ERIK COHEN dürfte den meisten Lesern wohl eher als Jack Letten von SMOKE BLOW bekannt sein. Nun sticht er vorsichtig mit seiner „Kapitän EP" in See, dem Vorboten zum kommenden, noch unbetitelten Album. Fünf Songs gibt es als Appetitanreger. Davon allerdings ein Cover, nämlich „Dreiklangsdimensionen" von RHEINGOLD und den Song „Chrom", gleich mit zwei unterschiedlichen Arrangements. So richtig SMOKE BLOW-frei ist die EP dann doch nicht, da (unter anderem) Andreas Tischendorf als Gitarrist angegeben wird und der ja auch bei SMOKE BLOW in die Saiten haut.
Die Hörproben auf YouTube ließen mich erst zweifeln, ob Kapitän ERIK COHEN auf dem richtigen Dampfer ist. Nun, da die EP aber komplett in meinem Player rotiert, kann ich mich doch sehr gut mit dem neuen Kurs anfreunden. Was sich nämlich nicht geändert hat, ist die einzigartige Stimmfarbe von ERIK COHEN, die jede Stimmung und Dynamik tragen kann und schon bei SMOKE BLOW das Tüpfelchen auf dem „i" ausgemacht hat. Das Zugpferd der EP ist definitiv „Chrom" (in beiden Versionen), da dieser Song die Kotzgrenze zum drögen Deutschrock niemals überschreitet, sondern einfach lässig im Takt rockt und den Fuß zum Zucken bringt. Takt und Text gehen umgehend ins Ohr und haken sich dort gnadenlos fest. Die zweite Version punktet durch düster-atmosphärische Synthies und stetig treibenden Bass, statt durch kantige Riffs.
„Chrom" wird dicht gefolgt von „Polar", eine bissige Mischung aus Punk Rock und zuckrigem Frauenchor, musikalisch der fetteste Song auf dem Album und absolut radiotauglich – im positiven Sinne. Live sicherlich auch schön zu interpretieren. „Dreiklangsdimensionen" wurde von ERIK COHEN sehr schön zu seinem eigenen Ding gemacht, man hört also schon die eigene Note raus und trotzdem darf das Stück noch genug Achtziger-Jahre-Charme atmen. Im Refrain packend, wer keinen Bezug zu dem Original hat, wird aber wohl nicht komplett vom Hocker gerissen werden.
Textlich bin ich sowieso sehr überrascht. Mutig, was von ERIK COHEN hier rausgehauen wird, bieten doch einige Zeilen sehr viel Angriffspotential. Wer die HC / Punk Rock Legende schon in so manches Publikum hat rotzen sehen, der wird vom Opener „Kapitän" sicherlich verwirrt sein, wenn ERIK in die hohen Tonlagen geht und „...eigentlich such ich nur dich..." trällert. Nach wenigen Durchläufen gelingt es dem Hörer aber, die meisten Assoziationen abzuschütteln und ERIK COHEN als eigenständige Kunst wahrzunehmen. Auch wenn es sich klischeehaft anhört, ERIK COHEN klingt gereift und erwachsen. Trotz tiefster Verneigung vor SMOKE BLOW nehme ich Letten jetzt zum ersten Mal als ernsthaften Musiker wahr.
Ehrlich gesagt bin ich mir aber nicht sicher, ob ich ERIK COHEN Beachtung geschenkt hätte, wenn es eben nicht Letten von SMOKE BLOW wäre. Richtig innovativ oder herausstechend ist das Material nicht, wenn auch durchgehend sehr gut. Ob hop oder top wird aber wohl doch erst das komplette Album entscheiden.