Monchi - Niemals satt – Über den Hunger aufs Leben und 182 Kilo auf der Waage Tipp

Monchi - Niemals satt – Über den Hunger aufs Leben und 182 Kilo auf der Waage
    Autobiografie

    Label: Kiepenheuer & Witsch
    VÖ: 07.4.2022
    Bewertung:10/10 oder 100 Haribo-Schlümpfe

    Verlagsseite


Die Tinte ist kaum getrocknet und schon rutscht Monchis Erstlingswerk „Niemals satt“ auf Platz eins der Spiegel Bestsellerliste. Und das zu Recht! Der Sänger Jan „Monchi“ Gorkow der Punk-Rock-Band FEINE SAHNE FISCHFILET hat ein Buch geschrieben: Wie es ist, übergewichtig zu sein, Sänger einer Band zu sein und alles oder nichts zu wollen.

Sie wollen Pause machen, zusätzlich zwingt die Corona-Pandemie die bereits seit 2004 unaufhörlich tourende Punkband FEINE SAHNE FISCHFILET zum Innehalten. Die ganze Unterhaltungsbranche liegt im Lockdown, das nimmt Jan Gorkow zum Anlass, sich das erste Mal in seinem Leben mit sich selbst auseinanderzusetzen. Nicht nur ein bisschen, sondern so wirklich krass richtig: Er hört für 318 Seiten auf, im Außen zu leben und sich mit Alkohol und Partyexzessen abzulenken und blickt auf seine bisher 34 Jahre Lebenszeit zurück.

"Von Musik hatte ich so viel Ahnung wie von gesunder Ernährung"

Er bringt zu diesem Zeitpunkt 182 Kilo auf die Waage und es ist keinem aufgefallen, nicht mal ihm selbst. Um eine Antwort auf die Frage „Wie konnte es soweit kommen?“ zu bekommen, führt uns Monchi durch ein unfassbar aufregendes Leben, geprägt von der Liebe zu Hansa Rostock und dem Hass gegen Nazis. Alles oder nichts. Dazwischen gibt es erstmal nichts, das ist Jans Devise.

Immer provozieren und noch heftigere Sachen machen, entweder um aufzufallen oder um einfach dem Frust Luft zu machen, so gewöhnlich zu sein wie die anderen. Ausbrechen um jeden Preis – und das geht nur, indem man intensiv lebt, Grenzen überschreitet und sich selbst nicht so oft in Frage stellt. Monchi ist nun mal ein Macher-Typ, der im tiefsten Mecklenburg-Vorpommern aufwächst. In diesen Weiten ist man entweder Nazi oder Antifaschist. Dazwischen? Gibt es da überhaupt noch was? Zumindest scheint es so, als gäbe es für Monchi nichts dazwischen, außer gegen Nazis zu sein.

Schmerzliche Reise in die eigene Vergangenheit

Mit viel Selbstironie, Wortwitz und Selbstreflexion betrachtet Jan sein Leben im Hier und Jetzt und in der Vergangenheit. Ein Wechselbad der Gefühle, doch authentisch, prägnant und klar mit sich selbst lässt der Schreiber Monchi wirklich keine Fragen offen. Wie es ist, ständig in Angst leben zu müssen, wenn man in einer deutschlandweit bekannten Punk-Rock-Band der Sänger ist und im tiefen (braunen) Osten zu (über)leben versucht. Wie es ist, wenn man dabei 182 Kilo wiegt und selbst T-Shirts in der Größe 5XL zu klein werden. Wie es ist, wenn man sich schon mit Anfang 30 gesundheitlich auf Abwegen befindet und das erste Mal Angst bekommt, die nächste Party nicht mehr zu überleben.

Denn: Monchi braucht ein ganzes Heer von Schlümpfen, um dem Stress in seinem Kopf Herr zu werden. Und wenn das nicht reicht, müssen Sondereinheiten aus der Süßigkeitenabteilung für Unterstützung sorgen. Neben der Essstörung schaut Monchi auch gerne tief in Glas, um dieses „Battlefield of Stress“ zu bekämpfen. Das sind typische dysfunktionale Muster, die Menschen anwenden, um Stresssituationen zu bewältigen. Hunger hat Jan Gorkow eigentlich nie, aber grenzenlosen Appetit, den hat er immer. Jan begibt sich also auf die Reise in die Vergangenheit, um herauszufinden, warum er eigentlich so viel isst. Eine schwere und schmerzliche Reise ins Innere seiner Seele.

Er räumt mit sich und auch mit potentiellen Nachfragen zu seiner Gewichtsreduktion auf. Er bleibt bis zum letzten geschriebenen „e“ transparent. Authentizität hin oder her, das wirklich Beachtliche an diesem Buch ist für mich nicht nur die bitterböse Ehrlichkeit, die er sich selbst gegenüber offenbart, sondern dass die böse Faust auch mal bis ins Gesicht des Lesers langt.

„Niemals satt“ ist ein Buch über das Menschsein, ein Buch über die Ehrlichkeit und dass das Leben ein dauernder Prozess der Persönlichkeitsentwicklung ist. „Niemals Satt“ ist eine Ode an das Leben – Danke dafür, lieber Monchi!