EMPOWERMENT verbinden Deutschpunktexte mit fettem Hardcore und besetzen damit eine kleine Nische. Vor kurzem kam ihre erste Langrille „Gegen.Kult" raus und wir unterhielten uns mit Sänger Jogges über Punk und Hardcore, Deutschpunk-Vorbilder und ungarische Albumzusätze.
Bitte stell dich und deine Band unseren Lesern vor.
Das EMPOWERMENT Kollektiv besteht aus folgenden Menschen: Kehbel, Janlan, Chris Power, Bonzo, Grammer, Beaker, Jogges. Manchen wundert es vielleicht nun, dass da mehr als fünf Menschen stehen. Beaker ist unser alter Drummer – and still part of the fam. Felix Grammer hilft uns öfter mal an der Gitarre aus, wenn Chris Power verhindert ist.
Kennt man euch auch aus anderen Bands?
Könnte natürlich sein, dass uns der ein oder andere Mensch aus unseren alten Bands kennt. Kein Namedropping an dieser Stelle. Es geht ums Hier und Jetzt – EMPOWERMENT zählt und lebt nicht vom Geist vergangener Tage. Wir möchten auch nicht daran gemessen werden, in welchen Bands wir gespielt haben. Es ist scheissegal und tut nichts zur Sache. Ich hasse dieses „featuring member of bla bla bla..." Fuck it.
Wie kommt ihr zu diesen Texten, die auch im Deutschpunk nicht groß auffallen würden?
Kein Hardcore ohne Punk. Dies sind die Wurzeln der Bewegung und ebenso unser persönliches Wurzelwerk. Für mich war es eine völlig neue Erfahrung, Texte auf Deutsch zu schreiben und jetzt möchte ich es nicht mehr missen. Da ist viel mehr Raum und Vielfalt, um mich auszudrücken. Ich kann mit den Worten spielen, eindeutige-zweideutig Tiefe verleihen, bin freier, flexibler, bunter. Yeah. Ich bin ein Hardcorekid mit riesengroßem Punkerherz und schreibe über die Themen, die mich umgeben, die mich beschäftigen, die ich fühle, wie ich lebe, wie wir leben, was uns umgibt, was uns beeinflusst, Werte, die wir ins uns tragen, unsere Ansicht vom Leben, von der Gesellschaft – whatever. Für mich gibt es keine scharfe Trennlinie zwischen Punk und Hardcore. One voice!
Welche deutschen Bands haben euch beeinflusst?
Persönlich haben uns sicherlich einige Bands beeinflusst. Als kleine Kinder sicherlich die HOSEN oder die ÄRZTE. Später dann SLIME, HASS, DAILY TERROR, RAZZIA und die ganze alte Deutschpunk Garde – eine große Inspiration im Denken und Handeln, im Büchsenbier trinken und in punkto Sachbeschädigung. Deutschpunkt bringt's ganz gut auf den Punkt, frei nach dem Motto: „Macht kaputt, was euch kaputt macht". Ich glaube jedoch, dass dies nur sekundär musikalischen Einfluss auf EPM genommen hat. Unsere Geisteshaltung ist Punk – musikalisch 100% Hardcore. V.S.F.S. Wir wollen mit unserer Musik Brücken schlagen, Mauern einreißen, vielleicht im Kleinen was verändern oder auch Denkanstöße geben. Vielleicht auch Alternativen aufzeigen. Vielleicht aber auch nicht. Wir machen einfach, worauf wir Bock haben und worauf wir Fünf uns in der Band einigen. Mein größter musikalischer Mentor jedoch ist und bleibt: NEW YORK – und sonst nix.
Wofür stehen die Fotos in eurem Booklet?
Auf der CD kommt es ja leider nicht so raus wie auf Vinyl. Dort lassen sich nämlich die einzelnen Charaktere in die Wagon Tür „reindrehen" . Jeder darf und soll ja seine eigene Interpretation von „Gegen.kult" und der Sinnhaftigkeit dahinter haben. Wir kauen da nichts vor und dennoch zeichnet es ja klare Bilder. Gegen.kult – Gegenkultur – Subkultur. Die Bilder spiegeln sich also im subkulturellen Kontext und jeder Mensch steht für was Besonderes. Widerstand, alternative Lebensentwürfe, Kreativität...
Was hat es mit dem russischen (?)-Electro-Stück auf sich?
Ungarisch. Wir wollten einige Features auf der Platte haben, von Menschen, die uns nahestehen in irgendeiner Weise. Meine Oma und Opa kamen aus Ungarn, und Atila, der das Stück singt, ist Ungar und hat eine magische Stimme. Ursprünglich sollte es ein Acapella für den Song „Szerelem" (ungarisch = Liebe) werden, aber Doc Row und ich haben einen Beat gemacht und es wurde mehr daraus.
Am Ende des Albums kommen vor allem Gastauftritte am Mikro. Wer und wie kommt's?
