Hallo ihr beiden. Ihr seid aktuell zwei Drittel der Stammbesetzung von KLAW. Wie ist da die aktuelle Situation?
Lucie: Genau. Also eigentlich ist die Band sozusagen Chaspers Band, von Anfang an dabei waren er und Reto, der am Schlagzeug sitzt. Ich bin dann für den Gesang dazu gekommen und da wir momentan niemand fest an der zweiten Gitarre und am Bass haben, sind zwei Gastmusiker dabei.
Chasper: Wir haben für beide Positionen schon ein paar Leute im Blick, aber bisher gibt es noch nichts Definitives.
Ihr habt jetzt eure erste EP draußen. Kommt da demnächst ein Album?
Beide: Ja, definitiv.
Chasper: Wir waren gerade erst im Studio und haben einen neuen Song aufgenommen, der auch auf das Album kommen wird. Eine Single-Auskopplung. Mit dem werden wir auch ein Video machen. Irgendwann im Herbst werden wir dann die anderen Songs aufnehmen und ich denke, Anfang 2018 kommt dann unser erster Longplayer.
Lucie: Songmaterial haben wir schon sehr viel zusammen, vor allem Chasper ist sehr produktiv, was Songwriting anbelangt. Wahrscheinlich werden wir am Schluss das Problem haben, welche Songs wir rausschmeißen müssen, schweren Herzens. Aber wir sind auf einem guten Weg.
Chasper, ich habe gesehen, du hast Jazz studiert?
Chasper: Genau, ja.
Lucie: Die dunkle Vergangenheit ... (lacht)
Chasper: Ich war an der Jazzschule in Bern. Dann noch zwei Jahre in Los Angeles, da habe ich Jazz und Pop-Musik studiert. Und ich habe auch sehr lange fast ausschließlich Jazz-Kompositionen für kleine aber auch größere Formationen geschrieben. Und ja, seit sieben, acht Jahren hat es mich einfach voll in den Metal gezogen. Ich hab' da meine Stationen durchlaufen von Hard Rock über Metal Rock und jetzt seit einiger Zeit halt Thrash-Metal. Jazz höre ich zwar immer noch gerne, ich habe auch noch ein Akustik-Pop-Projekt mit meiner Freundin – ich mag einfach sehr unterschiedliche Musik – aber jetzt, mit der Band, ist einfach Metal angesagt, das ist schon so.
Hat deine Jazz-Ausbildung beim Schreiben Auswirkungen? Und sind die dann eher positiv oder negativ?
Chasper: Eher positiv. Ich schreibe eigentlich recht ähnlich, so von der Inspiration und Energie, wie wenn ich früher einen Jazz-Song geschrieben habe – natürlich ohne Texte, das macht Lucie. Alles sehr motivisch, es gibt eine klare Song-Struktur und Motive werden immer wieder hervorgeholt. Die melodischen und rhythmischen Motive sind im Thrash natürlich anders als im Jazz, aber mein strukturelles Herangehen ist sehr ähnlich. Und meine harmonischen, theoretischen Kenntnisse haben natürlich auch einen Einfluss, den ich auch sehr gut gebrauchen kann.
Und Lucie, du schreibst die Texte und singst?
Lucie: Ich schreibe die Texte und singe, genau. Also "singen" ja, das ...
Chasper: ... wir probieren's ... (lacht)
Lucie: ... ist nicht meine stärkste Seite. Ich meine, ich kann schon definitiv die diverseren Growlings, ich kann schreien und kreischen. Da hab ich wesentlich mehr Übung drin als mit dem Cleangesang, aber wir versuchen auch das nach und nach mehr rein zu bringen.
Viele Frauen gibt es im Thrash ja nicht. Hast du da irgendwelche Vorbilder, was den Gesang angeht?
Lucie: Ja, ganz schwierig irgendwie. Im Thrash gibt es nicht viele, da müsste man jetzt Sabina Classen [HOLY MOSES] sagen, klar. Mit wem ich viel engen Kontakt habe, aber eher auf persönlicher Basis, ist Britta von CRIPPER, mit ihr bin befreundet und da redet man auch schon mal über Gesangstechnik.
