Deep Purple - inFinite Tipp

Deep Purple - inFinite

DEEP PURPLE machen Ernst: Im 50. Jahr nach ihrer Gründung denkt die Hardrock-Institution laut über ihr Ende nach, ohne es jedoch konkret auszurufen. Das neue Album heißt "inFinite", die Tour "The Long Goodbye Tour" – die Zeichen stehen auf Abschied, auch weil die Bandmitglieder Ende 60, Anfang 70 sind. Schafft es die Rocklegende, auf ihrem neuen, vielleicht letzten Album noch einmal an die Großtaten der Siebziger anzuknüpfen?

Vier Jahre nach dem weitgehend positiv aufgenommenen "Now What?!" jetzt also "inFinite". 45 Minuten dauert das 20. Studioalbum, zehn Songs sind enthalten, aufgenommen wurden sie in Nashville. Produziert wurde die Scheibe von Bob Ezrin, die vorab im Kino gezeigte 94-minütige Dokumentation "From Here To inFinite" ist auf der Limited Edition als DVD enthalten. Daneben erscheint das Album in weiteren Konfigurationen, u.a. auf Vinyl und als großes Boxset mit Bonusmaterial.

Mehr DEEP PURPLE geht anno 2017 nicht

Die vorab als Single ausgekoppelten Songs wussten sehr zu gefallen, selbst nach unzähligen Hördurchgängen. Das melancholische "All I Got Is You" sorgt mit warmen Orgelsounds, gefühlvollen Licks und Soli, mächtig Drive und verspielter Struktur für glänzende Augen, während das düstere, harte "Time For Bedlam" mit unwiderstehlich treibendem Groove und einem wunderbar abgepfiffenen Gitarre/Keyboard-Duell punktet. Während sich Steve Morse scheinbar mühelos seine Soli aus dem Ärmel schüttelt, quält Don Airey voller Inbrunst seine Hammond. Mehr DEEP PURPLE geht nicht.

Beste Voraussetzungen also. Gleichzeitig steigen die Erwartungen ins Unermessliche. Zum Glück machen die Briten genauso überzeugend weiter: Das knackige "Hip Boots" rückt DEEP PURPLE mit eingängigem, ehrlichem Blues Rock in die Nähe von LED ZEPPELIN, ohne auch nur eine Sekunde fehl am Platze zu wirken, und die pumpende Casino-Nummer "One Night In Vegas" bestücken die fünf Herren nach anderthalb Minuten mal eben mit einer der eingängigsten Passagen des gesamten Albums.

"inFinite" ist düster und progressiv ausgefallen

Mit dem maschinellen Rhythmus von "Get Me Outta Here", den Ian Paice wunderbar tight und kraftvoll auf den Punkt bringt, grüßen DEEP PURPLE kurz in Richtung BLACK COUNTRY COMMUNION und Glenn Hughes. Begleitet von funkigen Gitarren, Orgeln und einem eindringlich vorgetragenen Chorus vermittelt die Nummer den Eindruck, dass die Briten ohne Netz und doppelten Boden ins Studio gegangen sind, um einfach mal drauf los zu rocken.

Zu dieser Losgelöstheit passt auch "The Surprising" mit Westerngitarre und staubigem Country-Flair, das sich nach einiger Zeit in ein proggiges Wunderwerk mit Wechselspiel aus Keyboards und Gitarren sowie leichtfüßigen, traumhaft schönen Melodien verwandelt.

Abwechslungsreiches Songwriting mit kleinen Überraschungen

Das schleppende "Birds Of Prey" weckt mit spacigen Keyboards Erinnerungen an RUSHs "Tom Sawyer", entwickelt sich jedoch schnell zu einer typischen PURPLE-Nummer, in der Steve Morse begnadet soliert, während Don Airey Keyboardteppiche von PINK FLOYDscher Erhabenheit herauf beschwört. Nach etwa drei Minuten klingt das britische Quintett so befreit, dass man sich wünscht, dieses epische Grande Finale möge niemals aufhören. Gänsehaut ist garantiert!

"Johnny's Band" ist ein straighter, positiv gestimmter Rocker – erfrischend und grundsolide, aber keine Sternstunde auf "inFinite". Das trifft auch auf das schmissige "On Top Of The World" zu, das etwas blass bleibt. Dafür zeigen sich DEEP PURPLE in der Coverversion "Roadhouse Blues" wieder von ihrer überzeugenden, losgelösten Seite. Zwanglos verbeugt sich das Quintett in lockerer Atmosphäre inkl. Mundharmonika-Einsatz vor THE DOORS und entlässt nicht melancholisch, sondern befreit aus seinem vielleicht letzten Studioalbum.

Bob Ezrin sorgt für einen warmen Sound

Dass "inFinite" so locker, lässig und erdig klingt, liegt nicht allein an der beeindruckenden Performance der fünf Bandmitglieder. Produzent Bob Ezrin hat "inFinite" einen wunderbar warmen, wohklingenden Sound verpasst, der analoge Vibes versprüht und doch so knackig klingt, wie man es in der heutigen Zeit erwartet. Alleine der kräftige Drumsound ist ein wahrer Genuss, der direkt in die Magengrube trifft.

War's das jetzt also? Definitiv festlegen will sich das Quintett noch nicht: Nach der Tour stehe ein langer Urlaub an, und wenn man danach noch Lust habe, spreche nichts gegen weitere Gigs, so Gründungsmitglied Ian Paice. Dank der modernen Studiotechnik könne auch durchaus weiteres Studiomaterial folgen. Hoffen sollte man darauf aber nicht unbedingt.

Wenn das jetzt also wirklich der Abschied sein sollte: Danke DEEP PURPLE für euer stärkstes Album seit den glorreichen Siebzigern!

Trackliste

Time For Bedlam - 4:35
Hip Boots - 3:23
All I Got Is You - 4:42
One Night In Vegas - 3:23
Get Me Outta Here - 3:58
The Surprising - 5:57
Johnny's Band - 3:51
On Top Of The World - 4:01
Birds Of Prey - 5:47
Roadhouse Blues - 6:00

Band

Ian Paice – Drums
Ian Gillan – Vocals
Roger Glover – Bass
Steve Morse – Gitarre
Don Airey – Keyboards

Chrischi

Stile: Metal und (Hard) Rock in fast allen Facetten

Bands: Metallica, Pearl Jam, Dream Theater, Iron Maiden, Nightwish ...