Mein Gott, was habe ich mich bei den ersten Tönen von “Unicorn Farm” erschrocken. Seichte Drums, klebrige Synthies wie aus einem schlechten Porno - ein denkbar schlechter Start in das neue THE SOWRD-Album “High Country”. Glücklicherweise bleibt es nicht dabei. Gleichwohl macht das einminütige Intro direkt klar: Das fünfte Studioalbum der Texaner ist keines, das Erwartungen erfüllt, sondern (zu) oft mit der Geduld des Hörers spielt.
Im Vergleich zu den Studio-Vorgängern orientieren sich THE SWORD eher am Hard Rock als Heavy Metal. Selbstverständlich sind zahlreiche Stoner- und einige Doom-Einschübe hörbar, und die allgemein zurück gefahrene Härte bedeutet an sich nichts Schlechtes. Der “richtige” Opener “Empty Temples” bietet direkt mal mitreißende Gitarren- und Basslinien, die hörbar von THIN LIZZY beeinflusst wurden. Mit leisen “Uh-uhs” schwebt der Song in den Strophen leicht durch die Boxen, bis die Gitarrenmelodie des Beginns wieder aufgenommen wird und sich der Song härtetechnisch noch ein bisschen steigert. Im Titeltrack kommen dann spacige Synthies dazu, die im Chorus auf Stoner-Gitarren treffen. Letztere stehen auf “Tears Like Diamonds” im Vordergrund, auch hier beweisen THE SWORD mal wieder ihr Gespür für groovige Gitarren ohne Selbstverliebtheit, dafür mit extrem viel Gefühl. Und Stilvielfalt.
THE SWORD zeigen sich auf “High Country” sehr abwechslungsreich: Da gibt es das schleppende “Mist And Shadow”, in dem das Quartett eine sehr dichte Atmosphäre erzeugt, und das zackige Instrumental “Suffer No Fools”, das voll auf der Metal-Schiene brettert. Und neben dem schon erwähnten Songs zum Einstieg typische THE SWORD-Kost, die an die Anfangstage der Band erinnert: “The Dreamthieves”, das äußerst gelungene “Buzzards” und das melodische, hörenswerte “Ghost Eye”. Doch auch innerhalb der eigentlich sicheren Tracks finden sich kleine Überraschungen wie das Saxophon in “Early Snow”.
Leider besteht gut ein Drittel des Materials aus teils sehr experimentellen Tracks, die man bloß ein mal hört, um sie gehört zu haben. Kurze Zwischenstücke wie “Agartha”, das bereits erwähnte Intro “Unicorn Farm” und das mit weiblichen Vocals untermalte Synthei-Funk-Electro-irgendwas-Monster “Seriously Mysterious” dürften selbst hartgesottenen Fans mit einem offenen Ohr für alle möglichen musikalischen Einflüsse eine Spur zu krass sein. Klare Skipkandidaten finden sich auf “High Country” gar nicht wenige, wenn sie auch meist von kurzer Dauer sind. Das akustische Instrumental “Silver Petals” ist z.B. eine der Nummern, die den Hörer mit einem Achselzucken zurück lassen, während “Turned To Dust” einfach nur sterbenslangweilig klingt, und das zuerst angejazzte, dann Southern Rock-artige und höchstens durchschnittliche “The Bees Of Spring” zum Schluss auch nichts mehr retten kann.
Es gibt sie auch auf “High Country”: Diese magischen Momente, den eindringlichen Groove, die staubtrockenen Stampfer, an denen man sich nicht satt hören kann. Doch findet sich bei viel Licht zu viel Schatten. Zwei Drittel der Songs sind großartig, ein Drittel bloß durchschnittlich bis ungenießbar. Und das ist für eine Band wie THE SWORD zu wenig.
Chrischi
Stile: Metal und (Hard) Rock in fast allen Facetten
Bands: Metallica, Pearl Jam, Dream Theater, Iron Maiden, Nightwish ...