Wie bereits erwähnt, wollten wir ja einige Features auf der Platte haben, quasi um möglichst jeden unserer Freunde partizipieren zu lassen. „Crew love is true love" . So ist also der "who is who" des Stuttgarter Straßenadels auf diesem einen Stück vorhanden. VT1z heißt: viele Teile, ein zusammen. It's all about Unity! Shit, jetzt komm' ich wohl doch nicht ums Namedropping rum, wa? Oh doch! Kai, Tim, Hagen, Peter, Jochen heißen die Menschen. Vielleicht hat einer bei MAIDEN gesungen, vielleicht auch bei VENOM? Vielleicht singt einer jetzt bei PESSIMISTIC LINES, vielleicht aber auch bei INFEST? Kann sein, dass einer bei MANLIFTINGBANNER singt oder doch GUERILLIA? Wer ist FORTRESS BLACK und kennt jemand RIGHT HERE?
Ihr sprecht davon, dass es in den 90igern eine bunte, vielfältige Subkultur gab. In wie weit unterscheidet sich die heutige Szene davon?
Ohne wie ein ewig Gestriger klingen zu wollen, habe ich die Szene damals, trotz eigener Bürden, viel freier erlebt. Da war vieles nicht so „durchgestylt", so neurotisch. Ich habe das Gefühl gehabt, dass Bands noch was zu sagen hatten, noch Werte vermitteln wollten und eine Attitude hatten. Heute ist alles voller Plastik und Vierfarbdruck. Jeder strebt danach, möglichst schnell, möglichst viel zu erreichen. Alles transparent – schnelllebig.
Dinge, die Bestand haben wollen und sollen, die benötigen meiner Meinung nach Zeit und Raum zum Wachsen. Dennoch reflektiere ich mich selbst in diesem Text auch kritisch, wenn ich beispielsweise im Refrain schreibe: „unbeschwert und doch voller Bürden". Mein Denken war „damals" in vielem limitierter und ich konnte lange nicht so viel zulassen, besser noch über den Tellerrand schauen, wie ich es heute tue. Dies meine ich vor allem musikalisch, aber durchaus auch „geistig". „New York und sonst nix" wurde da ganz groß geschrieben. Heute geht mein Horizont schon bis Portland.
In wie weit ist es euch wichtig, Inhalte mit dieser Band rüberzubringen und was für Themen können wir in Zukunft erwarten?
Es ist uns wichtig, als Band und als einzelner Mensch in der Band ein klares Statement in die Welt zu „schreien", Impulse zu setzen, aber dennoch den Spaß bei der Sache nicht zu vergessen. Zeigefinger und Predigerattitude finde ich persönlich zum Kotzen. Jeder soll sein „Ding" leben wie er es für richtig hält und wir er es verantworten möchte, vor sich und der Welt, in der er lebt. Der eine engagiert sich politisch sehr stark, ein anderer wiederum lebt sein Leben vegan und sagt, dies ist die Erfüllung. Für einen ist straight edge das Ding – meins ist es nicht, aber dennoch achte ich es und respektiere es von Herzen.
Was ist richtig, was ist falsch? Wer bestimmt, wer konsumiert? Mir selbst ist es wichtig, selbstbestimmt und frei zu leben und mir nicht von irgendwelchen Trotteln sagen zu lassen, was ich zu tun und zu lassen habe. So versuche ich es in meinem Leben handzuhaben und so versuchen wir es auch als Band handzuhaben, da meine Brüder in der Band sehr ähnlich denken. Zu Rassismus, Faschismus, Homophobie und Sexismus sagen wir nein und geben da ein klares Statement ab: "Fuck you" heißt es, und wir werden nicht müde, es zu betonen. In dieser Welt läuft so viel Bullshit und wenn wir im kleinen Impulse setzen und was verändern können, so tun wir dies. Genau da setzen wir mit EPM an, ohne dabei dogmatisch, neurotisch oder gar päpstlicher als der Papst zu sein.
Themen für die Zukunft? Ich habe keinen Masterplan, wenn ich Texte schreibe. Ich versuche zum einen, den Vibe von dem Song zu catchen und zum anderen einfach das darin zu verpacken, was mich gerade beschäftigt oder wo ich dran rumdenke.
Wie kommen eure Verbindungen zu Demons Run Amok und Acuity zu Stande?
Marcel ist ein alter Homie und er hatte einfach Bock, die CD rauszubringen. Nicht mehr und nicht weniger. Kein Plan, was Acuity ist... in meiner Welt haben wir die CD bei DRA rausgebracht und die LP bei Cobra Records. Was ist Acuity? [Red.: Euer Onlinevertrieb]
Was passiert in diesem Jahr noch für EMPOWERMENT?
Es hat sich vor ein paar Tagen entschieden, dass wir mit FINAL PRAYER auf Tour gehen werden. Im Herbst. Eigentlich wollen wir ja nicht mehr als drei bis vier Tage am Stück „touren", aber als uns FP Vatos gefragt haben, war von uns allen der Impuls da – why not. Dies ist also zu erwarten. Wir machen Songs, werden die irgendwann aufnehmen und dann was Neues rausbringen. Wie, wo, wann weiß nur der Wind.
Famous Last Words?
Cheers!
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