Discern - To Praise with Persecution



Stil (Spielzeit): Death (-Heavy-Thrash-Blues) (38:47)

Label/Vertrieb (VÖ): (ohne Angabe) (08.07)

Bewertung: 7 (+ 1 Sympathiepunkt) / 10
Link: http://www.discerndeathmetal.com

Neulich klingelt es an der Tür. Da der Gerichtsvollzieher schon am Vortag unverrichteter Dinge, aber mit einer Schachtel mangelernährter Schaben Richtung Tierasyl abgezogen war, fürchtete ich nichts Böses. Aber da standen Sie vor mir. Zwei Zeugen Jehovas in Kutten und Nietenarmbändern. Und bangten im Hausflur wie vom Teufel besessen zur letzten MORTIFICATION. Als dem einen sein Ohrstöpsel wegfliegt, realisiert er, daß tatsächlich jemand geöffnet hat. Und darauf sprach er zu mir Worte der Weisheit: sie seien die Märtyrer der letzten Tage und gekommen mir die Frohbotschaft zu bringen, auf daß ich wider Erwarten und gegen meinen Willen doch noch ins Paradies einzukehren hätte. Ich streiche mir, latent nervös, mein „Odin statt Jesus“- Shirt glatt, als es erneut klingelt. Irritiert stelle ich zweierlei fest: erstens bin ich ja schon an der Tür und zweitens klingt das Klingeln wie mein Wecker. ---- In solchen Situationen ergreife ich Freuds Traumdeutungslexikon. Unter Z wie „Zeugen Jehovas, bangende “ steht zu lesen, dass ich neben vielen anderen das Problem habe, penetrant christliche Texte und Death-Metal-Gebolze zu einer konsistenten und logischen Einheit zusammenzubringen. Und daß ich vor dem Einschlafen exakt so etwas konsumiert haben muss. Und das stimmt; nämlich DICERNs zweiten Output: "To Praise With Persecution".

Allerdings musste ich zur Aufnahme der Botschaft die Textbeilage zur Hand nehmen, denn akustisch war da nichts zu machen. Das Grunzen klingt eben wie es soll: übellauniger Dobermann mit Verstopfung. Gekeife gibt’s auch. Gelegentlich wird geflüstert, dann sogar recht verständlich. Das, und die Drums, die Rhythmusgitarre und den Bass übrigens auch, übernimmt Mr. DISCERN himself, Billy Fraser. --- So schnell wie mit der Aufzählung der „Bandmitglieder“ könnte man auch mit der Scheibe fertig sein. Grundsätzlich wird Death Metal typisch amerikanischer Provenienz geboten: Boller, Knall, Schepper… Rödelrödelrödel, Breakdown. Und noch mal von vorn. Wer darauf steht, wird der Scheibe eine Menge abgewinnen können. Wer nicht, der nicht.
Das könnte als Review schon reichen, wenn nicht … ja, wenn da nicht plötzlich so illustre Gäste wie Malmsteen, Randy Rhoads oder Kerry King (alle dargestellt von Rick Hunter-Martinez) um die Ecke kämen. Was der im Melodic Metal heimische und phasenweise wie ein Relikt der 80er anmutende Griffbrettakrobat aus dem Ärmel schüttelt, ist an sich schon bemerkenswert. Richtig schön zur Geltung allerdings kommt er gerade vor der DM-Kulisse. Herrlich, wie da ´ne Blastattacke in sich zusammenbricht, und sich aus den Trümmern der Soundwand, wie Phönix aus der Asche, Harmonien aufbauen, und dem Death langsam zu neuem Leben verhelfen. (Wer da die christliche Botschaft von der Auferstehung raushört, hat entweder ganz recht oder bloß einen Knall.)

Damit der Eindruck nicht zu kontrastreich wird, fährt die 3in1-Rhythmusfraktion denn auch schon mal auf der flockigen Blues-Schiene mit oder wildert im Heavy- u. Thrash-Revier. Und das macht Spaß, lockert die deathigen Soundwände auf, läßt Luft rein. Warum dieses Wechselbad dennoch nie allzu konstruiert klingt hat mindestens zwei Gründe: 1.) auch Death ist letztlich (very heavy) Metal und der wiederum Rock und der wurzelt im Blues. Was also vielleicht zunächst nach unverdaulichem Bastard klingt, kann prinzipiell recht organisch aufgebaut werden. Und 2.) gelingt das DISCERN! Grundsätzlich ist es ja egal, ob nun fünf Leute oder nur ein Leut hintereinander weg die Parts einspielen. Bei DISCERN scheint mir aber der Projektcharakter immer hörbar zu bleiben, was kein Manko, sondern die Stärke ist. Bei „echten“ Bands mit diversen Charakteren verliert man bei solchen Grenzübertretungen schnell mal die Übersicht; bei Fraser + 1 behält man sie. Und so kann sich der Hörer unangestrengt dem Enthusiasmus hingeben, mit dem die beiden ihrer Passion für diverse Stile frönen. Sehr sympathisch.

P.S.: Dieses lustige Teil gibt's direkt bei der "Band" in Richardson, Texas (siehe Homepage)