Mardi Gras.bb - The Exile Itch

 


Stil (Spielzeit): Blues, Brass (42:00)

Label/Vertrieb (VÖ): Hazelwood Vinyl Plastics / Indigo (02.02.07)

Bewertung: 6,5/10 (CD); 7,5/10 (DVD; liegt nur der Limited Edition bei)

Link: www.mardigrasbb.com
www.hazelwood.de

 
Ob das "bb" im Bandnamen nun jene Bedeutung hat, die der Gründungsname "Mardi Gras Brass Band" nahelegt, oder wie verschiedentlich behauptet für "double bold" steht, scheint unter den Gelehrten umstritten zu sein, doch Mardi Gras ist bekanntlich der Karneval in New Orleans und so wundert es nicht, dass sich MARDI GRAS.BB  in ihrer mittlerweile fünfzehnjährigen Geschichte verschiedene Masken zulegten.

Vom Ex-GURU GURU -Bassisten und jetzigen Sousaphonisten (Sousaphon = südamerikanische Tuba) Uli "Reverend" Krug und dem Sänger/Gitarristen/Bläserarrangeur Jochen "Doc" Wenz zunächst als Brass Band gegründet, testete die bemerkenswerte Truppe bald in Big Band-Stärke, was man aus Blues, Soul, Funk, Alternative Country, Tex-Mex, Rock, Pop und natürlich Brass (Blechblasmusik) herausholen kann.

Nach der kurzzeitigen Reduktion auf die Drei-Mann-Minimalbesetzung für das 2005er Blues Rock -Album "Introducing The Mighty Three" rollt nun auf "The Exile Itch" wieder ein üppigerer Sound über den Hörer hinweg. Von der zurückhaltenden Wenz'schen Bluesgitarre über die in vorderster Front groovende Bläsersektion bis hin zur auf zwei Leute aufgeteilten Percussion (Große und Kleine Trommel) trägt alles zum versumpften Sound bei, womit nicht etwa eine schlechte Aufnahmequalität gemeint ist, sondern dieser ganz spezielle Klang, der die vom New Orleans -Jazz und -Blues beeinflusste Musik so unverwechselbar macht. Dazu kommen die herrlich kaputte Stimme des exzentrisch-intellektuellen Dermatologen "Doc" Wenz und einige Samples und Scratches, die den (angenehm) retro-orientierten Klang dann doch noch in dieses Jahrhundert liften. Kein Wunder, dass ihnen vor einigen Jahren mit dem coolen Stück "Psychoflute" ein kleiner Hit gelang und die Band diverse Filmsoundtracks mitverfasste, u.a. zu "Was nützt die Liebe in Gedanken" und "Wir werden uns wiedersehen", in welchem sie auch einen Kurzauftritt hat.

Einen Film haben sie auch selbst gedreht, und zwar einen ausgewachsenen Live-Mitschnitt, der der auf 3000 Exemplare limitierten Erstauflage kostenlos (!) beiliegt. Die Aufnahme zeigt den letztjährigen Auftritt im knapp 100 Jahre alten Lichtspielhaus UT Connewitz in Leipzig. Eine ausgezeichnete Ortswahl für "The Unveiling Of The Exile Itch", wie der Film heißt, denn die Location hat spätestens, wenn der vom tanzenden Publikum erzeugte Nebel durch die Halle wogt, eine ganz besondere Aura, die durch unkonventionelle Schnitte und einige (jedoch nicht allzu aufdringliche) hineingeschnittene Filmfetzen betont wird. Kleiner Minuspunkt: Die Stimme des Docs kommt leider nicht immer angemessen rüber, manche Stellen klingen gar etwas einschleimend. Schlimmer: Wentz' Sakko.
Das in Frankfurt ansässige Label Hazelwood hat noch die zwei Single-Videos "Psychoflute" und "Gone Gone Gone" und ein leider schon älteres Interview mit auf die DVD gepackt, die ab Herbst 2007 auch separat zu erstehen sein soll.
Nicht nur die Inszenierung des Konzerts ist wieder etwas anders als üblich. Das mir vorliegende, im Reclam-Stil gehaltene Info-Heftchen mit achtseitiger Kurzgeschichte zum Albumnamen ist das Skurrilste, was ich bisher an Promo-Material erhalten habe. Wäre schön, wenn es auch der Verkaufsversion beiliegt.

Das Album selbst ist zwar gefällig, aber leider kein Höhepunkt der Bandgeschichte. Etwas zu glatt, ja fast schon poppig ist es geraten. Das steht zwar nicht im Widerspruch zum bisherigen Schaffen, aber die interessante Sperrigkeit fehlt diesmal größtenteils, wodurch die Band sich dann doch auf bläserlastige und sehr langsam groovende Weise dem normalen Blues annähert. Oder wie die Band selbst über "The Exile Itch" sagt: "Where else could you go, when everything is said and done? Our most personal album. Digging deeply into the soul of pop music."

Ach ja, manchem wird die Band auch durch einen ganz besonderen Zwischenfall bekannt sein: Als im Jahr 2000 das damals aktuelle und bis dato erfolgreichste Album "Supersmell" unter anderem mit einem Bild eines Lümmels samt entblößtem Lümmel beworben wurde, was bei den Behörden nicht so toll ankam, wurde eine Ausgabe der "Spex" eingestampft. Die dortigen Kollegen waren darüber nicht sonderlich glücklich und "übersehen" die Band seitdem konsequent – wir nicht!

Ist auch nicht sinnvoll: MARDI GRAS.BB mag eine aus unserem üblichen Rahmen fallende Band sein, aber die nach unseren Maßstäben als Exoten dastehenden Jungs machen ihr eigenes Ding – und das ist schon eine Menge wert.

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