Alice In Chains - Rainier Fog

Alice In Chains - Rainier Fog

Fünf Jahre nach "The Devil Put Dinosaurs Here" kehren ALICE IN CHAINS mit neuem Material zurück. "Rainier Fog" ist das sechste Studioalbum der Seattle-Legende und zugleich das dritte mit William DuVall, der vor mehr als zehn Jahren das Erbe des 2002 verstorbenen Sängers Layne Staley angetreten hat.

"Rainier Fog" erinnert nicht nur musikalisch stärker als "The Devil Put Dinosaurs Here" an die Vergangenheit der Band. Erstmals seit dem selbstbetitelten dritten Album von 1995 nahmen ALICE IN CHAINS wieder im Studio X in ihrer Heimatstadt Seattle auf - übrigens zum dritten Mal in Folge mit Nick Raskulinecz, der wie auf den beiden Vorgängern für einen satten, drückenden Sound sorgt. Der Albumtitel ist eine Hommage an die Szene in Seattle.

ALICE IN CHAINS erfinden sich neu - nicht

Die zehn neuen Songs bieten keine Überraschungen. Sämtliche Trademarks des Quartetts sind vorhanden: Die hypnotischen, oft minimalistischen Riffs von Jerry Cantrell, DuValls charakteristische, an Staley erinnernde Stimme, zweistimmige Gesangspassagen, die noch ein bisschen homogener ineinander fließen als auf den beiden Vorgängern, das mahlende Rhythmus-Werk aus Mike Inez' knarzig pumpendem Bass und Sean Kinneys punktgenauem Timing an den Fellen. Ob ALICE IN CHAINS experimentierfreudiger geworden wären, hätte es eine Zukunft mit Staley gegeben? Das wird auf ewig ein Rätsel bleiben.

Insgesamt ist das Material auf "Rainier Fog" zugänglicher ausgefallen als auf "The Devil Put Dinoaurs Here", selbst wenn der schleppende Opener "The One You Know" scheinbar direkt das Gegenteil beweisen möchte. Hypnotische, monotone Riffs und charakteristische AIC-Gesänge bilden einen verschroben-dissonanten Rahmen für den fulminanten Gänsehaut-Chorus. Mit diesem Wechselspiel aus Kontrasten sorgen ALICE IN CHAINS charmant für einen steinigen Einstieg, der sogleich vom straighten, deutlich flotteren "Rainier Fog" entschärft wird. Mit eingängigen Melodien, rotzigem Groove und spannendem Break lässt sich der Titeltrack deutlich leichter verdauen.

In der ersten Hälfte überzeugend, dann durchwachsen

Das mächtige, aber in die Länge gezogene "Red Giant" schlägt eine vertracktere Richtung ein und wirkt trotz schleppendem Tempo ein wenig gehetzt und unruhig. Als Kontrapunkt folgt mit "Fly" eine luftig-leichte, akustische Nummer, bei der ex-QUEENSRYCHE-Gitarreo Chris DeGarmo mitgewirkt hat und E-Gitarren nur verstärkend eingesetzt werden. Die (Halb-)Ballade präsentiert sich einprägsam, aber unaufgeregt mit schönem Cantrell-Solo und macht Platz für das bluesig-doomige "Drone", das ganz herzlich in Richtung BLACK SABBATH grüßt und eine willkommene Abwechslung im Albumkontext darstellt.

Mit markanten Gitarren und düsterer Stimmung präsentieren ALICE IN CHAINS dann das schleppende "Deaf Ears Blind Eyes", das abgesehen von einem hörenswerten Break wenig spektakulär vor sich hin plätschert. Das akustische "Maybe" mit latenter Country-Stimmung, eingängigen Melodien und wunderbar zweistimmigen Gesängen zieht die Mundwinkel wieder ein gutes Stück nach oben.

Besser als "The Devil Put Dinosaurs Here", schwächer als "Black Gives Way To Blue"

Das eintönige "So Far Under" entpuppt sich mit seinem viel zu oft wiederholten Chorus bereits beim ersten Hören als nervtötender Rohrkrepierer (wann ist ALICE IN CHAINS so etwas das letzte Mal passiert?) und wird zum Glück nach viereinhalb Minuten von  "Never Fade" abgelöst, das seine Sache in allen Belangen besser macht, endlich einmal das Tempo anzieht und mit einem wirklich schönen Refrain punkten kann. Textlich geht es in der maßgeblich von DuVall geschriebenen Nummer um die verstorbene Großmutter des Sängers und Grunge-Legende Chris Cornell.

"All I Am" ist mit über sieben Minuten Spielzeit der längste Song des Albums. Mit mehr Verzweiflung als Melancholie, traurigen Vocals und episch angehauchtem Refrain ist die Nummer ein passender Abschluss für ein zwischen solide und hörenswert pendelndem Album, das seine Sache besser macht als der direkte Vorgänger, aber auch ein gutes Stück von der Qualität des ersten Albums mit DuVall entfernt ist.

"Rainier Fog": Viel Licht, viel Schatten

Die Hitdichte der Klassiker mit Layne Staley weist also auch "Rainier Fog" nicht auf. Im Gegenteil beinhaltet es mit "So Far Under" gar eine völlig verhunzte Nummer sowie ungewöhnlich viele Längen. ALICE IN CHAINS spielen routiniert (vielleicht könnte einem stellenweise auch "eintönig", "langatmig" und "lustlos" in den Sinn kommen), gehen aber zu sehr auf Nummer sicher und hätten für mehr Abwechslung ruhig ein, zwei Nummern mit einem Geschwindigkeitsboost ausstatten können.

Dennoch bietet Album Nummer sechs genügend melancholisches, schwerfälliges Material, um die Anhänger des Quartetts aus Seattle zufrieden zu stellen - gerade jetzt, wo der neblige Herbst in Sichtweite ist. Aha-Effekte und Gänsehaut-Momente bleiben allerdings komplett aus.

Trackliste

01. The One You Know
02. Rainier Fog
03. Red Giant
04. Fly
05. Drone
06. Deaf Ears Blind Eyes
07. Maybe
08. So Far Under
09. Never Fade
10. All I Am

Band

Jerry Cantrell – Guitars, Vocals
Sean Kinney – Drums
Mike Inez – Bass
William DuVall – Vocals, Guitars