Íon - Immaculada

ion

Stil (Spielzeit): Ambient / Folk (50:27)
Label/Vertrieb (VÖ): Equilibrium Music (10.05.10)
Bewertung: 8 / 10
Link: http://ion.equilibriummusic.com

Jetzt wollen wir alle mal ein Stück weit runterkommen… Das ganze Geballer, Geschrammel, Gebretter und Geholze, welches auf dieser Webseite behandelt wird, kann man sich doch nicht ernsthaft vierundzwanzig Stunden lang an sieben Tagen in der Woche anhören, ohne mit der Zeit aggressiv, depressiv oder schlichtweg verrückt zu werden. Da muss man doch auch mal die eine oder andere Pause einlegen. Ich habe ja selber nicht das Geringste gegen all das Geschrei, das Gegrunze und die obligatorischen nihilistischen Botschaften, welche überwiegend auf dieser wunderbaren Plattform zur Diskussion stehen, einzuwenden. Doch warum sollte man sich nicht zur Abwechslung auch mal einige sphärische, beruhigende und so ganz und gar nicht harte Klänge zu Gemüte führen? Um einfach mal die Füße baumeln und Blastbeat Blastbeat sein zu lassen. Um mit den Gedanken abzuschweifen und plötzlich statt Krieg und sozialen Missständen vor dem geistigen Auge nur weite, grüne Landschaften und rauschenden Wellengang an menschenleeren Stränden zu sehen. Oder einfach bloß, um friedlich einzuschlafen...

Wer nach dieser Art von musikalischer Abwechslung oder ganz allgemein nach akustischen und stark folkig angehauchten Klängen sucht, der hat mit dem bereits Ende 2004 ins Leben gerufenen Nebenprojekt des ehemaligen ANATHEMA-Bassisten Duncan Patterson genau die richtige Band gefunden. Hier wird Atmosphäre ganz groß geschrieben und der Begriff „Chillout“ wahrhaftig neu definiert. Wer denkt, die etwas neueren Werke von ANATHEMA oder der traurige Dark Rock von Patterson’s mittlerweile in Frieden ruhenden Zweitband ANTIMATTER seien schon außergewöhnlich emotional und an Besinnlichkeit kaum noch zu übertreffen, der sollte sich erst einmal von „Immaculada“, dem bereits zweiten Album des internationalen Projektes ÍON, eines Besseren belehren lassen. Wer sich hingegen bereits vom ersten Machwerk „Madre, Protegénos“, welches im Jahr 2006 erschien, hat überzeugen lassen, der wird auch an „Immaculada“ seine wahre Freude haben. Denn es wird genau dort angeknüpft, wo „Madre, Protegénos“ einst aufhörte. Dieses Mal haben es zwar nur acht Tracks auf den Silberling geschafft, doch bringen diese die Melancholie und Ruhe, welche das Erstlingswerk zu vermitteln vermochte, mindestens ebenso intensiv rüber wie ihre neun Vorgänger.

Erreicht wird dies durch eine Vielzahl an eingesetzten Instrumenten und Interpreten, welche diese bedienen oder auch nur den Tracks für einige Zeilen ihre Stimme leihen. Überwiegend betätigt sich jedoch Mastermind Patterson selber an Instrumenten wie Akustikgitarre, Bass, Piano, Mandoline und diversen unter dem Oberbegriff „Percussion“ zusammenzufassenden Gerätschaften. Als primäre Stimme wurde für fünf Titel die irische Sängerin Lisa Cuthbert konsultiert, welche den allein musikalisch schon äußerst stimmungsvollen Tracks mit ihrem angenehm harmonischen Organ noch die Krone aufsetzt. Neben ihrer Schwester Aoife und Gothic-Schönheit Vic Anselmo gibt es zudem noch etliche gesprochene und oftmals auch nur geflüsterte Worte von diversen Beteiligten zu hören. Getragen werden die Songs jedoch überwiegend von den verträumten, mal eher schwermütig, mal einfach nur wunderschön gestalteten Melodien, welche durch Tasten-, Saiten- oder Streichinstrumente erzeugt werden und verschiedenste Folkeinflüsse aufweisen. Dass Herr Patterson ständig zwischen Irland und Griechenland hin- und herpendelt, ist unverkennbar. Ebenso wie seine Vorliebe für das Mystische.

Denn nicht zuletzt aufgrund der zahlreichen im Flüsterton vorgetragenen Textpassagen in Kombination mit minimalistischen Musikuntermalungen wie sanften Keyboardklängen oder geheimnisvollen Trommeln wird die Grundstimmung der Tracks auf eine sehr mystische und tiefsinnige Ebene gehoben. Dies wirkt dabei zu jeder Zeit sehr unaufgesetzt und vermag den Hörer stets in seinen Bann zu ziehen. Nur äußerst selten zieht sich das Ganze etwas in die Länge und lässt ein wenig Eingängigkeit vermissen. Insgesamt jedoch hat man es hier mit einem beispiellos gefühlvollen Album zu tun, welches zum Träumen geradezu verpflichtet...