Chimaira - s/t


Review

Stil (Spielzeit): (Thrash) Metal (59:05)

Label/Vertrieb (VÖ): Roadrunner/Universal (08.08.05)

Bewertung: Ganz großer Stahlbau! (8,5/10)

Link: www.chimaira.com

 
Chimaira haben vor zwei Jahren im Zuge ihres fulminanten Albums „The Impossibility Of Reason“ den Begriff New Wave Of American Heavy Metal erfunden (was viele nicht wissen). Und nicht nur dieses geflügelte Wort war plötzlich in aller Munde, auch die Band aus Cleveland selbst war nicht mehr aus der traditionsbewussten Bewegung wegzudenken. Der Überraschungsact 2003 zeigte vor allem live seine ganze Macht, sodass mit jeder Show die weltweite Anhängerschaft größer wurde.   2 Jahre und 235 Konzerte später liegt endlich das neue selbstbetitelte Album vor. Und das hat es in sich! Wer nach dem mit Hits gespickten Vorgänger „The Impossibility Of Reason“ einen weiteren Schritt Richtung Metalcore, Mitgröl-Refrains und Kommerz erwartet hat, wird beim ersten Durchlauf von „Chimaira“ ganz tief schlucken müssen. Longplayer Nummer drei ist ultrahart geschmiedeter Stahl – kompromisslos, technisch extrem tight und alles andere als leichte Kost. Die umbarmherzige Ausrichtung, die durchweg 5-7 Minuten langen Songs und die sperrigen Aufbauten werden viele, gerade jüngere Fans, schocken. Doch mit jedem Durchlauf gewinnt das Album an Größe, Genialität und Dynamik. Man muss viel Geduld, Aufmerksamkeit und vielleicht auch etwas Erfahrung in Sachen Metal mitbringen, um dieses feiste Werk verstehen zu können. Denn eingängige Gassenhauer wie „Pure Hatred“, „Power Trip“ oder „Down Again“ sucht man auf dem neuen Album vergebens. Stattdessen bauen sich die Songs Schicht für Schicht, Runde um Runde auf, bis sie an Brutalität kaum noch zu steigern sind und wie ein Monster über einen hereinfallen. Nach jedem Hörgang platzt sozusagen ein neuer Knoten. Spätestens ab der zehnten Rotation gibt es kein Halten mehr!
Gleich der Uptempo-Opener „Nothing Remains“ weist den Weg durch das Thrash-Inferno, bietet es doch eine Aggressionssteigerung nach der anderen. „Save Ourselves“ und „Inside The Horror“ scheinen dieses Level noch zu steigern und prügeln abwechselnd mit Doublebass, Blastbeats, turmhohen Grooves, gemeinen Riffwalzen, knalligen Breaks von Kevin Talley (Ex-Dying Fetus, Ex-Misery Index) und aberwitzigen Soli alles was ihnen in den Weg stellt nieder. Mindestens diese drei Granaten gehören definitiv zum Heftigsten, was das Thrash-Jahr 2005 zu bieten hat. Aber noch wichtiger ist, dass Chimaira sich jeglichen Trendcore-Schubladen entzogen haben, und maximal metallisch zu Werke gehen. Die Vorbilder sind dennoch rauszuhören, aber in der Wahl logischerweise die besseren: Metallica (der 80er), Slayer und Pantera. Das Klampfen-Duo Rob Arnold und Matt DeVries katapultieren diesen Sound der Rifforgien in das neue Jahrtausend und definieren dadurch ihren eigenen Stil ganz neu. Weg von ausgelutschten Moshparts, hin zum Songwriting mit Langzeitwirkung.  Anspruch, Härte und Ausdauer bringen aber gleichzeitig auch den Nachteil des Albums mit sich: den Mangel an Melodien. Zwar entfalten opulente Songs wie „Salvation“ und „Left For Dead“ eine gewisse Epik, auch Rob Arnold geizt nicht mit seinen Huldigungen an Kirk Hammet, doch „Chimaira“ ist insgesamt wie sein Cover pechschwarz. Sänger Mark Hunter klang noch nie so roh und angepisst. Versuchte er sich beim Vorgänger noch an cleanen Vocals, pflastert er diesmal alles mit seinem rauen Gesang zu. Die wirklich großen Hooks fehlen. Einerseits schade, andererseits auch konsequent.  Fazit: Chimaira haben in kreativer Hinsicht drei Schritte nach vorne getan und pumpen dem Hörer mit diesem Kollos eine wahrlich tödliche Dosis Metal in die Venen. Ob sich die vorbildliche Attitüde des Sextetts auszahlt, wird sich erst zeigen. Doch das sollte es eigentlich, denn dieses Brett hat das Potential – wie bei seinen Urvätern – Genre übergreifend zu begeistern. Respekt!