Claudius - Angel For Us


Review


Stil (Spielzeit): Art-Pop (51:04)
Label/Vertrieb (VÖ): Triple Eggs/Radar (19.02.2007)
Bewertung: 7/10
Link: http://www.claudiusrieth.com/
Peru ist gemeinhin nicht bekannt als bedeutender Musikexporteur. Genauer gesagt fällt mir, ohne mich vorher schlau zu machen, überhaupt kein Kandidat ein, der das Gegenteil belegen könnte. Oder zumindest die Ausnahme der Regel. CLAUDIUS RIETH ist so ein Exemplar dieser seltenen Spezies. Vor 35 Jahren erblickte CLAUDIUS in Lima, Peru, das Licht der Welt. Da er in ein sehr musikalisches Umfeld geboren wurde, lag es nicht fern, dass ab dem neunten Lebensjahr Klavierstunden auf dem Programm standen und ein tragbarer Kassettenrekorder zum ständigen Begleiter wurde. Mit zarten zwölf Jahren zog er schließlich mit seiner Familie nach Buchholz, Deutschland. CLAUDIUS begann, sich mit einigen Freunden der Rockmusik zuzuwenden, spielte aber weiterhin Klavier, um den klassischen Einfluss zur Verfeinerung seiner Kompositionen zu nutzen. 1990 nahm CLAUDIUS mit seiner Band ALAS in Hamburg  das Album „Lovemaker“ auf. Hier spielte er die Keyboards, doch aus musikalischer Neugier begann er schließlich, an der Musikakademie in Buchholz Schlagzeugunterricht zu nehmen und nebenbei ein wenig  in andere instrumentale Gefilde hineinzuschnuppern. Vier Jahre später landete CLAUDIUS wieder in Südamerika. Diesmal allerdings in Chile, wo er ein Tontechnikstudium absolvierte, in mehreren Bands spielte und schließlich sein erstes Soloalbum aufnahm.
Ein Vita, die musikalisch natürlich nicht folgenlos geblieben ist. „Angel For Us“ war ursprünglich nicht als Album geplant, sondern vielmehr CLAUDIUS’ musikalische Therapie nach dem Tod seines Vaters. Da CLAUDIUS auf diesem Album alles selbst spielt, ist ein sehr intimes, introspektives Album dabei herausgekommen. Im Wesentlichen ist „Angel For Us“ ein Singer/Songwriter-Album mit einer sehr elektronischen, samplelastigen Ausrichtung, aber auch einer Vielzahl „echter“ Instrumente. Gitarren haben einen deutlichen Stellenwert, ebenso Klavier und E-Piano. Schlagzeug ebenso wie perkussive Soundsamples liefern das Rhytmusfundament. Streckenweise fühle ich mich auf instrumentaler Ebene zum Beispiel an BJÖRK erinnert. Es dürfte ja landläufig bekannt sein, dass Frau Gutmundsdottir ihre bizarren Klangkunstwerke auch zu einem nicht zu unterschätzenden Teil mit ihrer exaltierten Stimme gestaltet. Hier offenbart sich meiner Meinung nach auch ein entscheidendes Problem dieser Aufnahme: CLAUDIUS ist kein besonders interessanter Sänger. Nicht, dass ich ihm unterstellen würde, nicht singen zu können. Er bleibt stimmlich über die Länge des Albums unspektakulär, was dem schwer emotionalen Material eigentlich nicht ganz gerecht wird. Da hätte ich lieber den einen oder anderen schiefen Ton gehört, als dieses gesangliche Auf-Nummer-Sicher-Gehen. Als weiterer Anhaltspunkt würde mir noch THE NOTWIST einfallen. Die musikalischen Strukturen ähneln sich an manchen Ecken, doch fehlt den Melodien auf „Angel For Us“ ein wenig der nötige Schliff, um etwa mit „Neon Golden“ mitzuhalten. Höhepunkte gibt es aber natürlich auch zu verzeichnen, da wären zum Beispiel das jazzige „Come To My Room“ oder das intensive „The Fight“.
Die Songs sind ordentlich komponiert, zeigen CLAUDIUS’ musikalisches Können recht eindrucksvoll, die Produktion ist auch anständig und transparent. Auch schafft CLAUDIUS gekonnt Atmosphäre. Ecken und Kanten sind auch da. Für ein so melancholisches und emotionales Werk hätte ich mir jedoch einen weniger gleichförmigen Gesang gewünscht. Vielleicht ist sich CLAUDIUS dieses Umstandes bewusst und nennt einen Instrumentaltrack „I Can’t Sing“. So weit würde ich nicht gehen. Auffangen können dieses Manko größtenteils die hübsch gemachten mehrstimmigen Gesänge, die für mehr Volumen sorgen und in denen recht spannende Kontrapunkte gesetzt werden. In der Musik passiert davon abgesehen auch genug, um den Hörer zu fesseln und zu bewegen.
Mein Tipp: Licht runterdimmen, Flasche Rotwein auf und zurücklehnen. Zum Nebenbeihören ist diese Musik definitiv nicht geeignet.
BYE Redaktion

Wenn Du Metal, Rock, Hardcore oder Alternative hörst und Szene-Polizisten für das Letzte hältst, was Musik braucht, dann bist Du hier zu Hause.