Dawid Browne - Sonic Youth / Goodbye 20th Century


Label/Vertrieb (VÖ):
Kiepenheuer & Witsch (24. August 2009, 450 Seiten)

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Als ich hörte, ein SONIC YOUTH-Buch zum Besprechen zu bekommen, habe ich mich erstmal gefreut: „Cool, die Typen mit dem „100%“-Song und „Bull In The Heather“ oder so. Ja klar kenne ich, schick`s mal rüber!“. Während der Lektüre wurde mir dann erstmal klar, wie wenig ich die Band wirklich kannte und wie unverzeihlich das eigentlich ist.

Denn was diese Herren und die eine Dame seit den 1980igern bis heute gemacht haben, verdient absoluten Respekt von jedem, der auf Individualität und Integrität bei Musikern steht. Zumindest, wenn sich alles so zugetragen hat, wie es David Browne hier auf fast 450 Seiten erklärt. Der hat die Band bereits relativ früh beobachtet und ist dann irgendwann auf die Idee gekommen, ein (weiteres) Buch über die Noise-Truppe aus New York zu verfassen und dafür nicht nur seine bisher geführten Interviews mit der Band zu nutzen, sondern sich beinahe regelmäßig mit ihnen zu treffen um ihre Geschichte aufzuarbeiten.

Und die ist sehr bewegt und wird hier ziemlich detailliert wiedergegeben. Ok, am Anfang finde ich zu detailreich (ich muss nicht zwangsläufig soviel über die Wesenszüge von Eltern und Geschwistern wissen…) und man vermutet, das Buch könnte sich doch ganz schön ziehen. Aber glücklicherweise ist die Geschichte des (zumeist) Vierers so bewegt und irgendwie auch tiefgründig, dass es sich von Seite zu Seite zu steigern scheint. Die Band, die am Anfang ihrer Karriere zum Beispiel ein große Affinität der Hardcoreszene gegenüber hatte, wird als sehr eigenwillige Truppe beschrieben, die zwischen Kunst und Musik hin und her pendeln, dabei sämtlichen gewohnten Strukturen ausweicht und ihre Instrumente auf sehr verschrobene Art und Weise benutzen und vor allem sehr seltsam stimmt.

Hier scheint es sich wirklich um Menschen zu handeln, die Musik sowohl als einen Ausdruck, als auch als eine Suche begreifen und dadurch immer unter dem Radar des Mainstreams blieben. Zwar landen sie nach einigen Jahren auf einem Major Label, schließen dort auch gute Verträge ab, schaffen aber eben doch nie den überwältigenden Erfolg, der ihnen immer voraus gesagt wurde. Trotzdem sind sie wichtig für die Alternative Musikgemeinschaft gewesen und sind zum Beispiel auch relativ eng mit dem Erfolg von NIRVANA verbunden.

In dem Buch wird ihre Karriere so ziemlich Schritt für Schritt, Platte für Platte, Tour für Tour und Entwicklungsschritt für Entwicklungsschritt wiedergegeben. Spannend, wie sie sich ein Umfeld aus Musikern/Künstlern und Netzwerken schaffen, zwischendurch aber auch eben mal ausprobieren, in wie weit man mit dem Mainstream flirten kann und welche Erfahrungen sie dabei gemacht haben. Und bei sehr vielen Szenen hat man das Gefühl wirklich als Zaungast dabei gewesen zu sein. Und so verfolgt man eine kleine erfolglose Truppe bis hin zu großen Stadiontourneen, bei denen die eigenen Kinder mit dabei sind.

Um jetzt hier alles aufzuzählen, was in diesem Buch beschrieben wird, reicht der Platz bei weitem nicht aus. Aber wer sich für Individualisten interessiert, die Musik eben nicht nach Schema F angehen und dabei über 20 Jahre relevant sind und trotzdem nahe an den großen Erfolg heran gekommen sind, sollte sich „Goodbye 20th Century“ mal zu Gemüte führen. Mich hat diese Band auf jeden Fall sehr fasziniert und Lust geweckt, mich mehr mit ihr zu beschäftigen. Kann ich also durchaus empfehlen.