Stil (Spielzeit): Heavy Rock (41:01)
Label / Vertrieb (V.Ö.): earMUSIC (27.04.2012)
Bewertung: 9,5/10
EUROPE HOMEPAGE
EUROPE leiden an „The Final Countdown". Keine Frage hat dieser Song die Band weltweit in aller Munde gebracht und den kommerziell größten Erfolg der damals noch jungen und schöngefönten Band markiert. Fluch oder Segen ist hier die Frage, denn wer die Band auf diesen Song reduziert, macht einen ganz gewaltigen Fehler. Bereits mit ihrem Comeback Album „Start From The Dark" aus dem Jahre 2004 hat die Band eindrucksvoll ihre Reife und musikalische Entwicklung demonstriert. Und von da an haben die Schweden eigentlich nur noch hochklassige, ausgereifte und emotionale Veröffentlichungen auf die Fans losgelassen. Das ändert sich auch mit dem elf Songs umfassenden „Bag Of Bones" nicht, und wenn, dann nur in positiver Richtung nach oben.
„Bag Of Bones" ist wesentlich blueslastiger als noch der Vorgänger „Last Look At Eden", obwohl sich der Weg in diese Richtung dort bereits andeutete. Jetzt haben EUROPE den ganzen Keyboard Ballast über Bord geworfen und die Hammond Orgel in den Vordergrund gepackt. Vor allem aber, und jetzt werfe ich gerne 5€ ins Phrasenschwein, ist das Gitarrenspiel von John Norum einfach zum Niederknien. Das Solo im funkigen Opener „Riches To Rags" hat mir die Kinnlade herunterfallen lassen, und bis zum letzten Song habe ich den Mund auch nicht mehr zu bekommen. John Norum hat sich mit der Leistung auf diesem Album endgültig in die Liga meiner absoluten Lieblingsgitarristen gespielt.
Aber es wäre jetzt auch nicht fair, das Album nur auf die Gitarrenkünste eines John Norum zu reduzieren, denn die komplette Band scheint endlich ihre Lieblingsspielwiese gefunden zu haben. Joey Tempest hat meiner Meinung nach noch nie rauer und gleichzeitig gefühlvoller gesungen, und auch die Rhythmusabteileung um Bassist John leven und Drummer Ian Haughland schiebt den ganzen Sound durch ihre Tightness enorm an. Wer bei „Not Suppose To Sing The Blues", „Demon Head" oder dem genialen Titelsong „Bag Of Bones", bei dem Gitarrengott Joe Bonamassa die Slide Gitarre eingespielt hat, nicht zumindest mitwippt, ist es selber Schuld.
Passend zu dem bluesigen Grundthema des Albums wurde den Songs von Produzent Kevin Shirley ein extrem erdiger und rauer Sound verpasst, der nicht besser passen könnte. Die vielen Ecken und Kanten, die dem Sound belassen wurden, geben dem Album einen immensen Live-Charakter.
Das kurze Zwischenspiel „Requiem" hätte man sich kneifen können, aber das ist tatsächlich auch der einzige Kritikpunkt, der mir nach einer handvoll Durchläufen aufgefallen ist.
Für Abwechsung ist ebenfalls ständig gesorgt, so folgt auf die melancholische Powerballade „My Woman My Friend" der Stampfer „Demon Head", auf das akustische „Drink And A Smile" folgt das vom Grundriff AC/DC lastige „Doghouse" usw. Man weiß nie, was als nächstes kommt, und die Band überrascht mit einer enormen Vielseitigkeit, bleibt aber jederzeit ihrem Blues-Grundschema treu. Anspieltipps zu benennen fällt mir schwer, außer dem instrumentalen „Requiem" bewegen sich alle Titel auf ganz hohem Niveau.
Fazit: „Bag Of Bones" ist meiner Meinung nach das reifste und stärkste Album von EUROPE, einer Band, der vor dem Comeback niemand auch nur im Geringsten etwas zugetraut hätte. Aber die Band hat sich nach 2004 von Album zu Album gesteigert und ist für mich persönlich auf dem Höhepunkt ihrer kreativen Schaffensphase angekommen. Ich würde mich freuen, wenn sie mit dem nächsten Album noch einmal einen draufsetzen könnten, halte das aber aufgrund des megastarken „Bag Of Bones" für fast unmöglich. Aber in Sachen EUROPE haben sich alle sogenannten Experten schon öfter geirrt, und man kann nie wissen, mit was für einem Pfund die Schweden als nächstes um die Ecke kommen.
Dirk
Musik: Hard Rock, Heavy Metal, Power Metal, Blues
Bands: Thin Lizzy, Gary Moore, Dio, Savatage, Bloodbound, Y&T, Edguy, Iron Maiden, Judas Priest, W.A.S.P.
Aktueller Dauerrotierer: Herman Frank - The Devil Rides Out