Geschrieben von Kai Donnerstag, 25 August 2011 00:00
Ritual - Interview mit Drummer Phillip zum Album 'Paper Skin'
RITUAL dürften mittlerweile jedem Hardcore-Fan aufgefallen sein, der sich seine Alben nicht nur aus den Staaten liefern lässt. Aktuell haben die vier Ruhrpöttler/Münsteraner bereits das zweite Album für Reflections Records und sich einen Namen in Europa gemacht. Wir sprachen mit Drummer Phillip über das Touren, die Internationalität der Hardcore-Szene und Pantera-Riffs.
Bitte stell dich und deine Band unseren Lesern vor.
Hey, ich bin Philipp. Ich spiele Schlagzeug für Ritual. Julian, Deni, Pascal und ich kennen uns seit unserer frühen Jugend und machen seither zusammen Musik. Im Sommer 2005, im Alter von 17, 18 Jahren, haben wir unsere erste Single aufgenommen und begonnen, die Band ein wenig ernster zu nehmen. Seitdem vergeht die Zeit wie im Fluge. Ritual ist sozusagen unsere gemeinsame Begleitung beim Älterwerden und zugleich unser Weg, an einer gewissen Jugendlichkeit und einem gewissen Leichtsinn festzuhalten.
Wie seid ihr damals zu Reflections gekommen?
Die Geschichte ist leider sehr, sehr unspektakulär. Als wir im Jahr 2008 im Songwriting steckten für das, was später als „Beneath Aging Flesh and Bone" veröffentlicht wurde, wurden wir von Johan per Mail kontaktiert. Er fragte, ob die geplante LP bereits ein Label hätte. Das kam für uns wie ein Traum daher: Nicht nur, dass unser damaliges Label Blacktop Records zu dieser Zeit beschlossen hatte, aufzuhören – Reflections Records war schon immer ein Label, das wir sehr mochten und das zwar professionell arbeitet, aber seinen DIY- und Punk-Background dabei nicht vergisst. Wir könnten uns wohl nirgendwo anders besser aufgehoben fühlen.
Ihr seid ja auch in Europa unterwegs. Wie schwer ist das für eine deutsche Hardcoreband, auch über dem Tellerrand hinaus Shows zu spielen?
Vielleicht hatten wir auch einfach nur Glück, aber wir haben die nationalen Grenzen nie als besondere Hürde wahrgenommen. Natürlich war es schon aufregend, als wir zum ersten Mal in einem anderen Land gespielt haben und auf der Bühne plötzlich englisch reden mussten. Aber wir denken grundsätzlich nicht in Grenzen und Nationen. Die Hardcore-Szene ist doch selbst ein gutes Beispiel dafür, wie wenig Sinn es macht, die nationale Zugehörigkeit als gemeinschaftsstiftenden Faktor zu betrachten; was die Szene verbindet, sind die Liebe zur Musik und bestimmte Ideen, die ihr zugrunde liegen, und damit ist Hardcore prinzipiell international angelegt. Und das macht es ja auch so besonders: Dass es in anderen Ländern Leute gibt, die kleine Bands von sonstwoher auschecken und ihnen Auftritte anbieten. Nirgendwo sonst ist es für kleine Bands so einfach auf Tour zu gehen, wie im Hardcore. Das wissen wir zu schätzen!
Wo seht ihr selbst die Entwicklung zwischen der letzten Platte und "Paper Skin"?
Unsere Musik zu analysieren, überlassen wir eigentlich lieber Außenstehenden. Alles, was ich sagen kann, ist, dass der Songwritingprozess für „Paper Skin" sehr langwierig und schwierig war. Währenddessen fragte uns unser Label, ob wir nicht eine Vorab-Single rausbringen wollten, sozusagen um die Wartezeit aufs Album zu verkürzen. Diese Single ist im vergangenen Spätsommer unter dem Namen „Kissing Pavement" erschienen. Für die Single haben wir die letzten Mid-Tempo-Rocksongs aufgenommen, die uns eingefallen sind. Das hat vieles gelöst. Spätestens danach war klar, dass etwas Neues her musste. Wir hatten keine Lust mehr, Songs alleine um Riffs herum zu schreiben; wir wollten eine stringente Stimmung. Songs sollten nicht länger aneinandergereihte Parts sein, sondern sie sollten einen konsequenten Fluss haben. Ob das nun geglückt ist, soll jeder selbst entscheiden.
Beim letzten Album stand im Booklet, dass ein Song auf einer Pantera-Inspiration beruht. Wie kam es dazu? War das von vorne herein klar oder hinterher einfach nicht mehr zu ändern, als es euch aufgefallen ist?
