Chris Cornell - self (Boxset) Tipp

Chris Cornell - self (Boxset)

2017 war ein rabenschwarzes Jahr nicht nur für die Rock-, sondern die gesamte Musikgeschichte. Am 17.05. wurde Chris Cornell, Solokünstler und Sänger von SOUNDGARDEN, TEMPLE OF THE DOG sowie AUDIOSLAVE, im Alter von nur 52 Jahren tot aufgefunden. Er hatte sich erhängt. Nur wenige Wochen später beging sein guter Freund und Patenonkel von Cornells Tochter Tori, Chester Bennington (LINKIN PARK), ebenfalls Selbstmord.

Selbst anderthalb Jahre später sind die Folgen besonders dann spürbar, wenn man alte oder neue Musik der Rocklegenden auflegt – in diesem Fall die selbstbetitelte Werkschau von CHRIS CORNELL, die seine Witwe Vicky als Trauerbewältigung zusammengestellt hat.

Cornells Schaffen in 64 Songs mit allen Höhen und Tiefen

Auf vier CDs finden sich bei einer Spielzeit von fünf Stunden 64 Songs, die das gesamte Schaffen des charimsatischen Sängers mit all seinen Facetten abbilden sollen. Elf Aufnahmen sind bisher unveröffentlicht. Neben Songs von SOUNDGARDEN, TEMPLE OF THE DOG und AUDIOSLAVE erwarten uns zahlreiche Nummern, die Cornell in den Jahren dazwischen aufnahm, als seine Hauptbands Pause machten oder sich vorübergehend aufgelöst hatten – solo und in Kollaboration mit anderen Musikern.

Chronologisch arbeitet Vicky Cornell in Abstimmung mit ehemaligen Weggefährten (u.a. war PEARL JAM-Gitarrist Jeff Ament für die Gestaltung zuständig) die Stationen in der abrupt beendeten Karriere ihres verstorbenen Mannes auf. Auf der ersten CD stehen hauptsächlich SOUNDGARDEN im Fokus, beginnend mit der rumpeligen Frühphase wie "Hunted Down" von der "Screaming Life"-EP bis hin zu den großen Hits a la "Outshined", "Black Hole Sun" und "Spoonman". Das großartige Projekt TEMPLE OF THE DOG wird leider nur mit zwei Tracks gewürdigt. Auch "Seasons" zum "Singles"-Soundtrack ist dabei und nimmt damals noch völlig ungeplant die spätere Akustik-Karriere des Sängers vorweg.

Nach der Trennung von SOUNDGARDEN 1996 versuchte sich Cornell solo, wovon die zweite CD zeugt. Sie enthält auch sechs Tracks von AUDIOSLAVE, darunter die famose, kitschfreie Ballade "Like A Stone" und den High-Energy-Rocker "Cochise". Schade, dass dem aus drei Vierteln von RAGE AGAINST THE MACHINE und Cornell bestehenden Projekt schnell die Puste ausging und die beiden Alben nach dem frischen Debüt nur lauwarme Aufgüsse darstellten.

Cornells Kraft lag in der Ruhe

Der "Casino Royale"-Titelsong "You Know My Name" ist vor dem Hintergrund der James-Bond-Neubesetzung mit Daniel Craig einer der wichtigsten der Filmreihe, der Song grandios – wenn auch die rockigere, originale Single-Version noch mal besser klingt. Als Wiedergutmachung wurde vom stark elektronisch geprägten, umstrittenen Album "Scream" immerhin das entspannte "Long Gone" als wunderbar luftige Rock-Version inkludiert.

Der Titeltrack des dritten, von Timbaland produzierten Albums ist noch erträglich, der furchtbare Remix von "Part Of Me" gehört aber genauso in die Tonne, wie das mit Eleven aufgenommene "Ave Maria" mit seiner furchtbar schnunkeligen Stimmung irgendwo zwischen Weihnachten und Kirmes. Auch wenn die Intention der 1997 erschienenen Compilation "A Very Special Christmas 3", deren Erlöse an die Special Olympics gingen, absolut löblich war und ist.

Glücklicherweise steigt Qualität auf der dritten Disc wieder stark an: Ob seine Kollaboration mit SLASH ("Promise"), SANTANA (der superb intonierte LED ZEPPELIN-Klassiker "Whole Lotta Love") oder Joy Williams ("Misery Chain"), späte SOUNDGARDEN-Werke inkl. "Live To Rise" aus dem "Avengers"-Soundtrack oder akustisch leidenschaftlich vorgetragenes Material wie "Imagine", "The Keeper" oder "I Am The Highway": In den letzten Jahren seiner Solokarriere blühte Cornell auf, vor allem, wenn es ruhiger zuging.

Davon zeugen auch "Only These Words", das mit arabischen Einflüssen spielende und an ROBERT PLANT erinnernde "Our Time In The Universe", die Soundtrack-Beiträge zu "13 Hours: The Secret Soldiers Of Benghasi" (richtig epischer Gänsehaut-Beitrag), "Vinyl" (schön schmissig und knietief in den Siebzigern verwurzelt) und "The Promise", sowie das getragene, von einer Hammond-Orgel und Akustikgitarre begleitete "When Bad Does Good". Die melancholisch-verletzliche Nummer ist eine der letzten, die Chris Cornell jemals aufgenommen hat, und ein wunderschönes, wenn auch tieftrauriges Hörerlebnis.

