HellgardeN - Making Noise, Living Fast

HellgardeN - Making Noise, Living Fast

"Making Noise, Living Fast" erweckt schon in den ersten 30 Sekunden den Eindruck, dass es hier um mehr geht, als PANTERA bloß zu zitieren. Und jede weitere Minute des Albums bestätigt: HELLGARDEN spielen um nichts weniger als die Nachfolge ihrer großen Vorbilder auf den Thron des Groove Metals.

HELLGARDEN huldigen ihren großen Vorbildern

Dafür wirft das 2015 gegründete brasilianische Quartett alles in die Waagschale, was es an Energie, Talent und technischem Können aufzubieten hat – und reicht damit tatsächlich an die Jungs aus Texas heran. Alles klingt, duftet, schmeckt wie PANTERA: Gleicher Sound, gleicher Stil, gleicher Groove, gleiche Technik. Die Whammy Bar ächzt und jault fast ununterbrochen, die häufigen Soli sind konsequent in der Tradition Dimebag'scher „Squealing“-Technik gehalten. Darüber wütet, röhrt und schreit Sänger Diego Pascuci nicht minder irre wie Phil Anselmo zu seinen besten Zeiten.

PANTERA-Trademarks an allen Ecken und Enden

Aber, und das ist die Kehrseite der Medaille: Die Jungs aus São Paulo opfern jeden Funken möglicherweise vorhandener Eigenständigkeit auf dem Altar ihrer Götter. Wenn mich Riffs und Wendungen, ganze Songs immer und immer wieder an die großen Vorbilder erinnern, ja sogar Ohrwürmer von PANTERA-Songs (!) evozieren, dann ist es doch zu viel des Guten.

Ein prima Beispiel hierfür ist "Learned To Play Dirty". Der Song klingt wie eine Kreuzung aus "Walk" und METALLICA der späten 80er-Phase. Auffallend ist auch hier der Rückgriff auf einen von PANTERA oft verwendeten atmosphärischen Kniff: Ein mit Hall und Distortion unterlegtes Gitarrensolo voller Bendings und Screams steht dominant im Raum, nur zurückhaltend (wenn überhaupt) begleitet vom Schlagzeug und einem pluckernden Bass. Dann noch eine aus “Five Minutes Alone” entliehene Melodiekurve und fertig ist ein HELLGARDEN-Song, der knallt und Spaß macht … aber eben auch an allen Ecken und Enden aus fremden Trademarks besteht und damit seltsam zusammengestückelt und reanimiert wirkt.

Immer auf die 12

HELLGARDEN geben Vollgas auf Albumlänge, und damit folgt mein zweiter Kritikpunkt: Es mangelt etwas an Abwechslung. So habe ich fest mit einem ruhigeren, melodischen Song gerechnet, etwa in der Tradition von "This Love" oder "Cemetery Gates" (– um auch hier im PANTERA-Fahrwasser zu bleiben).

Auf der anderen Seite sprechen wir hier von einem Debüt, mit dem die Jungs bereits das gleiche Level an Wucht und Intensität erreichen, das ihren großen Vorbildern zu Unsterblichkeit verholfen hat. Wenn man in diesem frühen Stadium in puncto Songwriting noch Abstriche machen muss, ist das also letztlich völlig verzeihlich. Und wenn die Band live rüberbringt, was sie auf dem Album zeigt … dann bleibt kein Auge trocken!

"Making Noise, Living Fast" ist ein beeindruckendes Debüt

Ich bin beeindruckt, wie nah "Making Noise, Living Fast" am Level einer meiner Lieblingsbands ist. Mit Bands wie THROWDOWN und nun vor allem HELLGARDEN lebt traditioneller Groove Metal weiter, wenn auch in konservierter und kaum erneuerter Form. (Dafür sind dann nach wie vor eher Bands wie PRONG zuständig ...)

Es gibt etliche Hörer, die genau diesen Sound suchen und schmerzlich vermissen, seit PANTERA das Handtuch geworfen haben, und denen sei dieses Album sehr ans Herz gelegt. Für die zweite Platte von HELLGARDEN wünsche ich mir jedoch mehr Abwechslung und den Mut, dem Ganzen etwas Eigenes mitzugeben. Das Potenzial dazu haben die vier Jungs definitiv.

"Making Noise, Living Fast" Tracklist

  1. Spit on Hipocrisy
  2. Evolution or Destruction
  3. Learned to Play Dirty
  4. Fuck the Consequences
  5. Brainwash
  6. Making Noise, Living Fast
  7. Believe in Yourself or Die
  8. Possessed by Noise 

Hellgarden Band 2020Hellgarden Band 2020 / Pic by Thiago Victal & Ste de Carvalho

HELLGARDEN sind:

Diego Pascuci - Vocals
Caick Gabriel - Guitar
Matheus Barreiros - Drums
Guilherme Biondo - Bass

Chris

Als Kind der 90er liebe ich Grunge und Alternative Rock – meine bevorzugten Genres sind aber Death, Groove, Dark und Thrash Metal. Ich kann Musik und Künstler schwer voneinander trennen und halte Szene-Polizisten für das Letzte, was Musik braucht. Cool, dass Du vorbeischaust!