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Eigentlich bin ich kein Freund deutschen RotzRocks. Entweder vordergründig zu albern oder zu bierernst (was auch wieder albern ist) ringen mir PROLLHEAD selten und V8 WIXXXER nie mehr als ein müdes Lächeln ab. Live und unter massiven Einfluß bewußtseinsverengender Drogen mag das anders gewesen sein. --Ich erinnere mich nicht mehr. Ganz anders ist es aber, wenn der deutsche RotzRock von und so ETEPETETE ist.
Offenbar Absolventen des Literaturkurses der Volkshochschule Neu-Köln, muten ihre Texte voll knusprigster Realitätsnähe --für Genreverhältnisse-- fast schon intellektuell an. Ergo wird das Cover auch nicht von einem prallen Dekolleté geziert, sondern von einem Dichter der Hochliteratur und seinem Quell der Inspiration. --- Und so provozieren sie weiter mit Textzeilen, in denen mit Namen wie Goethe, Schiller, Brecht jongliert wird…
Als wäre derlei Anbiederung ans Feuilleton nicht besorgniserregend genug, zitieren die Berliner & Mecklenburger gar noch Marius M.-W. --- Solche Schöngeister pokern dann natürlich auch nicht auf das „As in Pik“, sondern spielen Canasta. Und um das Maß der Provokation voll zu machen, sehen die Connaisseurs des Eierlikörs auch noch bezaubernd aus. Marke: Siegertyp + die Haare schön… Sagen sie.
So ganz ohne Tattoos & Bierpocken (Eierlikör macht bei Männern bekanntlich nicht dick), dafür mit etwas Hirn ausgerüstet (auch wenn ein Text mit dem Gegenteil kokettiert), dürfte man es im Genre aber schwer haben….Manch optisch und intellektuell unterlegener Kritiker wird da neidvoll vom „Auswimpen der letzten Männerdomäne“ faseln. So wie ich jetzt.
Dabei bestechen die sozialwissenschaftlich geprägten Texte eben nicht nur inhaltlich, sondern auch im Ausdruck mit filigran ziselierten Verbalintarsien. Ein Exemplum für beide Stärken: Alder, weissu wat wichtich is? ---NUTTTTTEN und SSCHHNAA-AA-PSSS. Zugegeben, restlos überzeugen kann derlei überbordender Realismus erst im konkreten Vortrag eines echten Sangestalents, das endlich mal nicht wie alle anderen im Genre nach Lemmy ohne Unterkiefer oder einem testikellosen Angry Anderson klingt.
Zwar transportiert Pauli (?) auch den gewohnten, testosterontriefenden, altväterlichen Biker-Sexismus, auf den ja alle Frauen inkl. Alice Schwarzer so dermaßen abfahren, überaus souverän (z.B. in der Allnachts- & Allmachtsträumerei “Sweet Little Pussy Symphonie“)… Andererseits aber bietet seine Stimme noch weit mehr Möglichkeiten zwischen STRASSENJUNGS-Gekeife und Ronnie James Dio fast schon richtigem Gesang. Von der Stimme lebt denn auch der Witz der Lyrik, die in Schriftform eventuell nur halb so gut wäre. Wie man auch wegen der Stimme die zarten Anflüge schierer Albernheit ganz gut verkraftet. Naja, ich jedenfalls. Ähnlich versiert wie der Cantor zeigt sich die Instrumental-Abteilung, die den Punk Rock’ n Roll Blues absolut gekonnt (ironisch) zelebriert: manchmal sogar gut und schön, nicht nur „laut und geil“. Insbesondere einige Soli können wirklich gefallen. Und so rockt die Truppe steil nach vorn. Härter und räudiger als genannte Referenzbands. Dennoch gilt trotz des gut rauen Sounds für ETEPETE dasselbe wie für PROLLHEAD: Wenn man dem angelegentlich rustikalen Humor nichts abgewinnen kann, dann ist man mit ROSE TATOO, MOTÖRHEAD und 70er Heavy Rockern etwas besser bedient. --- An ETEPETETEs „EierliCore“ aber gefällt mir, dass der Spielwitz den Akzent oft und gern auf dem hinteren Teil hat, sodass manch akustische Einlage denn doch gut parodistisch anmutet und ein waches Lächeln aufs alltagsgraue Gesicht zaubert. --- Derlei ironische Sperenzchen sind immer „a point“ wie man auf Etepetetisch sagt… Was für die Musik insgesamt gilt: gut platziert auf der Trennlinie zwischen bloßem Klamauk und bierbitterem Ernst… Der TOOL abgelauschte Einstieg von „Pass Uff“ ist nur ein Musterbeispiel für viele. Mag sein, dass manch Einer sich den Scharfsinn zum Verständnis der „Musik mit Eiern“ erst durch zwei Flaschen Advocaat herbeitrinken muss… aber allerspätestens dann sollte der intellektuelle Spaß garantiert sein. Cooles Debüt der ersten vernünftigen Antwort auf BAD NEWS aus Deutschland. Anspieltipp: die vier Stücke auf Myspace sind so gut oder schlecht wie der Rest.