Unveröffentlichtes Balsam für die Seele

Die vierte und letzte Silberscheibe bietet neben einigen SOUNDGARDEN-Aufnahmen (u. a. das BLACK SABBATH-Cover "Into The Void") und einer gefühlvollen Gänsehaut-Version des LED ZEPPELIN-Klassikers "Thank You" unveröffentlichtes Material, wobei das im Falle von AUDIOSLAVEs "Show Me How To Live" nur halb stimmt, weil der Track auf der "Live In Cuba"-DVD zu finden ist. "Reach Down" und "Stargazer" stammen von den letzten Konzerten, die die wiedervereinigten TEMPLE OF THE DOG 2016 gespielt haben (hoffentlich kommt da noch eine Livescheibe), den U2-Hit "One" sang Cornell mit den Lyrics der METALLICA-Antikriegshymne gleichen Titels, das BEATLES-Cover "A Day In The Life" performte der Sänger in der legendären Royal Albert Hall.

Ein Highlight ist der mit Toni Cornell eingesungene "Redemption Song", in dem sich Vater und Tochter ganz wunderbar ergänzen. Auch das zum Heulen schöne, unfassbar intensive "Nothing Compares 2 U" ist enthalten, aber leider "nur" in der Version von Chris, nicht als nicht minder herzergreifendes Duett mit Tori. Bei allen Songs auf der vierten CD handelt es sich übrigens um Live-Versionen.

Nicht ganz komplett, aber umfassend zusammengestellt

Dem Anspruch, die vielen verschiedenen Facetten des großartigen Performers zusammenzutragen, wird dieses Boxset gerecht. Ob vor walzenden Riffs, im Zusammenspiel mit anderen Künstlern oder alleine an seiner Akustikgitarre: Chris Cornell versuchte sich an allem, worauf er Lust hatte. Dass dabei seine kurze elektronische Phase nicht ausgeklammert wird, ist konsequent, für den Großteil der Fans aber wohl verzichtbar. Dennoch ist das Boxset nicht ganz komplett, manch ein SOUNDGARDEN-Hit dürfte von dem ein oder anderen Fan vermisst werden. Das liegt in der Natur der Sache, denn egal, wie groß der Umfang einer Compilation ist: irgendetwas fehlt immer oder ist zu viel.

Alles in allem ist die Cornell-Werkschau mit den zahlreichen Singles und Soundtrack-Beiträgen, die wohl nur die wenigsten Fans komplett ihr Eigen nennen düften, aber sehr umfassend ausgefallen und optisch ansprechend umgesetzt (unter anderem enthält das Booklet zahlreiche Liner Notes von Kollegen und Weggefährten). Die zusammengedampfte Einzel-CD hingegen würde nur Sinn ergeben, wenn sie alle bislang unveröffentlichten Nummern enthalten würde – was aber nicht der Fall ist.

Trackliste

CD 1
Hunted Down [Soundgarden]
Kingdom of Come [Soundgarden]
Flower [Soundgarden]
All Your Lies [Soundgarden]
Loud Love [Soundgarden]
Hands All Over [Soundgarden]
Say Hello 2 Heaven [Temple of the Dog]
Hunger Strike [Temple of the Dog]
Outshined [Soundgarden]
Rusty Cage [Soundgarden]
Seasons
Hey Baby (Land Of The New Rising Sun) [M.A.C.C.]
Black Hole Sun [Soundgarden]
Spoonman [Soundgarden]
Dusty [Soundgarden]
Burden In My Hand [Soundgarden]

CD 2
Sunshower
Sweet Euphoria
Can’t Change Me
Like A Stone [Audioslave]
Cochise [Audioslave]
Be Yourself [Audioslave]
Doesn’t Remind Me [Audioslave]
Revelations [Audioslave]
Shape Of Things To Come [Audioslave]
You Know My Name
Billie Jean
Long Gone (Rock Version)
Scream
Part Of Me (Steve Aoki Remix)
Ave Maria (with Eleven)

CD 3
Promise [Slash featuring Chris Cornell]
Whole Lotta Love [Santana featuring Chris Cornell]
Call Me A Dog (Live Acoustic)
Imagine (Live Acoustic)
I Am The Highway (Live Acoustic)
The Keeper
Been Away Too Long [Soundgarden]
Live To Rise [Soundgarden]
Lies [Gabin with Chris Cornell & Ace]
Misery Chain [with Joy Williams]
Storm [Soundgarden]
Nearly Forgot My Broken Heart
Only These Words
Our Time In The Universe
’Til The Sun Comes Back Around
Stay With Me Baby
The Promise
When Bad Does Good*

CD 4
Into The Void (Sealth) (Live at the Paramount) [Soundgarden]
Mind Riot (Live at the Paramount) [Soundgarden]
Nothing To Say (Live in Seattle) [Soundgarden]
Jesus Christ Pose (Live in Oakland) [Soundgarden]
Show Me How To Live (Live in Cuba) [Audioslave]*
Wide Awake (Live in Sweden)*
All Night Thing (Live in Sweden)*
Nothing Compares 2 U (Live at SiriusXM)*
One (Live at Beacon Theatre)*
Reach Down (Live at the Paramount) [Temple of the Dog]*
Stargazer (Live at the Paramount) [Temple of the Dog]*
Wild World (Live at Pantages Theatre) [Yusuf/Cat Stevens with Chris Cornell]*
A Day In The Life (Live at the Royal Albert Hall)*
Redemption Song (Live at Beacon Theatre) [with Toni Cornell]*
Thank You (Live in Sweden)

Chrischi

Stile: Metal und (Hard) Rock in fast allen Facetten

Bands: Metallica, Pearl Jam, Dream Theater, Iron Maiden, Nightwish ...