Wahrscheinlich bin ich nicht der einzige, der H.E.A.T bis vor kurzem nur bedingt auf dem Schirm hatte. Zwar gibt es die Band aus Schweden bereits seit 18 Jahren und sie konnte ein paar veritable Hits ("1000 Miles", "Living on the Run") für sich verbuchen, der Großteil ihres Songmaterials erschien mir jedoch zu inkonsistent und wenig zwingend.
Offenbar brauchte es diesen langen Reifungsprozess, denn auf Album Nummer 8, "Welcome to the Future", gelingt es H.E.A.T nun, sämtliche Qualitäten der Band nahezu perfekt zu bündeln. Die Scheibe bietet melodischen, kraftvollen und keyboardgetragenen 80er-Arena-Hard-Rock mit Ohrwurm-Charakter, irgendwo zwischen EUROPE, alten BON JOVI und den PRETTY MAIDS, und das alles mit einem modernen Anstrich.
Zugegeben: H.E.A.T bedienen sich altbekannter Zutaten, die Keyboards von Hauptsongwriter Jona Tee sind zudem manchmal arg präsent und einige Melodien würden auch im Schlagergewand hervorragend funktionieren. Doch wenn man sich darauf einlässt, machen Songs wie der furiose Opener "Disaster", "Running to You" oder "Children of the Storm" einfach jede Menge Spaß und verlangen geradezu danach, auf großer Bühne vor einer abfeiernden Fanmenge präsentiert zu werden.
Zumal H.E.A.T mit Kenny Leckremo einen der aktuell besten und mitreißendsten Sänger überhaupt in ihren Reihen haben. Nach seiner zehnjährigen Auszeit von der Band (2010-2020) kehrte Kenny unglaublich gereift und mit einer gehörigen Portion Selbstbewusstsein zurück. Der Frontmann beherrscht alle Facetten des Hard Rock perfekt und erinnert mich am Ehesten an Joey Tempest von EUROPE, geht allerdings an vielen Stellen druckvoller zu Werke und hat stimmlich sein ganz eigenes Charisma.
Kein Wunder, dass Kenny mittlerweile auch für AVANTASIA verpflichtet wurde, wo er gemeinsam mit Ausnahmegrößen wie etwa Geoff Tate (Ex-QUEENSRYCHE), Bob Catley (MAGNUM) oder Ronny Atkins (PRETTY MAIDS) im Rampenlicht steht. Passend dazu haben H.E.A.T nun "Paradise Lost" komponiert - einen Song, der auch direkt aus der Feder von AVANTASIA-Mastermind Tobias Sammet stammen könnte. Starkes Teil, und ein weiteres Highlight dieser Scheibe.
Natürlich gibt es auch Stücke auf dem Album, die mehrere Durchläufe benötigten, bevor sich mir ihre Qualität vollends erschlossen hatte. Letzten Endes findet sich aber nur ein einziger Song auf der Scheibe, der das hohe Level meines Erachtens nach nicht gänzlich halten kann ("Tear It Down (R.N.R.R.)").
Fazit: "Welcome to the Future" erfindet den Stadionrock nicht neu, positioniert H.E.A.T aber neben Bands wie KISSIN' DYNAMITE als weitere jüngere und erstklassige Alternative zu den Begründern dieses Genres, die sich inzwischen nach und nach aus dem aktiven Geschäft zurückziehen. Klasse Album!
Anspieltipps: "Disaster", "Paradise Lost", "Running to You"
"Welcome to the Future" Tracklist
1. Disaster
2. Bad Time for Love
3. Running to You
4. Call My Name
5. In Disguise
6. The End
7. Rock Bottom
8. Children of the Storm
9. Losing Game
10. Paradise Lost
11. Tear It Down (R.N.R.R.)
12. We Will Not Forget
H.E.A.T Line-up
Kenny Leckremo - Gesang, Gitarre
Dave Dalone - Gitarre
Jimmy Jay - Bass
Jona Tee - Keyboard
Don Crash - Schlagzeug