THE WHITE STRIPES, das sind Rot, Schwarz und Weiß, Dreistigkeit und Renitenz, Mut und Wahnsinn, gute Alben und fantastische Alben.
Ja genau, das war keine Aufzählung von Widersprüchen, sondern die Beschreibung des Weges, den Jack und Meg White seit nunmehr zehn Jahren konsequent gehen.
Genauso wie "Seven Nation Army" nicht der Haken an der Hookline des Erfolges war, wird es auch der Titeltrack "Icky Thump" nicht sein, denn der Titeltrack besticht mit den Zutaten, die einen WHITE STRIPES-Hammer auszeichnen: Die rohen und doch unnachahmlichen Riffs Jack Whites, der klare Beat Meg Whites und haufenweise schräge Ideen. Reduktion und Ausschweifung. Oje, jetzt hat sich doch einer dieser naheliegenden Gegensätze eingeschlichen, die ich vermeiden wollte.
Doch erstmal zum Wesentlichen: Manche Kämpfe kann man fast nur verlieren, z.B. den um glutamatfreies asiatisches Essen, oder den gegen die Last äußerst erfolgreicher Alben. Manchmal kann man jedoch so einen Kampf gewissermaßen für sich entscheiden, ohne ihn direkt zu kämpfen, aber auch ohne sich völlig davor zu drücken. Im Fall des Essens ist das selbständige Kochen eine adäquate Lösung und im Falle des Erfolgs das Verfolgen der bisherigen Vision mit veränderten Mitteln. Dies ist die Methode, welche die WHITE STRIPES bei "Get Behind Me Satan" ausprobierten. Der weitgehende Verzicht auf die vorher so dominante Gitarre und die Übersetzung von deren Rolle in die Klangwelt des Klaviers waren gewagte Schritte – und doch wieder nicht, denn die Musik fühlte sich zwar für Manche dermaßen anders an, dass schon "Verrat!" gewispert wurde, doch für Andere war nur der musikalische Dialekt ein anderer, während der Inhalt und vor allem die Intensität erhalten blieben. Wie dem auch sei, meine Prognose lautet: "Icky Thump" wird beide Fraktionen vereinen.
Die unbändige Kraft der simplen Idee, wie sie auf den Alben bis einschließlich "Elephant" hörbar wurde, sowie die Weckrufe und Säuseleien der abgefahrenen Ausschweifungen und künstlerischen Spielereien, die auf "Get Behind Me Satan" im Vordergrund standen, werden diesmal zusammengeführt. Gewaltig walzendes ("Icky Thump") steht neben Melodiösem ("Prickly Thorn, But Sweetly Worn"), scheinbar Langatmiges ("300 M.P.H. Torrential Outpour Blues") neben verstörenden Fetzen ("St. Andrew (This Battle Is In The Air)"), Radiohits ("You Don't Know What Love Is (You Just Do As You're Told)") neben herrlich harten Brocken ("Little Cream Soda"). Das Album ist eine wahre Wunderwaffe: mächtige Streuweite in der Tradition des Indie und jeder Schuss ein Treffer wie bei einem guten Blues-Riff, von denen es wieder jede Menge gibt, die zudem auf diverse Blues-Epochen anspielen. Man wundert sich: Auch die vermeintlichen Streifschüsse sitzen genau im Blues Rock-Herzen – man muss nur vielleicht ganz genau hinschauen. Und man muss Celtic-Folk-Dudelsack, hochgepitchte Chaos-Orgel und Tex-Mex-Trompete (beim Cover des 1952er Country-Songs "Conquest") in den Klangkosmos des kongenialen Duos integrieren, was aber nicht schwer fällt, weil die grundlegenden Koordinaten durch die unverwechselbaren Kennzeichen der Band sehr klar vorgegeben werden.
Rock, yeah!
Stil (Spielzeit): Blues-, Country- und Folk-Rock (48:16)
Label/Vertrieb (VÖ): Third Man / XL Recordings / Indigo (15.06.07)
Bewertung: 9/10
Link: The White Stripes