Mit dem Riff kam unser Sänger Julian mal zu einer Probe. Deni hat sich direkt kaputtgelacht und gesagt, dass das doch Pantera wäre. Wir fanden das Riff aber so geil, dass wir einfach dachten: Scheiß drauf, wir eignen es uns radikal an! Und so haben wir dann unseren eigenen Song drumherum geschrieben. Die Erwähnung in der Platte dient eigentlich nur dazu, all den Leuten, die glauben, uns darauf hinweisen zu müssen, direkt den Wind aus den Segeln zu nehmen. Manche Zitate sind sprachlicher Natur, andere sind musikalischer Natur. Wir finden das legitim.
Wie seid ihr zu dem – etwas kranken – Tom-Waits-Auf-Drogen Song auf "Paper Skin" gekommen? Der sticht ja doch ziemlich heraus. Und werdet ihr den auch live spielen?
Bevor wir ins Studio gefahren sind, um „Paper Skin" aufzunehmen, wollten wir bewusst einige Leerstellen bestehen lassen, die wir im Studio durch Ausprobieren füllen wollten. Genau so war es auch mit „This Shell Has Got A Soul Again". Ursprünglich war der Song inspiriert durch einen Blues von The Doors. Im Studio konnten wir wegen der Anwohner immer nur bis 22 Uhr Lärm machen. Und so saßen wir eines Abends nach dem eigentlichen Feierabend mit unserem Freund und Produzenten Robin im Wohnzimmer des Studios und hörten Captain Beefheart. Ganz schnell fingen alle Feuer. Pascal schnappte sich nen Kontrabass, ich fing an, auf einer Standtom und einem Klapptisch zu trommeln. Robin stellte ein paar Mikros in den Raum, wir spielten drei Versionen und suchten uns nachher eine aus. Danach haben wir diese Liveversion einfach noch bis ins Unermessliche aufgeschichtet: Mit elektrischen Gitarren, Klavier, einem Flügelhorn, einer zweiten Gesangsstimme usw. Der Song ist also ein echtes Experiment und die Aufnahme ein Dokument desselben. Zur Frage, ob wir den live spielen: Wir haben tatsächlich mehrmals drüber nachgedacht, den Song für die Livesituation brauchbar zu machen. Bisher konnten wir uns dazu nicht durchringen, aber ich denke, wir werden mit der Zeit ohnehin mehr Songs von der neuen Platte ins Set nehmen. Wir schließen das also nicht grundsätzlich aus.
Wie viel Zeit beansprucht die Band bei euch und wie lässt sich das mit dem Berufsleben vereinbaren?
Die Band beansprucht immer nur so viel Zeit, wie wir können und wollen. Wir sehen uns vor niemandem verpflichtet, ein bestimmtes Maß an Shows zu spielen. Wenn wir also gerade nicht können oder einfach nur eine kleine Auszeit wollen, dann sagen wir Showanfragen auch einfach ab. Andererseits haben wir natürlich auch einfach Bock, deswegen versuchen wir schon immer so mindestens eine, besser noch zwei Touren im Jahr hinzukriegen. Das lässt sich auch bestens mit den anderen Verpflichtungen vereinbaren.
Ihr habt mittlerweile auch einige größere Festivals gespielt. Inwiefern ist das für Euch anders im Vergleich zu kleinen Clubshows?
Ja, gerade auf der letzten Tour mit Soul Control haben wir einige Festivals gespielt. Was ich als maßgeblichen Unterschied sehe, ist vor allem, dass es auf Festivals meistens noch hell ist. Ich finde, das stört die gewisse Atmosphäre total. Unsere Musik soll in dunklen Spelunken gespielt werden! Nichtsdestotrotz machen Festivals Spaß. Man trifft viele Leute und andere Bands und man spielt vor so großen Menschenmengen wie sonst nie. Das ist schon spannend. Aber ich würde das eine nicht ohne das andere wollen.
Wenn man so viele Shows spielt wie ihr, wo werden dann Songs geschrieben? Probt ihr regelmäßig, wenn ihr nicht unterwegs seid?
Nein, wir proben arg selten. Songs entstehen meistens in eigens dafür frei geschaufelten Zeiträumen, also in Zeiträumen, wo wir keine Konzerte spielen, um uns wirklich nur darauf zu konzentrieren und nicht noch nebenher das gegenwärtige Set proben zu müssen. Wir sind also keine Band, die permanent Songs schreibt; wohl aber sammeln wir permanent Ideen und diskutieren, wohin es musikalisch noch so gehen könnte.
Was geht bei euch in diesem Jahr noch alles?
Nach dieser Tour lassen wir es erst mal langsam angehen. Es macht ja auch einfach keinen Sinn, bestimmte Orte doppelt und dreifach zu bespielen. Wir wollen die Leute nicht langweilen. Nach diesem Monat auf Tour waren wir nun mal an fast allen gängigen Konzertorten. Deswegen planen wir für den Rest des Jahres nur ein paar ausgewählte Wochenenden. Eines mit Rise and Fall, Oathbreaker und Hessian, ein anderes mit Patsy O'Hara und dann noch eins mit Kadavar.
Famous Last Words?
Herzlichen Dank für das Interesse an unserer Band! Danke fürs Lesen! Shake along with us!
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