Child - Blueside Tipp

Child - Blueside

Wie aus dem Nichts entsteigt eine gigantische Doppelhelix dem Gebirgsmassiv. Mit feuerzüngelnden Tentakeln schraubt sie sich durch die Nebelschwaden empor in den nächtlichen wolkenverhangenen Sternenhimmel, inklusive vorbeischweifendem Schicksalskometen.

Treffender kann man die Musik von CHILD aus Australien in dem Bild auf dem Cover nicht darstellen, für das sich der Maler Nick Keller verantwortlich zeichnet: Blues in seiner urwüchsigsten Form, in einer fast unerträglichen kalten Schwere und gleichzeitig schweißtreibender feuriger Intensität. Blues ist ein verzweifelter Aufschrei, das Gefühl, als ob einem heiße Lava durch den Leib gepumpt würde, deren Gewicht einen nach unten zieht. Den Blues haben die aus Melbourne stammenden Arbeiterklasse-Jungs im Blut, den sie mit einem Drang nach endlosem Jamming beschwören und ausleben.

Sämtliche fünf Titel sind demnach von Spontanität geprägt, es mangelt ihnen an eingängigeren Melodien, die in dem Doom-Blues-Gebräu jedoch sowieso völlig unangebracht wären. Vielmehr begeistern die Bluesfanatiker mit einer Improvisationsfreude auf sehr hohem Niveau, die allerdings nie in Selbstgefälligkeit ausartet, sondern songtechnisch sinnvoll ausufert. „Das ganze Album wurde live eingespielt, nur nicht die Vocals, Orgel und kleinen Effekte. Overdubs nahmen wir mit keinem Instrument auf. Benutzt wurden lediglich mehrere Verstärker gleichzeitig“, äußert sich Sänger und Gitarrist Mathias Northway zum Sound der Platte.

child pic

CHILD – intimer und unverbauter Bluesrock

„It’s Cruel To Be Kind“ startet nach gospelartigem Intro finster in zähem Zwölfertakt mit hypnotischem Bass und gewaltigen Riffs, die einem den tonnenschweren Heavy Bluesrock durch die Adern treiben, bis ein böses, fuzziges Gitarrensolo für einen befreienden Durchfluss sorgt.

Leicht sanftmütiger wirkt dagegen „Blue Side Of The Collar“, in dem eine einfühlsamere Gitarre gegen einen grimmigen Bass antritt. Der Song mit „The Butcher And Fast Eddie“-Reminiszenzen von ROSE TATTOO handelt von einem früheren Mate der Aussies, der von der Vergangenheit eingeholt wird und sich wegen seiner Taten verantworten muss. Ein womöglich ähnliches Schicksal (der Komet auf dem Cover) blieb dem Dreier durch ihre Leidenschaft zur Musik erspart, die sie von der Straße fernhielt.

„The Man“ führt anfangs zurückhaltend einen schwarzen Swamp-Blues aus den Sümpfen Louisianas herbei, der wieder in einen vollendeten brachialen Bluesrock mündet, völlig entschleunigt den Doom-Hammer schwingt und mit unglaublichen Blues-Licks, die an den guten alten PAT TRAVERS erinnern, das lava-pumpende Herz des Hörers höher schlagen lässt.

CHILD formen auf „Blueside“ eine schleppende, klangliche Urgewalt. Es entsteht ein tiefergehender Dialog dreier verschworener Individuen, die ihren Instrumenten das Sprechen beigebracht haben. Ihre Geschichten werden auch hierzulande erzählt werden. Da bin ich mir sicher.

Besetzung:

Mathias Northway - Guitars
Danny Smith - Bass
Michael Lowe - Drums

Tracklist:

01. Nailed To The Ceiling
02. It’s Cruel To Be Kind
03. Blue Side Of The Collar
04. Dirty Woman
05. The Man


Wölfi

Stile: Progressive Metal, Heavy Metal, Power Metal, Thrash Metal, Death Metal, Alternative Prog, New Artrock

Bands (momentan): Alterium, Walk In Darkness, Symphony X, Sunburst, Evergrey, Angra, Lovebites, Crypta, Ne Obliviscaris, Leprous, Temic, Orbit Culture

www.rock-forum.de