Anscheinend geht es viele Leuten so wie mir, dass sie AUDREY HORNE zwar immer auf dem Zettel haben und wissen, dass die Norweger stets lobenswerte Qualität abliefern, aber irgendwie nie so richtig tief in die Welt der AUDREY HORNE eingetaucht sind. Mit dem vierten Werk „Youngblood" fährt die Hard Rock Bande aus Bergen ausschließlich sehr gute Kritik für die Musik und „Buh-Rufe" für das Cover ein.
Das Cover finde ich diesmal sogar eher gut gelungen. Frischer und im Vergleich zu den ersten drei Alben erregt es wenigstens Aufsehen. Wenn es auch in diesem Fall falsche Erwartungen schürt, da man dahinter sicher keine traditionell ausgerichtete Hard Rock Platte vermutet.
Der Opener „Redemption Blues" besticht nicht nur durch hervorragende Gitarrenläufe, sondern vorrangig mit seiner rührigen Aufbruchstimmung. „Redemption Blues" macht richtig Laune auf die Platte. Sänger Toschie hat ein begnadetes Organ und tat gut daran, sich mit seinem rauen und kraftvollen Gesang genau diesem Musikstil zu verpflichten. Im Laufe der Platte stellt er die einzige Konstante dar, da er seinen Gesang im Vergleich zu den stets rockigen, aber doch anders klingenden Songs, nie großartig verändert.
Die IRON MAIDEN Vergleiche sind definitiv angebracht, das Schlagzeug reitet davon und die Gitarren singen dazu die Tonleiter rauf und wieder runter. Zum Niederknien schön, genauso wie das folgende „Straight Into Your Grave", welches sich allerdings leider schon nach ungefähr fünf Durchläufen abnutzt und dann vorhersehbar und nach Schema F klingt. So richtig neu ist das eben nicht, was AUDREY HORNE mit „Youngblood" veranstalten.
Nach kurzer Zeit setzt leider genau das ein, was ich von AUDREY HORNE gewohnt bin. Es ist musikalisch absolute Königsklasse, alles ist gegeben, aber das Stück setzt sich nicht bei mir im Herz fest. Ich kriege keine Gänsehaut beim Refrain und habe auch nicht das Bedürfnis, eine der Melodien mitzupfeifen.
Lediglich „Show And Tell" packt mich richtig, für den Rest ist meine Reaktion ein überdurchschnittlich anerkennendes Kopfnicken und die Gewissheit, dass einige Hard oder Classic Rock Fans das Werk sicher tierisch abfeiern werden, weil es einfach gute Musik ist, die aber bei mir nicht vom Hirn ins Herz rutscht. Einige (Klatsch- und Klimper-) Passagen klingen mir deutlich zu konstruiert und auf Livesituation angelegt, aber wer's mag, wird sich freuen.
„This Ends Here" hat einen donnernden Bass und zum Gegensatz ein offenes, lockeres Drumming, im Refrain hätte Toschie aber mal locker doppelt so viel Intensität und Pathos reinballern können, das kratzt für mich zu sehr an der Oberfläche. Aber auch hier sind die Twingitarren so was von Zucker, dass man als Rockfan gar nicht weghören kann, setzt sich aber bei mir auch nicht wirklich fest. Dieser Song und die ersten drei Tracks sind für mich die Höhepunkte von „Youngblood". Im Gegensatz zu „There Goes A Lady" erschreckend platt mit seinem billigen „Phantom der Oper" Intro und dem trutschigen Takt, da reißen auch die besten Gitarristen nichts mehr raus.
Warum AUDREY HORNE sich jetzt in die Richtung entwickelt haben und was man jetzt letztendlich in „Youngblood" reininterpretieren möchte, ist Auslegungssache. Man könnte natürlich sagen, dass „The Open Sea" mit den orientalisch geprägten Melodien nach LED ZEPPELIN klingt. Man kann aber auch sagen, dass AUDREY HORNE nur erfolgreich den Song „Keep On Dancing" von NO DOUBT in ein schickes, hardrockiges Kleid gezwängt haben und sich fragen, ob AUDREY HORNE nicht mit ihrem bisherigen progressiven, moderneren Sound besser bedient waren und es eigentlich gar nicht nötig haben, in die Retrokerbe zu dreschen.
Besonders die hervorragende, abwechslungsreiche Gitarrenarbeit von Thomas Tofthagen und Ice Dale thront erhaben über allem, und gepaart mit dem schönen Klang der Stimme von Sänger Toschie macht dies „Youngblood" letztendlich zu einer hörenswerten Platte. Fakt ist, dass AUDREY HORNE mit „Youngblood" ein handwerklich sehr gutes, rockiges Album abgeliefert haben und ihnen die retrospektive Tendenz gut steht. Der Grunge und Alternative Rock Anteil ist praktisch gen Null gesunken und ich finde, dass AUDREY HORNE etwas an Eigenständigkeit eingebüßt haben. Das wird sicherlich viele alte Fans verstimmen, aber auch neue bringen, so ist das eben.