Es tut mir ja leid, Freunde, aber machen wir uns nichts vor, Metal ist nicht cool und war es auch eigentlich nie. Mancher wird jetzt einwerfen wollen, dass Metal auch nie cool sein wollte. Stimmt, so weit es cool im Sinne von in Mode und gesellschaftlich Akzeptiert betrifft. Aber genau darum geht es nicht bzw. vielleicht ist sogar hier der Ursprung des Problems zu suchen.
Vielleicht sollte ich am Ursprung der Überlegung anfangen. Am vergangenen Samstag trafen sich Ex-BurnYourEars Schreiber Thomas (unter anderem vor den Löwenanteil der tollen Galerie zum diesjährigen Sweden Rock Festivalbericht verantwortlich) in einer Metal Kneipe in Freiburg, wo er mir ein verspätetes Geburtstagsgeschenk mitbrachte: Die aktuelle DVD von JOE BONAMASSA...also feinsten Blues Rock.
Irgendwann enterte dann eine Gruppe Schwarzkittel die Bar. Nein, ich meine keine Wildschweine, auch wenn das Benehmen zeitweise nur geringfügig besser war. Ich hab ja nichts dagegen, das eine oder andere Klischee zu erfüllen, aber einen so verzweifelten Versuch, böse zu wirken, habe ich selten erlebt. Nachdem er uns auf die DVD angesprochen hatte, kam einer der Typen (übrigens kein fünfzehnjähriger Pubertierender, wie man vielleicht denken könnte) irgendwie auf das Thema Horrorfilme und versuchte uns zu vermitteln, dass er da so ziemlich die härteste Sau auf dem Planeten wäre, sich Sachen anschauen würde, die andere gar nicht ertragen könnten...nur das satanische Lachen müsste er bei Gelegenheit noch mal üben.
Zehn Minuten in diesem Gespräch später, das nur durch gelegentliches genervtes Grunzen nicht zu einem Monolog wurde, während Thomas und ich uns wortlos mit einem Blick auf die Uhr einigten, dass es langsam Zeit für einen Ortwechsel wäre, waren wir, oh Wunder, bei Nietzsche und der Ablehnung des christlichen Werte angelangt. Wie Individuell, welcher Möchtegern-Misanthrop könnte darauf verzichten Nietzsche zu zitieren?
Auch wenn man mal davon absieht, dass der Versuch den Harten und Bösen zu mimen schon etwas albern aussieht, wenn man einen Kopf kleiner und je 40 Kilo leichter als sein Gegenüber ist, da hilft auch der tätowierte Baphomet nicht mehr: In dieser Szene zeigt sich aber das Dilemma, dass der Metal verfolgt, seit er sich als Metal definiert hat. Er will unpassend sein. Er will böse sein. Er will anecken. Um jeden preis, krampfhaft.
Rock N'Roll war cool. Eine junge Generation brach mit den Konventionen, aber nicht um mit ihnen zu brechen, sondern weil sie sich endlich so verhalten wollten, wie es ihnen gefiel. Nicht selten dürften Musiker, Fans, Tänzer und auch die sich gerade wirklich konstituierende Industrie reichlich überrascht gewesen sein, an was die Sittenwächter so alles Anstoß nahmen.
Selbst das Hippie-Ding war irgendwie cool, so lange die Jugendlichen einfach nur psychedelische Musik hörten und sich mit allen möglichen Substanzen aus der Realität schossen und mit allem vögelten, was nicht bei Drei auf den Bäumen war, weil sie einfach Bock darauf hatten. Als dann tausende Jugendliche auf diese Weise den Generationenkonflikt austrugen, Sich tagsüber im Bunderwehrparka als Gammler gerierten, um Abends wieder in sichere heimische Federbett zu schlüpfen, da litt die Lässigkeit schon etwas.
Dabei hatte Metal durchaus mal eine Chance cool zu sein. Die Metal-Urväter wie BLACK SABBATH, IRON BUTTERFLY oder auch LED ZEPPELIN entsprangen eigentlich mehr der Hippie-Bewegung, und auch wenn ihre Musik sich verstärkt mit den weniger schönen Seiten des Lebens beschäftigte, verherrlichten sie diese Seite nicht. Auch die Bands der NWoBHM waren durch die Bank eigentlich ganz nette Kerle, die halt Bock hatten zu rocken.
