Seit ihrer – wie das vorliegende Debütalbum ebenfalls in Eigenregie veröffentlichten – EP "Part Of The Process" (2012), die begeisterte und einige Male den Weg in meine Musikanlage fand, haben sich die fünf Berliner von GENTRIFICATION weiter durch Außergewöhnliches hervorgetan. So finanzierten sie die weitestgehend umweltfreundliche Pressung und Druck von CD und Booklet des Debüts durch eine erfolgreiche Crowdfunding-Aktion. Neben Umweltschutz zeigen sich in den Texten, die eine Aufforderung zur Empörung über Missstände bilden, weitere zentrale Anliegen der Band, wie etwa Kapitalismuskritik, Emanzipation oder Themen von aktueller Brisanz, wie die NSA-Abhöraffäre. Wer jetzt denkt, dass eine Platte mit einer so ernsten Message kein Spaßpotential hat, irrt ...
Die bittersüße Atmosphäre, die die von Akustikgitarren gespielte Melodie des Openers erzeugt, wird durch den tiefen Sprechgesang von Vocalistin Lena verdichtet. Traurig und fast schon resigniert wirkt auch der Text: „Those rules are set to fail / future lies dead, two steps away" – bis schließlich nach der letzten, kämpferisch anmutenden Zeile, "there has been no better day / to rewrite history", auch die Musik in eine härtere Gangart übergeht und so trotzige Hoffnung auf positive Veränderungen signalisiert.
„Sudden Death Syndrome" offenbart sodann die Stärken der Band: Lenas mehrheitlich gutturale, starke Vocals, ein cooles Riffing und treibende Drums rund um herrliche Breaks. In „Emancipate" zeigt sich mit hellen Screams und dunklen Growls die ganze Bandbreite des Gesangs, wobei die Tempowechsel sowohl die Textzeilen des Chorus, als auch das Riffing schön akzentuieren.
Die bereits auf der EP sehr gelungene Sound-Abmischung ist auch hier positiv hervorzuheben. Leider sind mir die Drums, vor allem die Snare-Sounds, etwa in „Darkest Hour" etwas zu clean und stechen zu sehr heraus. Daneben zeichnet sich der Song, der gemäß des Textes durch Originalaufnahmen aus einer Berichterstattung über Straßenkämpfe eingeleitet wird, durch ordentlich Groove aus.
„For Greater Say" war, ebenso wie „Venom In Our Veins" bereits auf der EP zu finden und überzeugt mich auch hier. Düster-bedrohliche Stimmung mit Lenas Flüstern, bevor schließlich der „Sturm" losbricht – dieser Song wäre für jeden, der sich einen ersten Eindruck von GENTRIFICATION verschaffen will, meine persönliche Empfehlung.
Das sehr kurze „Aspiration" bildet eine Art kurzen Innehaltens, bevor man sich mit „Consumer Worship" und „With Compliments" weiter Luft macht. Vor allem „With Compliments" spricht auf sehr eindringliche Weise einen wichtigen Aspekt der Emanzipationsdebatte an und ist dabei musikalisch herrlich brutal arrangiert – wie auch das zugehörige Video beweist.
Generell mache ich durch GENTRIFICATION wieder die gute Erfahrung, dass man coole Mucke auch mit einer eindringlichen Botschaft verbinden kann, ohne (wie auch der Sprachwitz in einigen Textzeilen beweist) zu moralisierend daherzukommen.
Tracklist:
01. Deviance
02. Sudden Death Syndrome
03. First World Collapse
04. Emancipate
05. Darkest Hour
06. For greater Say (EP)
07. Aspiration
08. Consumer Worship
09. With Compliments (Video)
10. If this ain´t Hell
11. Venom in our Veins (EP)
12. Modern Tyranny
Bonus: Blood Circle (gentrified)