The Evpatoria Report - Maar



Review


Stil (Spielzeit): Instrumentaler Post-Rock (61:33)

Label/Vertrieb (VÖ): Get A Life! Records (08.09.08)

Bewertung: 9 / 10

Link: http://www.myspace.com/theevpatoriareport

Wenn man in letzter Zeit den Begriff Post-Rock aufwirft, muss man oftmals mit einem Schmunzeln rechnen oder damit, belächelt zu werden, da dieses Genre teilweise genauso überlaufen wie langweilig geworden ist und man wirklich lange suchen muss, um neue Meilensteine und Leckerbissen zu entdecken, die sich abseits jedweder Konventionen, die sich dieses Genre paradoxerweise selbst geschaffen hat, bewegen. Umso erfeulicher und erleichternder ist es jedoch dann, wenn einem genau so eine Band begegnet, die den schmalen Grat zwischen genrebeengender Einordnung und Grenzenaufbrechung meistert. Die Rede ist hier von THE EVPATORIA REPORT. Die Schweizer veröffentlichen mit "Maar" den Folgesilberling zu ihrem 2006er Meisterwerk "Golevka". Was diese Band schon damals so besonders machte, war der Fakt, dass sie mit ihrem Post-Rock neue Maßstäbe in Sachen Epik und unkonventionellem Songwriting setzte. Dass man prinzipiell nicht alle Bands aus einem solchen Genre über einen Kamm scheren kann, ist wohl jedem klar, der sich mit dem Begriff Post-Rock mal näher auseinandergesetzt hat, wo man jedoch in letzter Zeit öfters Vergleichsbands wie zum Beispiel SIGUR ROS oder MOGWAI zum definieren heranzieht, muss man hier eher Vergleiche zu BLUENECK, EF oder RED SPARROWS ziehen, obwohl keine dieser Bands auch nur im Entferntesten dem epischen Ausmaß von THE EVPATORIA REPORT gerecht wird. 

Wo man bei "Golevka" noch einzelne Song herauspicken konnte, gilt es bei "Maar" die vier Tracks als Gesamtkunstwerk zu verstehen, welche alle die Zehn-Minuten-Grenze überschreiten. "Maar" ist ebenso schwer zu entdecken wie zu definieren, da im Gegensatz zum Vorgänger noch mehr Ambient- und Atmosphäreparts Einzug halten und man diese Scheibe nicht mit der Erwartung einlegen sollte, in den nächsten fünf bis zehn Minuten die Erleuchtung zu erlangen. Der Opener "Eighteen Robins Road" allein braucht schon knappe fünf Minuten, um Spannung und eine wahnsinnig epische Atmosphäre zu erzeugen, nur um danach in einen rockigen Fusionriff zu münden, der den Hörer zwar genreuntypisch aufhorchen lässt, ihm jedoch gleichermaßen einen Schauer den Rücken hinunterfahren und innerlich mitgrooven lässt. Spätestens hier beginnt man zu verstehen, dass man es bei THE EVPATORIA REPORT mit einer Ausnahmeband zu tun hat, zweifellos. Das, was "Maar" schon zu Beginn so ungewöhnlich macht, sind die Übergänge, die von einem Genre genau ins andere Extrem münden und dem Hörer innerhalb eines Songs die Vorstellung von verschiedensten Atmosphären und Gefühlen vermitteln und das verstehen die Schweizer auf virtuose Weise. Wenn nach dem ersten Track der Platte Stille Einzug hält, hat man das Gefühl, eine Reise durch Sphären jenseits aller Vorstellungskraft gemacht zu haben und genau hier spiegelt sich auch der Titel des Albums wieder. "Maar" ist wie eine Reise durch das Meer, durch seine tiefsten Tiefen und dabei genauso unberechenbar wie ein Vulkan, der jede Sekunde auszubrechen droht und man stets ein brodelndes Gefühl in der Magengegend verspürt, während man sich durch die vier Tracks lauscht. 

"Dar Now" stellt als zweiter Track ein Highlight des Longplayers da. Dieser Song wartet schon zu Beginn mit druckvollen und atmosphärischen Post-Indie Riffs auf und mündet dann ab einer Minute und Zwanzig Sekunden in einen der wohl besten Parts, die das Post-Rock Genre jemals hervorgebracht hat. Es handelt sich hier um einen extremen Genrekollaps, einem Mix aus Bluesbass, progressiver Rythmusraffinesse und einfach wunderschönem Post-Rock. Wenn sich bei Zwei Minuten und Dreizehn Sekunden die representative Post-Rock Gitarre aus dem Untergrund hebt und mit dem Glockenspiel, den Visuals und der gesamten Atmosphäre ein Fest der akkustischen Lautmalerei feiert, beginnt man zu verstehen, warum THE EVPATORIA REPORT einzigartig auf ihrem Gebiet sind. Und ehe man sich versieht, findet man sich in "Dar Now" schon wieder in einer komplett anderen Atmosphäre wieder. Grandios. 

Eines der wenigen Mankos stellt der dritte Track, "Mithridate", dar, da dieser eher als eine Art Lückenfüller daherkommt, kein wirkliches Highlight besitzt und knappe elf Minuten vor sich hindudelt. Schade. 

Den Rausschmeißer der Platte stellt "Acheron" dar, das letzte Highlight von "Maar". Dies ist der einzige Song, der an die düstere, schwere und außerirdisch epische Atmosphäre von "Golevka" zurückerinnern lässt. Hier wird lineares und spannungssteigerndes Songwriting geboten, bis hin zur letzten der knapp zwanzig Minuten des Songs. Der Song wirkt sehr schwer und bedrückend, bricht er jedoch an vereinzelten Stellen wieder meisterhaft aus der breiten Klangmasse von Lautmalerei aus, representativ für die gesamte Schönheit und Meisterhaftigkeit dieser Band, für "Maar" als auch gleichermaßen für "Golevka". Anders als "Golevka" jedoch wurde bei "Maar" der Einsatz von Streichern auf das Minimum reduziert, um die Band in den Mittelpunkt zu stellen. Dies gelingt der Schweizer Combo auch, da sie in "Maar" die Höhepunkte durch ihr eigenes musikalisches Songwriting innerhalb der Band definieren und nicht versuchen, wie auf "Golevka", es anderen Instanzen, wie zum Beispiel einem Chor und eben den genannten Streichern zu überlassen. "Maar" ist nicht so gut gut wie "Golevka". Bei weitem nicht, da sie die Atmosphäre und das gewisse Außerirdische des Vorgängers nicht noch einmal auf Platte gebannt haben, jedoch muss man "Maar" als Entwicklung betrachten, die jede Band vorallem durchmachen muss, um sich immer wieder neu zu definieren und eben nicht zu stagnieren. Trotzalledem ist "Maar" ein Meisterwerk von epischem Ausmaß, welches sich nur schwer definieren und einordnen lässt und welches mindestens ein Dutzend Hördurchgänge bedarft. Doch wenn man an dem Punkt angelangt ist, an dem man die Musik von "Maar" für sich entdeckt hat, weiß man, dass es sich gelohnt hat. Ich zumindest ziehe meinen Hut vor dieser Band und empfehle sie jedem, der das überfüllte und mühselige Post-Rock Genre schon aufgegeben hat.