Fast jährliche Veröffentlichungen lassen fast erahnen, wie der Alltag der drei Musiker aussieht: Proberaum, Studio, Proberaum, Studio – wenn jemand sein Leben der Musik gewidmet hat, dann bestimmt diese drei Norweger. 2021 hinterließen sie jedenfalls bei mir starken Eindruck mit ihrer letzten Platte „Earthbound“ und – was soll ich sagen – ich wollte mehr.
Zum Glück muss man bei KANAAN bekanntlich nicht besonders lange nervös zittern, denn dieses Jahr hat die Band die logische Fortsetzung „Downpour“ veröffentlicht, die tatsächlich das weiterführt, was bei „Earthbound“ begonnen hat. Nur eben diesmal mit besserem Songwriting und ein wenig mehr Stimmigkeit.
„Downpour“ beginnt mit „Black Time Fuzz“, wo der Titel bereits ein Statement ist. Mysteriös und bedrohlich bohren sich die Riffs durch deine Gehirnwand. Selbstverständlich wird dabei insbesondere an Fuzz-Effekten nicht gespart. Doch dies war nur der Auftakt.
Für ihren Track „Amazon“, der generell auf diesem Album ein wenig aus der Reihe fällt, haben sie Norwegens beste Gitarristin Hedvig Mollestad aus dem Bereich Psychedelic-Stoner-Rock und Free Jazz an Land gezogen. Und wenn man ganz ehrlich ist, macht es diesen Track auch so besonders: „Amazon“ ist ein organisches Konstrukt, das Chaos und Trubel mit ganz viel Seele und Gefühl vereint. Improvisation ist das A und O, was es wie eine hochkarätige Jam-Session wirken lässt.
Der Titeltrack „Downpour“ gefällt auch besonders, da er durch seine Jazz-Anleihen in den Drums neuen Input in KANAANs Sound liefert. Vielleicht ist es auch das, was die Musik von KANAAN generell so faszinierend macht: Es passiert sehr viel und es gibt immer wieder aufs Neue sehr viel zu entdecken. Die kurze Interlude „Psunspot“ gibt eine Verschnaufpause zwischen diesen ganzen Monstertracks und der zweite Teil des Albums scheint zumindest dem Titel nach wieder eher in Richtung All gerichtet zu sein.
„Orbit“ überzeugt mit seiner fetten Basslinie, dem vollen Sound und den sich eingliedernden Space-Sounds. KANAAN hauen einfach am liebsten in die dicken Saiten, das lässt sich nun einmal nicht leugnen. Zum Schluss gibt es „Solaris Pt. 1“ und „Solaris Pt. 2“ zu hören, die sich langsam aufbauen, zum Träumen einladen und hypnotisieren und einen im Anschluss im Stoner-Gewand tief in die Knie zwingen.
KANAAN machen inspirierend ehrliche Musik. „Downpour“ zeigt nicht nur die Vielfalt, die hinter den kreativen Köpfen steckt, sondern auch, wie man Musik zum Sprechen bringen kann – Text und Gesang sind hier nicht nötig.
Tracklist
1. Black Time Fuzz 04:24
2. Amazon ft. Hedvig Mollestad 06:00
3. Downpour 07:38
4. Psunspot 01:04
5. Orbit 06:17
6. Solaris Pt. 1 07:47
7. Solaris Pt. 2 07:36