Geschrieben von dirk-bengt Sonntag, 21 Juni 2009 10:01
Enochian Theory - Evolution: creatio ex nihilo Tipp
Stil (Spielzeit): Prog-Rock / Prog-Metal ( 49:01)
Label/Vertrieb (VÖ): Anomalousz Music Records (03.08.09)
Bewertung: 10 / 10
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Eigentlich ist Prog, ob -Rock oder -Metal meine Sache eher nicht. Na gut, es gibt ein paar Ausnahmen. MARILLION (besonders die mit Fish-Geschmack) oder TOOL zum Beispiel. Die wenigsten Progies, sagt mein Ohr, bekommen echte Seele und Ausdruck in ihr Spiel.
Und dann das hier!
ENOCHIAN THEORY tauchen hierzulande wohl quasi ex nihilo auf. Dabei sind sie doch aus Portsmouth; und haben zudem 2007 schon ein Debüt (A Monument to the Death of an Idea) an den Start gebracht. --- Wenn die EP auch nur annähernd an „Evolution: creatio ex nihilo" heranreicht, hat man hierzulande wirklich was verpasst, während sie auf der Insel wohl schon ganz gut abgefeiert wurden. Bekanntlich sagt das bei englischen Bands nicht viel; diesmal aber zu Recht. Denn was das Trio hier raushaut, sucht eine Weile vergeblich nach Seinesgleichen. Also erstmal ein paar hinkende Vergleiche:
MARILLION und TOOL sind schon ganz sachdienliche Hinweise. 1.) Für die Qualität und 2.) für eine grobe Angabe der Ausrichtung. (MARILLION in der Hogarth-Ausgabe gemeint) Aber auch der Himmel von ENOCH hat vier Richtungen...
Sänger / Gitarrist (wahrscheinlich auch Keys) Ben Harris-Hayes ist auch noch bei den Death / Hardcore Metzlern IN THIS DEFIANCE aktiv. Insofern verwundert weder das (seltene) Growling noch der Umstand, dass das Brett auch mal richtig gesägt wird und (auch mal) Disharmonien Einzug halten, wie man es eher von CYNIC oder Avantgarde-Death gewohnt ist. --- Als Gegenpol hierzu mag die seltsam melancholisch-entspannte Atmosphäre von TALK TALKs „Spirit of Eden" als Hinweis durchgehen.
Vordergründiger aber sicher der Dialog aus sanft-melancholischen Prog-Rock-Klängen (Richtung: „Holidays in Eden" oder „Brave") und der komplex-groovenden Düsternis von Ænema. Auch auf individueller Ebene lassen sich entsprechende Parallelen ausmachen: Als Sänger ist Harris-Hayes ein stilistisches Mittelding aus Steve Hogarth (eher mehr) und sanftem Maynard James Keenan (eher weniger), als Gitarrist darf man bei ihm gleichermaßen auf die Pendants Steven Rothery und Adam Jones verweisen. Die Keys schwanken zwischen kühler Piano-Romantik und Goten-Symphonik. Mit den Prog-üblichen Synthie-Schwurbeleien, hat das „Lost Ochestra" (hinter dem sich wohl auch Harris-Hayes verbirgt, nichts zu tun.
Dazu teils sehr verspielte, teils treibende Drums der Marke „Danny Carey". Überflüssig zu sagen, dass der Basser ebenfalls einen exquisiten Job abliefert. Und auch das erinnert an die Referenzbands: alle individuelle Klasse wird nur mannschaftsdienlich ausgespielt. Nichts hier, auch nicht die kurzen Death-Ausflüge, dient bloß dem Zweck besonders vielseitig oder komplex zu erscheinen; alles ordnet sich zu einem wunderbaren Ganzen zusammen. Weswegen das auch keine Sekunde überladen klingt. Schön auch, dass die rockigen und die metallischen Elemente keine harschen Kontraste bilden, sondern in einander verlaufen. Kontraste stellen sich schon eher durch Melodie- und Rhythmuswechsel ein.
Trotz des häufigen, aber letztlich hinkenden Vergleichs: E.T. sind absolut eigenständig; das Abkupfern hat man auf dem technischen / songschreiberischen Niveau nicht nötig. Was „Evolution..." endgültig zu etwas Herausragendem macht: Jedes Stück greift für sich, und doch höre ich die Platte immer im Ganzen als ein Konzeptalbum; ich bringe es einfach nicht, persönliche Highlights wie „The Fire around the Lotus" einzeln zu hören; es gibt eine übergreifende Dramaturgie, die mag ich nicht zerstören. Denn die hat eben nicht nur Hand und Fuß, sondern vor allem Ausdruck und Seele. Außerdem ist „E:cen" ein sehr metaphysisches und kluges Teil. In einem Wort: perfekt, genial, brillant...
Zu diesem Gesamteindruck trägt neben Mix & Mastering von David Costello (OPETH, KATATONIA) auch das surrealistische Artwork bei, das wohl tatsächlich was zu sagen hat.