Five Fifteen - Alcohol


Stil (Spielzeit): (70er Retro-) Rock (44:19)
Label/Vertrieb (VÖ): Sweden Rock Records (22.02.08)
Bewertung: 4,5 / 10
Link: http://www.novision.fi/fivefifteen
http://www.myspace.com/fivefifteenband

Yep, Retro kann schon richtig geil sein. Jedenfalls kann ich alten Sachen eine Menge abgewinnen. Meine ganze Hütte is voll mit altem Zeug (mich eingeschlossen) und auch als Musikkonsument habe ich in den 70ern das Laufen in Richtung Plattenladen gelernt. Und noch heute stehen PURPLE, LED ZEP und „the Sabbs“ in dem dem CD-Schacht nächstgelegenen Regal. Folglich, so dachte ich, wäre ich der Richtige, eine Band zu reviewen, die mit den Urvätern des Heavy Rocks als Referenz angekündigt waren und über die ich schon viel Gutes und gar nichts Schlechtes gelesen hatte.

Erst mal die Fakten: Five Fifteen (früher 5.15) sind Finnen und veröffentlichen seit 18 Jahren Geräusche. Es sind recht viele mittlerweile. Außerhalb Finnlands hat die Truppe zwar noch nicht allzu viel gerissen, aber dafür genießen sie bei diversen Leuten Kultstatus, u.a. bei Brian Robertson oder Ville Valo, der 2001 auf „Death of a Clown“ im Background sang. Worauf sich der Kult gründet ist mit einem Wort gesagt: Five Fifteen sind absolut originell. Das gilt musikalisch allerdings exklusiv für die Tatsache, dass sie heutzutage aktiv sind. In den 70ern gab es nämlich X Bands wie FIVE FIFTEEN, die sich an den Großen orientierten, an Schnittmengenbildung versuchten und die heute zurecht kein Schwein mehr kennt.

Vielleicht ist es auch der leicht schräge, skandinavische Humor, der sich schon im Untertitel der Homepage ausdrückt: die als „official progressive hardrock website“ firmiert oder aber bloß, dass man genau das Gegenteil von „progressive“ ist … oder sind „5.15“ etwa schon wieder so retro, dass sie unserer Zeit voraus sind, weil selbige nicht linear fließt, sondern ein Kreis ist? Egal, eine leicht melancholische Ironie ist jedenfalls beinah allen Texten eigen.

Abgesehen von der modernen Produktion geht man also extremst rückwärts gewandt ans Werk, welches wie angekündigt zwischen PURPLE, LED ZEP und --leider-- THE WHO lokalisiert werden kann. „Leider“ deshalb, weil für mein Ohr „5.15“ eindeutig eine WHO-Schlagseite haben, und deshalb weder wirklich „heavy“ sind, noch sich zu den komplexen und epischen Kompositionen von D.P. oder L.Z. aufschwingen können. Also findet man hier weder Knaller auf dem Niveau von „Highway Star“ oder „Whole Lotta Love“ noch Mini-Opern wie „Child in Time“ oder „Dazed and Confused“. Stattdessen: Mittelklasse-Rock Songs, die mir auch schon ´76 zu unspektakulär gewesen wären. Einzig wenn die Stromgitarre soliert wie in „Alcohol“ (Pt.2), kommt bei mir so was wie Freude auf. Ansonsten weiß ich mit der Sache nicht wirklich was anzufangen: Akkustik-Gezupfe, ähnlich dem, das man in Reiseberichten über die Provence immer dann zu hören kriegt, wenn die "rostige Gießkanne auf Hinterhof" oder endlose Lavendelfelder ins Bild kommen, eine fast permanent harmlos vor sich hin ondulierende Hammond-Orgel, die jedem Vergleich mit den Exzessen und Experimenten eines Jon Lord spottet und als --überaus zerbrechlicher-- Grundpfeiler ein zarter Rock, der viel zu selten hard und heavy ist. Und selbst dann bleibt er handzahm.

Ein Wort zu den Vocals, denn die sind in doppelter Hinsicht bemerkenswert: Mika Järvinen, blondgelockter Kopf der Combo, ist wirklich erstaunlich variabel. Und überzeugend: ob mit warmen Timbre in den ruhigen Passagen („Alcohol“), in dem phasenweise an SISTERS OF MERCY erinnernden „Delirium“ oder --wenn’s mal kopfstimmig und „hektisch“ wird-- in der nervösen Weise von Roger Daltrey und mit ähnlicher Klangfarbe. Oder wie bei „Dollhouse“, das doch verdammt nach seinem optischen Vorläufer Robert Plant klingt.
Kurz und hämisch: viel zu gut für die harmlose Mucke. --- Und dann ist da noch sein weibliches Counterpiece Maikki Liuski … die mal echte Klasse absondert, um andererseits auch mal Einlagen zu präsentieren, dass mir vor fassungslosem Entsetzen beinah der Unterkiefer runterklappt. Seltsam.

Fazit: Außer der wirklich schönen Nummer „Old Hairy Dogs Almost Dead“ und der Triade „Alcohol“, die auf den Anfang, die Mitte und das Ende des konzeptuellen Albums verteilt ist, und so Freund Allohol als ständigen Begleiter des rockenden Finnen offenbart, wollen mir keine Gründe einfallen, warum man dieses Album erstehen sollte. Allen Fähigkeiten und formaler Originalität zum Trotz bleibt das Album durchschnittlich.

Die Nicht-Kauf-Empfehlung gilt natürlich nicht für die-hard Retro-Aktivisten, aber bei denen sind FIVE FIFTEEN ja eh Kult und so werden sie die Nacht zum 22.02. vorm Media Markt campiert haben. Ich jedenfalls präferiere für die nächste 70er Party Alkohol eher in flüssiger Form sowie die Originale als die originellen Finnen. War ich doch nicht der Richtige. Sorry.

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