Davon ist heute nur wenig geblieben, zumindest, wenn man danach geht, was nach Außen kommuniziert wird. Kaum eine Band, die sich nicht darum bemüht, auf ihren Bandfotos so grimmig wie möglich in die Kamera zu schauen. So entsteht bei mancher ach so satanistischen Bands schon mal der Eindruck, die Musiker hätten eher mit einer teuflischen Verstopfung zu kämpfen.
Wenn man sich bei anderen Vertretern wie etwa dagegen den antikosmischen Durchfall zu Gemüte führt, mit dem ein mystisches Image aufgebaut werden soll, kann man sich eigentlich nur noch mitleidig abwenden. Und Viele kennen das Interview mit Gaahl, wo er auf eine Frage nach gefühlten fünf Minuten Bedenkzeit antwortet „Satan"...was bleibt einem da noch, außer einem Schulterzucken und der Erkenntnis, dass man da gerade einer ziemlich armen Wurst dabei zusieht, wie sie sich lächerlich macht.
Doch das Problem endet nicht bei den Bands, und damit wäre ich wieder bei meiner Geschichte vom Anfang. Denn nicht nur viele Musiker versuchen verzweifelt auf hart oder böse zu machen, die Fans machen mit. Das fängt beim Dresscode an, dem sich, wie in jeder Szene, tausende von Menschen unterwerfen, um ihre Individualität zu betonen und geht gerade bei selbst ernannten Metallern oft mit einer Scheuklappenhaltung einher, denn alles, was nicht „metal" ist, kann nichts sein und entsprechend niedergemacht wird. Wer das nicht so sieht, ist zumindest nicht „true". (Einen ähnlichen Vorwurf beantwortete der Rapper SAMMY DELÜXE mal mit den wunderbar ironischen Zeilen: „...Ich hab gehört, dass ich nicht real gekeept hab. Ich hab gehört, mit dem Untergrund hätte ich's mir verscherzt. Jetzt mal ganz unter uns Jungs, es bricht mir das Herz.")
Nein, Metal ist nicht cool. Da bedeutet nicht, dass nicht einzelne, die sich als Metaller betrachten, cool sein können, weil sie einfach ihr Ding machen, sich nicht darum kümmern, was andere denken, aber jedem anderen genauso sein Ding gönnen. Auch einige Bands aus dem metallischen Universum sind cool, teilweise vielleicht auch nur einzelne Musiker. Die Szene an sich aber ist es schon deshalb nicht, weil sie in dem was sie sein will auf die Reaktion, in diesem Fall Ablehnung, Ekel, Schock, der Anderen angewiesen ist und diesem Effekt seit Jahrzehnten mal mehr, mal weniger erfolgreich hinterherläuft, aber mittlerweile immer öfter resigniert feststellen muss, dass man heute eigentlich niemanden mehr wirklich schocken kann.
Metal ist nicht cool und ich persönlich habe mich irgendwann um mein zwanzigstes Lebensjahr entschieden, nicht mehr „Metal" sein zu wollen. Ich bin lieber Rock N'Roll, denn Rock N'Roll bedeutet, sein Ding zu machen, egal was die anderen davon halten, nicht das zu tun, was die anderen Ablehnen.
So trage ich auch weiter meine Cord-Schlaghosen, auch wenn einem befreundeten Redakteur eines anderen Magazins schon bei dem Gedanken das Grauen kommt. So brauche ich keine Nietenarmbänder und Patronengurte mehr (auch wenn letzteres mal ein cooles Accessoire zu meiner Melone mit der Rabenfeder in dem Hundehalsband, das ich Hutband benutzt habe, war). So habe ich Spaß an Dutzenden von Bands aus verschiedenen Jahrzehnten, aus verschiedenen Genres, viele davon vollkommen unmetallisch, nicht einmal im Ansatz hart.
Ob ich damit nicht auch wieder Klischees beschwöre? Möglich...ist mir aber egal, weil das mein Ding ist und das ist Rock N'Roll...das ist cool. Und jetzt legt irgendein Album, nach dem euch gerade ist, in den Player und dreht die Regler auf Elf...oder lasst es halt, wenn das gerade nicht so euer Ding ist.