im modernen Gewand sind quasi zum Kauf verpflichtet. Thumbs up!
Dirk

Musik: Hard Rock, Heavy Metal, Power Metal, Blues

Bands: Thin Lizzy, Gary Moore, Dio, Savatage, Bloodbound, Y&T, Edguy, Iron Maiden, Judas Priest, W.A.S.P.

Aktueller Dauerrotierer: Herman Frank - The Devil Rides Out