Porcupine Tree - Fear Of A Blank Planet

Stil (Spielzeit): Progressive Rock (50:51)
Label/Vertrieb (VÖ): Roadrunner / Warner (13.04.07)
Bewertung: 9,5/10

Link: http://www.porcupinetree.com

Steven Wilson, seines Zeichens kreativer Kopf, Frontmann und Gitarrist von PORCUPINE TREE, ist ein unglaublich produktiver Mensch. Am Start hat er nicht nur etliche Nebenprojekte wie NO-MAN, COMMUNION und eben BLACKFIELD, mit denen er erst kürzlich durch Europa tourte. Der Mann war auch schon als Produzent etwa für OPETH oder Anja Garbarek tätig. Kommt PORCUPINE TREE da nicht etwas zu kurz? Nein, das Gegenteil ist der Fall. Ganz offensichtlich hatte sich nach der zwischenzeitliche Ablenkung bei allen Musikern viel an neuen Ideen und Inspiration eingenistet, als sie Ende 2006 frisch und motiviert das Studio betraten, um den Nachfolger von "Deadwing" einzuspielen. Anders ist es nicht zu erklären, dass "Fear Of A Blank Planet" musikalisch wie thematisch vermutlich das Extremste darstellt, das die Briten in all den Jahren abgeliefert haben. Von samtweich bis eisenhart, von abstrakt bis konkret. Dieses Album hat alle Voraussetzungen, um als Opus Magnum in die Geschichte von PORCUPINE TREE einzugehen und macht außerdem deutlich, warum die Akteure ganz weit oben in der Progressive-Liga stehen. 

Nur 50 Minuten dauert es diesmal bis die Handbremse gezogen wird – und das ist auch gut so, denn: Das Kunstwerk ist vollendet, der Hörer ist am Ende bis zum Rand gefüllt mit Emotionen und Stimmungen, die erst einmal verarbeitet werden wollen. Obwohl diese 50 Minuten durch sechs geteilt werden, ist jede einzelne Sekunde sprichwörtlich erfüllt mit einer düsteren, zuweilen auch schaurig schönen Atmosphäre, von der man uns zu keinem Zeitpunkt Erholung gönnt. Beim Blättern durch das Booklet wird klar, wieso. Wilson hat seiner sozialkritischen Ader freien Lauf gelassen. Wie ein stetiger Strom ziehen sich seine – wie es scheint eigene – Gedanken durch das Album, Gedanken zu einer sehr akuten gesellschaftlichen Problematik: Es geht um die zunehmende Flucht Jugendlicher aus der Realität, hinein in die virtuelle Welt von MTV, PC-Spielen und Internet. Der Titelsong beschreibt die Folgen: Innere Leere, Drogen, Reizüberflutung, existenzielle Ängste. Wilson spricht wie in einem Dialog immer wieder auch aus einem der Betroffenen heraus, lässt den Zuhörer audiovisuell Teil haben an den Gefühlen und Sorgen heutiger Jugendlicher. 

Dabei spiegelt das siebzehnminütige Herzstück ’Anesthetize’ den Makrokosmos von "Fear Of A Blank Planet" fast 1:1 wider. Die Stimmung schaukelt zwischen Apathie mit melancholischem Gitarrenspiel und brutalstem Doublebass-Powerchord-Gewitter, wenn es zum Hassausbruch kommt. Sogar Monotonie ist vertont und klingt überraschenderweise gar nicht langweilig. So komplett radiountauglich war vermutlich auch keine Album zuvor. Selbst die Halbballade ’Sentimental’ brächte mit ihrem psychedelischen Touch und dem hypnotisierenden Refrain jeden Radio-DJ aus der Party-Stimmung. Es ist schön, dass Wilson & Co. also erneut dem Erfolgs- und Kommerzdruck Stand gehalten haben und keine Kompromisse eingegangen sind.

Fazit:
Würde man alle bisherigen Veröffentlichungen von PORCUPINE TREE in einen Mixer werfen, könnte man sich am Ende wohl "Fear Of A Blank Planet" in das Glas gießen. Kraftvoll wie "In Absentia", atmosphärisch und durchdacht wie "Deadwing": Das neue Album vereint alles, was die Band bisher ausgemacht hat und stellt zugleich einen weiteren Schritt nach vorne da, wie immer mit der bekannten Präzision. Und noch etwas: Tut dem guten Steve den Gefallen und kauft euch das Original, solche Klangwelten darf man einfach nicht in ein MP3-Korsett zwingen!