HAVOK zählen neben WARBRINGER, HARLOTT, VEKTOR und vielen mehr zu den Vertretern der sogenannten „Re-Thrash“-Bewegung, einer neuen Generation von talentierten Thrash-Bands, die die Fackel der alten Helden übernehmen und den großen Namen Thrash-Metal in die Welt hinaustragen wollen. Die erhobenen Vorwürfe aus der Die-hard-Classic-Fraktion, dass sie nur Riffs recyclen und nichts Originelles vorlegen und per se den Alten nie das Wasser reichen könnten, kann man sofort zurückweisen. Auch die vier „Kleinen“ von HAVOK brauchen sich vor den „Big 4“ wahrlich nicht zu verstecken.
Die Amis sind außerordentlich versiert an ihren Instrumenten, legen großen Wert auf musikalisches Handwerk. Sie haben im Vergleich zu den Vorgängeralben zudem songwriting-technisch noch eine Schippe draufgelegt. Die Songs kommen jetzt mehr auf den Punkt, sie wirken länger nach. Es bleibt dennoch Thrash mit technischem Flair, verrückten rhythmischen Verspieltheiten und Basslinien und Riffs, die einen mit der Zunge schnalzen lassen.
Der Sound des Albums ist von Steve Evetts glöckchenklar produziert. Auf der einen Seite wirkt das leicht steril, legt andererseits eine enorme Dynamik und tödliche Präzision an den Tag. Jedes Instrument wurde beim Mixing gleichberechtigt behandelt. Schon liest man, die Gitarren hätten plötzlich keine Eier mehr. Bullshit! Auf dem iPhone vielleicht. Die Riffs sind messerscharf, die Vocals giftig und der Bass nicht von dieser Welt. Und nur weil die Snare-Drum klingt wie eine und nicht dem dumpfen Sound einer Ariel-Trommel gleicht, munkelt man gleich, es seien Triggers im Spiel. Sie ist jedenfalls ein Biest!
HAVOK haben Aliens an Bass und Schlagzeug
Eine besondere Erwähnung verdient das virtuose Spiel des neuen Bassisten Nick Schendzielos. Sein funkiger Slap-Style zieht sich wie ein roter Faden durch das Album. Der Kerl liefert eine Spitzenleistung ab und reichert den Classic Thrash mit spannenden Crossover-Elementen an. Seine außerirdische Performance hat der Mann an den Reglern sehr schön herausgearbeitet und stellt eine willkommene Abwechslung in der Metal-Produktion dar, wo sich der Bass oft in einer Wall of Sound verliert. In der anderen Ecke der Rhythmus-Sektion sitzt der zweite Außerirdische: Drummer Pete Webber. Whiplash-mäßig peitscht er unaufhaltsam nach vorne, streut aber auch kleine Raffinessen ein und verleiht wie sein Kollege seinen Grooves eine ordentliche Portion Funkiness. Zusammen ergeben die beiden eine smarte und gleichzeitig kraftprotzende Einheit, die wie aus einem Guss aufspielt.
Der Gitarren-Verbund aus David Sanchez und Reece Scruggs steht der Rhythmus-Machinerie in nichts nach. Der glühenden „Dresch“-Metall-Basis werden griffige Riffs beigemischt, die sich messerscharfen Klingen gleichend durch die Gehörgänge schneiden. Man hat zu keiner Sekunde das Gefühl, die Riffs oder Soli schon einmal gehört zu haben. Das gibt jedem Song eine eigene Identität und der Hörer steht über Albumlänge unter Adrenalin-Dauerbeschuss. Reece Scruggs Leads klingen songdienlich und erfrischend originell, enden aber nie in kopflosem Griffbrettgewichse.
HAVOK sind richtig angepisst
Die Texte seien angeblich zu politisch. Von was reden wir denn hier? Thrash war schon immer politisch. Als Verschmelzung der Energie des Punk mit den Techniken der New Wave of British Heavy Metal wurden/werden die sozialen Missstände der scheintoten Gesellschaft unmissverständlich vor die Füße geworfen. „Wake up and think!“, faucht David Sanchez hasserfüllt ins Mikrofon, was stellvertretend für all die Themen auf der Platte steht wie blinder religiöser Gehorsam, lügende Politiker, verdrehte Political Correctness oder falsche Berichterstattung. Insbesondere kriegen natürlich die „United Snakes Of America“ ihr Fett weg.
Auf „Conformicide“ befinden sich wirklich keine Filler, nur Killer. Eine Granate jagt die nächste. Es sind Songs, die süchtig machen. Die beschriebenen Trademarks treffen auf jeden einzelnen Song zu. Habt ihr schon einmal einen Gummiball mit voller Wucht durch einen kleinen Raum geworfen? So fühlt sich ungefähr „Intention To Decieve“ an. In „Masterplan“ erwische ich mich den Freudentränen nah ein „totally brutal“ rausstammeln – unter Herbeisehnung einer 11 auf dem Volume-Regler. Vom angepissten „Power-tripping maniac“-Schrei im MEGADETHigen „Dogmaniacal“ träume ich nachts. Und „Ingsoc“ ist schon ein durchtriebenes proggy Stück, nicht wahr?
„Conformicide“ ist für jeden Thrash-Metal-Fan ein absolutes Muss. Seit den 80er Klassikern der alten Heroen hat mich kein Album mehr so dermaßen umgehauen. Es hat nicht nur dem Thrash-Metal eine Frischzellenkur verpasst, sondern definitiv auch dem Rezensenten. Mehr davon …
Besetzung:
David Sanchez - Vocals (lead), Guitars (rhythm)
Reece Scruggs - Guitars (lead), Vocals (backing)
Nick Schendzielos - Bass, Vocals (backing)
Pete Webber - Drums
Tracklist:
01. F.P.C. (5:20)
02. Hang 'Em High (4:49 )
03. Dogmaniacal (5:55)
04. Intention to Deceive (5:42)
05. Ingsoc (7:41)
06. Masterplan (6:25)
07. Peace Is in Pieces (5:17)
08. Claiming Certainty (3:42)
09. Wake Up (5:41)
10. Circling the Drain (7:17)
11. String Break (0:42)
12. Slaughtered (3:56)