Aber ich hab' eigentlich nicht speziell Frauen als Vorbilder, was Gesang anbelangt, sondern höre mir eigentlich alles querbeet an – nicht nur Metal, sondern auch andere Gesangstile. Ich versuche da irgendwie zu hören, wie verändern, wie verwenden verschiedene Leute ihre Stimme und was kann man alles damit machen. Ich kann mich dann davon inspirieren lassen, aber mein Ziel muss sein, für mich die beste Version meiner eigenen Stimme zu finden.
Was viel eher immer wieder ein Punkt ist, wie du schon sagst – es gibt wenige Frauen im Thrash, das ist so ein bisschen Profilneurose: Wie gebe ich mich? Gebe ich mich eher männlich oder eher weiblich? Aber ich habe, glaube ich, dadurch, dass ich das jetzt auch schon ein paar Jahre mache, einen guten Weg gefunden, ich selber zu sein, ohne groß darauf zu gucken, ob ich mich gerade benehme wie Frau oder Mann.
Als Schweizer seid ihr zwar geographische Nachbarn und die Sprachbarriere ist vergleichsweise gering, aber es gibt doch einige kulturelle Unterschiede zu Deutschland. Seht ihr das beim Metal auch?
Chasper: Also ich muss sagen, ich habe dazu wenig Erfahrung. Ich bin ja quasi ein Neuling in der Metalszene. Aber Lucie, du hast da mehr Erfahrung und durch deine deutschen Wurzeln, glaube ich, kennst du ja beides ganz gut. Ich kann da nicht viel zu sagen.
Lucie: Also zum einen fahren die Schweizer nicht so weit. Dadurch, dass in der Schweiz alles sehr kurze Strecken sind und wir ein sehr großes Angebot an Konzerten auf sehr kleinem Raum haben, nehmen die Schweizer eher nicht so große Wege auf sich. Wenn etwas weiter weg ist als eine halbe Stunde, dann macht man das in der Schweiz eher nicht. Außer natürlich die Die-Hard-Fans, die ewig lange fahren, um ihre Band zu sehen, die gibt es in der Schweiz natürlich auch.
Was man auch immer mal wieder merkt – finde ich – ist, dass in der Schweiz das Publikum schon so ein bisschen schwieriger ist, wenn man das sagen darf. Es braucht ein bisschen mehr, bis sie warm werden. Sie sind oftmals ein bisschen reservierter. Ich finde, man merkt es bei Festivals nicht so deutlich, da sind eigentlich immer Schweizer, Österreicher und Deutsche da, da vermischt sich das. Aber bei Clubshows merkt man schon diesen Unterschied. In deutschen Clubs hab ich immer den Eindruck, dass die Leute schneller ein bisschen begeisterungsfähig sind.
Chasper: Sind sie nicht auch kritischer?
Lucie: In Deutschland? Kann ich jetzt so nicht sagen. Ich weiß es nicht, vielleicht. Ich fand die Schweizer eigentlich schon immer kritisch genug.
Chasper: Stimmt auch wieder. (lacht)
Lucie: Aber Metal-Fans sind als solche ja kritisch eigentlich, das muss man ja sagen. Ich finde, es ist immer einerseits sehr viel Kollegialität und Solidarität da, auch für Bands, die gerade erst anfangen oder sich neu formiert haben. Andererseits ist es schon eine Szene, die sehr viel auf Tradition setzt. Bands, die sich bewährt haben und die schon lange da sind, das ist schon ein Wert an sich in der Szene. Aber es ist nicht so, dass einem das Leben schwer gemacht wird, wenn man noch nicht so lange existiert.
Chasper, du hast gesagt, du bist noch nicht so lange wieder beim Metal. Wie hast du ihn wiederentdeckt für dich?
Chasper: Ich war ja als Teenager ein völliger Metalhead, also ich hab im Alter von 14 bis 22 sehr viel Metal gehört, sehr viele Konzerte besucht und so. Ich bin dann auch in das ganze Crossover-Genre hineingerutscht und hatte da eine eigene Band. Da haben wir so Sachen in Richtung RAGE AGAINST THE MACHINE gemacht.
Ich hab' dann zuerst Physik und Mathematik studiert, zwei Jahre lang, und mich dann entschieden, dass ich eigentlich wirklich lieber Musik studieren möchte. Und da gab es einfach nichts anderes als Jazz. Dann musste ich komplett da eintauchen und mich dem widmen.
