Midriff - Road Worn (EP)

Midriff - Road Worn (EP)
Das beschauliche Tirol im Westen der Republik Österreich habe ich bisher mit alpinen Wanderungen, Skiurlauben und süßem Kaiserschmarren in Verbindung gebracht, nicht aber mit hartem, rotzigen Rock. MIDRIFF haben mich nun eines Besseren belehrt.

Bereits 2012 veröffentlichte die Band ihr Debut „Broken Dreams“, gefolgt vom zweiten Werk „Doubts & Fears“, welches im Mai 2015 erschien.

Für ihre neue EP „Road Worn“ haben sich die drei Musiker, die bereits eine beeindruckende Liste an Live-Konzerten gespielt haben, ein ehrgeiziges Ziel gesetzt. Sie wollten die Energie und Spielfreude eines Auftritts auf CD pressen. Die Aufnahme fand im Oktober 2015 statt und wurde von Norbert Leitner alleinverantwortlich produziert, der die Band bereits beim Vorgänger unterstützte. Sechs Songs haben es schlussendlich bis zur Veröffentlichung geschafft.

Den Anfang macht „Outcry“. Der Sound klingt rotzig und roh. Hier wurde nichts glattgebügelt oder schön geschminkt. Die kratzige Stimme vom Schlagzeug spielenden Sänger (oder singenden Schlagzeuger) Paul Henzinger ist überzeugend und steht im Zentrum des Stücks. Ein guter Auftakt, der auch das Publikum vor Ort zum Mitklatschen verleitet. Leider kommt das ein wenig verhalten rüber. Ob das Absicht ist oder nicht, vermag ich nicht zu sagen.

Bei „Only a Pawn“ gehen es MIDRIFF etwas ruhiger an. Im Fokus steht anfangs das Zusammenspiel von Gitarre und Bass, die einen angenehmen Teppich für Pauls Stimme weben. Der ein oder andere Ton sitzt nicht ganz perfekt. Ob man das jetzt als „echt“ oder als „störend“ empfindet, liegt hier sicherlich im Ohr des Betrachters. Das Tempo nimmt im Laufe des Songs zu und  Josh findet genug Zeit für ein Gitarrensolo. Die Begeisterung des Publikums höre ich erst beim zweiten Mal. Abermals sehr leise.

Auch das dann folgende „Long gone“ ist eher als Ballade einzuordnen. Paul schreit sich die Stimme aus dem Hals und stellt seinen - oder einen fiktiven - Vater an den Pranger. Wobei „schreien“ hier sehr großzügig benutzt ist. Thematik und Song hätten durchaus eine geballte Ladung Aggression und Wut verdient, aber so ganz überzeugen kann mich der Track nicht. Es fühlt sich ein wenig nach angezogener Handbremse an.

Auf die drei folgenden Songs „House of Pain“, „Safehouse“ und „Broken Dreams“ werde ich nicht im Detail eingehen, da sie nicht wirklich viel Neues bieten. Die Songs sind allesamt gut strukturiert und technisch gut vorgetragen. Paul kann die nicht ganz einfache Doppelrolle an Drums und Gesang auf jeden Fall stemmen. Seine Stimme verleiht den Songs Ausdruck und Kraft. An der einen oder anderen Stelle hätte ich mir aber ein größeres Spektrum gewünscht, um noch mehr Würze und Abwechslung in die Stücke zu bekommen.

„Road Worn“ hat es leider nicht geschafft, meine anfängliche Begeisterung aufrecht zu halten. Die Power und Begeisterung, die die Jungs live sicherlich haben, konnte aus meiner Sicht nicht ideal eingefangen werden. Ob das an der Aufnahme, der nicht ausreichenden Größe des Publikums oder an den technischen Voraussetzungen liegt, ist schwer einzuschätzen.

Für Fans der sympathischen Rocker sei noch gesagt, dass es sich gleichzeitig auch um eine Art Best Of handelt, denn alle Songs der EP sind bereits auf den oben genannten Vorgängern enthalten. Da hätte ich mir als Teaser auf Kommendes und als Kaufanreiz vielleicht noch einen bisher unveröffentlichten Track gewünscht.

Die EP konnte mich zwar nicht vollends überzeugen, MIDRIFF haben es aber auf jeden Fall geschafft, mein Interesse zu wecken. Gerne würde ich mich bei einem Live-Auftritt selbst von den musikalischen Qualitäten der Herren überzeugen. Sollte also mal ein Auftritt im Norden Deutschlands anstehen, lasst es mich wissen.
Vero

Gastautorin mit Wacken-Expertise

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