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"Tell me, why did you come to our planet?", sagte er, und der andere erwiderte: "Your planet?" "Yes, this is our planet." Er ließ einen Moment verstreichen, dann grollte er mit überzeugender Inbrunst:"No, it's not your planet!" So, oder so ähnlich könnte man den Prolog verfassen, sollte es so jemals eine Niederschrift der fernen Rufe geben. LONG DISTANCE CALLING vertrauen da eher auf ihre Instrumente und lassen nach dem Intro von "Into The Black Wide Open" das Saitengewitter sprechen, nachdem sie sich die ersten zwei Minuten gemütlich warm gespielt haben. Im Opener fängt einen die beklemmende Stimmung, ganz allein mit der immerwährenden Schwärze des Alls zu sein, wundervoll ein. Hier und da überlagern tolle Melodie-Intervalle die Rhythmuslinien von Gitarre und Bass, das Schlagzeug proggt sich amtlich durch die Dunkelheit.
"The Figrin D'an Boogie" erleuchtet die Dunkelheit der Eröffnung mit schmerzender Klarheit ergreifender Soli in Mittelteil und Ausklang, eingeleitet durch treibende Strukturen mit viel Wah-Effektierungen. Man wird geschüttelt und halb verbrannt in der Hitze der sich widersetzenden Atmosphäre, bevor man in sie eintaucht und in ihr zu gleiten beginnt, der Ruhe engegensehnt, nur um zu begreifen, dass die neue Welt nicht das ist, was sie zu sein schien. Weite Flächen offenbaren sich im Land der "Invisible Giants", die Jagd kann beginnen. Ist es denn eine Jagd, oder ist man selbst der Gejagte? Der Track sitzt mit auflauernden Gitarrenlicks dem Hörer auf jeden Fall stark im Nacken, bis zum entscheidenen Umbruch, als er feststellen muss, dass er in der Tat Opfer einer Täuschung wurde, um im Strudel wiederkehrender Riffstrukturen und ausladenen Schlagwerks unter zu gehen. Selbst die größten Helden nehmen diesen Weg.
Wann fühlte sich die Einsamkeit das letzte Mal so schmerzlich nahe, ja körperlich an, wie in "Timebends"? Mit dezenten Wah- und Flangereffektierung und mulmendem Bass kreieren die Münsteraner den Weg durch die innere Dunkelheit so gekonnt, wie schon lange nicht mehr erlebt. In der Mitte des Tracks verfällt die Struktur in treibende Selbstzweifel, umschlossen von immer vorwärts laufendem Prog-Klang. Und wieder sitzt das Schlagzeug sauber und trocken in der Mitte des Meeres, das im Ourto dann tatsächlich mit brechenden Wellen empor klingt. Tolle Nummer!
Der Titeltrack der Instrumentalgewalt ist dann ein langer und aggressiver Ruf, der viel zu berichten und noch mehr loszuwerden hat. "Arecibo (Long Distance Calling)" besticht im Gegensatz zu den bisherigen Songs durch schräge Töne der Melodiegitarre in der ersten Hälfte, bevor sich auch hier die Auflösung der Auseinandersetzung anbahnt. Letzten Endes finden LONG DISTANCE CALLING aber doch mehr Gefallen daran, den Hörer in die Ungewissheit abertausender fließender Gedankenströmungen fallen zu lassen. Man fühlt glatt Verwunderung aufsteigen, als John Bush (Anthrax) in "Middleville" als Gastsänger plötzlich anfängt zu singen. Es gehört aber schon zur Tradition von LONG DISTANCE CALLING, einen Song pro Album musikalisch um eine menschliche Stimme zu erweitern. Der Refrain, sozusagen der erste und einzige auf der Platte, ist dann auch schön kratzig und hoch angesetzt. Mit dem relaxten Mittelteil beweisen LDC dann gleich wieder, dass sie keinen Sänger benötigen.
Der ernome Abschluss durch "Byond The Void" vollendet ein Instrumentalepos, welches dann im Jahre 2011 erstmal auf einen würdigen Nachfolger wartet. Mein persönlicher Favorit auf dem Album, allein wegen seiner ewigen Weite, die den Bogen zum Opener "Into The Black Wide Open" sehr voluminös zu schließen weiß. Mir entgleitet der Hörer meines laufenden Ferngesprächs in die Dunkelheit und ich schwebe allein hinfort. Wer auf RIVERSIDE oder auch auf TOOL'sche Ausflüge steht, gehört (wieder einmal) in das Universum von LONG DISTANCE CALLING.
Stil (Spielzeit): Instrumentaler Orbit Progressive
Label/Vertrieb (VÖ): Superball Music (18.02.2011)
Bewertung: 9/10