Once upon a time... Wer erinnert sich nicht gern an die gute, alte Zeit, als die Jungs von FEAR FACTORY noch die härtere Death-Schiene gefahren sind und auf raue Growls anstatt cleanes Gejaule gesetzt haben? Nichts gegen Killeralben wie „Demanufacture“ oder „Obsolete“, aber das eine oder andere Tränchen weint sicher so mancher Freund der härteren musikalischen Gangart den alten Zeiten nach... Und genau diese Fraktion dürfte jetzt Luftsprünge machen, wenn sie sich den treibenden Elektro-Death-Grind des österreichischen Quintetts INZEST zu Gemüte führt!
Auf diesem Zweitwerk der durchgedrehten Krachcombo werden wirklich keine Gefangenen gemacht. Nach einer sehr kurzen, aber bezeichnenden Introduktion startet man in einen 10 Songs andauernden Strudel aus Death-, Grind- und Hardcore, aus dem es kein Entkommen gibt. Jaja, nichts als abgedroschene Phrasen, die man schon zu so manchem Weichspüler-Release lesen musste... Nicht dieses Mal! Was uns hier vorgesetzt wird, könnte man auch gut und gerne schlichtweg als die Definition von purer Aggression bezeichnen. Man verzieht geradezu zwangsläufig die Fresse zu einem finsteren „Fuck you all“-Ausdruck und kommt aus dem angespannten Kopfnicken eigentlich gar nicht mehr heraus.
Ein treibender Beat reiht sich an den nächsten, durchsetzt mit Hochgeschwindigkeits-Blastbeats und einigen „Ruhe vor dem Sturm“-Passagen. Unterlegt wird das Ganze mit absolut passenden Synths, welche eine klinische Atmosphäre schaffen und das sprichwörtliche Sahnehäubchen auf diesem vor Fett triefenden Stück Fleischkuchen bilden. Kurze, abgehackte Doublebase-Attacken begleiten die allerfeinsten hardcoretauglichen Gitarrenriffs, während die dezente Snare überwiegend im Halbsekundentakt dem geneigten Hörer den Hals bricht.
Ein steriles Soundgewand verleiht dem inzestiösen Mix aus allerlei brutalen Musikstilen, welchen sich die fünf Österreicher auf die Fahne geschrieben haben, den letzten Schliff. Hier wird die eingangs erwähnte Vergleichbarkeit mit alten FEAR FACTORY deutlich. Dies soll nicht bedeuten, dass die Songs auf „Grotesque new world“ aus der Feder der Elektro-Thrash-Götter hätten stammen können – nein, vielmehr würde ich INZEST als die logische Weiterentwicklung bezeichnen, wenn FEAR FACTORY sich mehr in Richtung Deathmetal und dann zeitgemäß gen Deathcore entwickelt hätten. Das Zusammenspiel von Saiten- und Fell-Instrumenten ist sehr harmonisch, auch wenn dieses Wort in Zusammenhang mit der hier rezensierten Scheibe eher fehl am Platz wirkt... Der Sound hat sich im Vergleich zum Vorgängeralbum „The sickest of society“, welches noch eher matschig und unausgereift klang, jedenfalls deutlich weiterentwickelt!
Die Texte, welche leider nicht im Booklet verewigt wurden, sind in einer für das Genre untypischen Weise inhaltlich recht anspruchsvoll. Hier werden also lyrisch nicht nur diverse Foltermethoden beschrieben und Hasstiraden an den Mann gebracht, sondern teilweise auch sozialkritische Themen behandelt (DYING FETUS lassen grüßen...). Klar, eine gewisse Portion in Worte gefasster Hass gehört natürlich dennoch dazu – bei der musikalischen Vorgehensweise unserer INZEST-Horde wäre dies auch überhaupt nicht wegzudenken. Diese ausformulierte Kriegserklärung wird uns hauptsächlich in Form von aggressivem Gegröhle vorgetragen, welches man sicher schon irgendwo besser gehört hat, in diesem Fall jedoch passt wie die schlagringbesetzte Faust auf’s Auge. Der Variantenreichtum der vorgetragenen oralen Darbietung jedenfalls ist einwandfrei. In bester Oldschool-Deathmetal-Manier reicht die Palette von tiefem Geröhre bis zu gemeinen Screams und die Übergänge sind meist fließend. Hin und wieder driftet Shouter Maggo in übelst fies klingende Pigsqueals ab, von denen ich persönlich gerne noch mehr gehört hätte.
Negativ aufstoßen könnte dem Freund von technischer Finesse eventuell der leichte Mangel an Abwechslung. Die Songs ähneln einander schon recht stark, was der anfänglichen Euphorie langfristig gesehen einen leichten Dämpfer versetzen könnte. Doch wer genau auf diese Art von moshtauglicher Extrem-Gitarrenkost steht, der wird hier immerhin 100%ig bedient. Aus diesem Grund jedoch fällt es mir auch eher schwer, einen definitiven Anspieltipp abzuliefern – love it (all) or leave it!