Wer in der Black-Metal-Szene unterwegs ist und eigene Elemente kreieren will, muss so einigen Hass von ach so „trven“ Hardcore-Black-Metallern in Kauf nehmen. So auch Amalie Bruun, die nach der Veröffentlichung von "Mareridt" einen heftigen Ansturm an böswilligen Kommentaren und vereinzelte Todesdrohungen erleiden musste. Umso glücklicher macht es zu sehen, dass sie uns nun mit einem neuen Album beglückt, das vom Black Metal so viel Abstand nimmt, wie es in ihrem Rahmen geht.
„Folkesange“ vereint die skandinavische Kultur mit den Ursprüngen des Black Metals, ohne jemals schwarzmetallisch zu werden. Das mag zwar ein wenig paradox klingen, doch gemeint ist die Nähe zur Natur, die musikalische Vollkommenheit und Inspiration durch die Natur. Um das übermitteln zu können, benötigt es nicht nur viel Kreativität, sondern auch außerordentliches Talent.
Mit traditionellen Instrumenten wie der Nyckelharpa, der Lyre und der Mandola erzeugt MYRKUR ein authentisches, emotionales Album – meiner Meinung nach das Beste seiner Art – ohne dass es Gefahr läuft, schnell ins Lächerliche abzurutschen oder altbacken zu klingen (wie es bei einigen Mittelalter-/Folk-Bands der Fall ist). Eigentlich ist „Folkesange“ wie ein modernes Märchen. Inspiriert von den isländischen Eddas wird ein rundes Konzept von Beginn bis zum Ende kreiert.
Beginnend mit dem kraftvollen „Ella“, auf dem Ellas Herzschlag zu hören ist, über das düster-melancholische „Leaves of Yggdrasil“ bis hin zur treibenden schottischen Ballade „House Carpenter“ wird eine immense musikalische Bandbreite geboten, die letztlich im lieblichen und eisigen „Vinter“ endet. Auch wenn ich die meisten Texte nicht verstehen kann, werden so wunderschöne Bilder und spirituelle Momente kreiert, dass ich des Öfteren den Tränen nah bin. Zu sagen, welches der beste und schlechteste Song auf „Folkesange“ ist, ist schlichtweg unmöglich, da jedes Lied für sich steht und auf besondere Weise berührt.
Man mag mir natürlich widersprechen, doch für mich ist „Folkesange“ MYRKURs bislang beste, authentischste und vielfältigste Veröffentlichung, auch wenn ich traurig wäre, wenn sie sich vom Black Metal in Zukunft komplett abwenden würde, da ihr dieser in meinen Augen genauso gut steht. Selten fällt mir ein Album in die Hände, das von Beginn bis zum Ende fesselt und begeistert – schlichtweg perfekt ist. Amalie Bruun muss sich nicht für ihr Tun rechtfertigen. Tolle Musik entsteht nicht aus Genres sondern aus Inspiration (in diesem Fall die Geburt ihres Sohnes) und einer unfassbaren Menge an Talent.
Tracklist
Ella
Fager som en Ros
Leaves of Yggdrasil
Ramund
Tor i Helheim
Svea
Harpens Kraft
Gammelkäring
House Carpenter
Reiar
Gudernes Vilje
Vinter