Ich unterrichte auch an zwei Musikschulen und bin dann durch meine Tätigkeit als Musiklehrer, als Gitarrenlehrer wieder auf den Metal gekommen. Meine Schüler wollten Metal spielen, da musste ich mich zwangsweise damit auseinandersetzen. Dann bin ich ziemlich schnell wieder an SLAYER und EXODUS und auch die alten METALLICA und die alten MEGADETH Sachen geraten. Da musste ich dann die Sachen raushören und sie auch selber lernen, ich kann meinen Schülern ja nicht etwas beibringen, was ich selber nicht kann. Und das hat mich dann wieder völlig angefixt, ich bin da wirklich reingerutscht und habe mir dann schnell eine Band gesucht und auch schnell angefangen, eigene Songs zu schreiben.
Was sind aktuell deine Favoriten und Einflüsse?
Chasper: Die ganzen Bay-Area-Thrash-Bands, das sind schon so meine Vorbilder, meine Haupteinflüsse. EXODUS und TESTAMENT gefallen mir auch sehr. Alex Skolnick hat ja auch diese zwei Seiten. Der hat ja auch ein großes Jazzwissen, macht auch Jazzmusik. Ich habe auch viel ANNIHILATOR gehört, das ist wieder was anderes natürlich. ANTHRAX sind auch ein All-Time-Favorite. Mittlerweile habe ich auch angefangen, skandinavischem Metal zu hören ... aber ich bin schon eher in erster Linie von der Ami-Seite her beeinflusst.
Lucie, wie sieht das bei dir aus mit dem Weg zum Metal?
Lucie: Ich bin auch wirklich spät zum Metal gekommen, erst so mit Anfang 20. Aber ich muss sagen, meine Teenager Jahre, die Neunziger, waren halt echt Durststrecke, was Metal anbelangt und ich bin mehr über Crossover – eines meiner riesen Dinger war auch RAGE AGAINST THE MACHINE – reingekommen. Ich hab' dann erst geschnallt, dass es sowas wie Metal überhaupt gibt und dann angefangen, auf Konzerte zu gehen, Leute kennen zu lernen und überhaupt erst gemerkt, was es da alles zu entdecken gibt.
Ich bin dann relativ schnell auf Death Metal gekommen. Death Metal war lange so mein Ding und dann eine Zeit lang auch sowas wie – was ich mittlerweile fast nicht mehr hören kann, nur noch in kleinen homöopathischen Dosen – Brutal Death und Grindcore. Aber Oldschool Death Metal war mein Ding und deshalb habe ich am Anfang, als ich angefangen habe, selber zu singen, versucht, dieses ganz tiefe Deathgrowl hinzubekommen. Und dann habe ich das geübt, bis ich gedacht habe, "das ist eigentlich ganz gut, du könntest dir mal 'ne Band suchen".
Und wie bist du dann beim Thrash gelandet?
Lucie: Ich habe dann ewig nach einer Death Metal Band gesucht und es gab einfach keine – wobei doch, bei den Schweizer REQUIEM wäre ich beinahe eingestiegen, aber das hat dann nicht geklappt. Und dann habe ich meine erste Band gefunden, SUBORNED, und die haben Thrash gemacht. Und ich hab dann halt gedacht "hmm, das ist auch cool". Ich kannte natürlich schon einiges vorher, aber Thrash war einfach nicht so komplett mein Ding bis dahin. Also bin ich eigentlich über meine erste Band SUBORNED zum Thrash gekommen.
Dann hab' ich angefangen, mit meiner Stimme ein bisschen zu experimentieren und mittlerweile klingt es ganz anders, als am Anfang. Ich habe zwischendurch noch Parts, wo ich mich ein bisschen tief austobe, aber mittlerweile habe ich, glaube ich, insgesamt eine Stimme gefunden, die zum Thrash passt.
Mit SUBORNED ist es dann auseinander gegangen, aus verschiedenen Gründen, aber alles total friedlich. Ich hatte eine Phase, in der ich nicht viel Zeit investieren konnte in die Musik, und die Jungs wollten weitermachen, Gas geben. Dann haben wir uns zusammengesetzt und uns getrennt. Und nach einer Weile habe ich dann gemerkt, wie sehr mir das alles fehlt. Dann hatte ich das Glück, dass KLAW einen Sänger gesucht haben ... und jetzt versuche ich mich da nochmal weiterzuentwickeln. So, dass es zur Musik passt.
Chasper: Also für uns war es defintiv ein großes Glück.
Lucie: Awwww ...