Geschrieben von Donnerstag, 13 Dezember 2007 09:23

P.O. Box - Interview mit Sänger Seb



In den letzten Monaten kamen einige interessante Bands aus Frankreich mit guten Outputs auf dem Markt und machten so auf sich aufmerksam. So auch P.O. BOX aus Nancy, die mit „…And The Lipstick Traces“ ein wirklich mehr als gelungenes Debütalbum im Gepäck hatten. Die Franzosen lieferten darauf grandiosen Skapunk ab, wie er  fast schon in Vergessenheit geraten schien. Sänger Seb nahm sich viel Zeit für uns und stellte sich den Fragen.
Hey Seb, stell doch deine Band mal kurz vor.
Gut, wir sind eine Skapunk Band aus Nancy/ Franreich, die im Stile von BIG D & THE KIDS TABLE, STREETLIGHT MANIFESTO oder CAPDOWN Musik macht. Wir existieren bereits seit 2001, spielten mehr als 300 Konzerte (von England bis Russland, von Schweden bis Italien) und ich denke der beste Weg, um zu erfahren wer wir sind oder wofür wir stehen, ist der, zu einer unserer Shows zu kommen, unsere Songs zu hören oder unsere Texte zu lesen.
Wie würdest du euren Musikstil am ehesten beschreiben?
Wie ich ja gerade schon sagte, spielen wir Ska-Punk: Das bedeutet einen Mix aus Punkrock, mit Offbeat-Rhythmus und einem Bläsersatz. In unseren Songs steckt oft eine tiefere Bedeutung. Wir sind zwar keine politische Band, aber eine, die sich sozial engagiert. Das bedeutet, dass wir versuchen, Dinge aufzuzeigen, die unserer Meinung nach schief laufen. Dabei sagen wir den Leuten aber nicht, was sie zu tun haben. Wir versuchen sie lediglich darauf aufmerksam zu machen, damit sie selber überlegen können, wie sie mit diesen Tatsachen umgehen sollen. Alles, was wir wollen, ist ein Bewusstsein für solche Dinge zu schaffen.
Das gerade erschienene Werk “...And The Lipstick Traces” war euer Debütalbum. Warum hat es bei euch volle sechs Jahre gedauert, bis ihr euer erstes Studioalbum veröffentlicht habt?
Als wir unsere Band starteten, brauchten wir dringend eine CD, die unsere Band und unsere Musik promoten und mit der wir uns an Magazine und Clubs wenden konnten. Daher nahmen wir 2002 eine Promo-CD auf. Danach spielten wir 2003 eine Split-CD mit einer belgischen Combo ein, und danach noch eine EP im Jahr 2004. All diese Veröffentlichungen nahmen wir in einem kleinen Studio bei uns zu Hause auf, borgten uns Equipment von Freunden, produzierten selber und versuchten die bestmögliche Qualität herauszuholen. Aber es war schwer, denn ohne Geld konnten die Ergebnisse nicht besonders sein. Doch nach so vielen Jahren, die wir auf der Straße verbracht und dort Geld gesammelt haben, dachten wir, dass es an der Zeit sei, unser Debüt aufzunehmen. Und so gingen wir zu einem richtigen Studio in Frankreich, das bekannt war für gute Aufnahmen für Punkrockbands und mit Produzenten, die wir bevorzugten. Es gibt sicher einige Leute, die es komisch finden, dass wir erst nach fünf Jahren unser Debütalbum auf den Markt bringen. Wir sind aber der Meinung, dass es total albern ist, wenn frisch gegründete Bands schon nach wenigen Monaten ins Studio gehen und dort sehr viel Geld für teilweise wenig ausgereifte Musik ausgeben. Wir brauchten einfach die Zeit und die Erfahrung, was es heißt, eine Band zu sein. So brauchten wir auch unsere Touren und lernten davon, lernten von anderen Bands, probierten Neues aus, experimentierten und erstellten so die besten Songs, die wir machen konnten. Daher dauerte es bei uns so lange: Wir wollten uns Zeit lassen, um Schritt für Schritt unseren Weg zu gehen.
Neben dem Demo habt ihr ja damals auch eine Live-CD herausgebracht, wie kam es dazu?
Haha, genau, aber es ist im Grunde keine richtige P.O. BOX Live-CD. Dahinter steckt, dass wir die Möglichkeit hatten, in Luxemburg für die SLACKERS ein Konzert zu eröffnen. Das Label, auf dem wir damals beheimatet waren, wollte eine Live-CD herausbringen, mit je drei Songs von jeder Band, die an diesem Abend auf der Bühne standen. Daher waren wir mit drei Songs auf dieser CD dabei, genau wie die SLACKERS und zwei andere lokale Bands aus Luxemburg auch.  Es war eine riesige Chance für uns, vor den SLACKERS zu spielen und auf dieser CD dabei zu sein, die sowohl auf unserem Label Winged Skull Records, als auch bei Hellcat Records veröffentlicht wurde.
Kommen wir zu eurem Debüt. Gibt es eine spezielle Bedeutung bei dem Titel der CD “...And The Lipstick Traces” für euch?
Auf jeden Fall! Der Titel des Albums verweist auf Greil Marcus` musikalisches, philosophisches und soziales Buch: “Lipstick Traces: A Secret History Of The 20th Century”. Genauso wie schon vorher bei unser Split-CD “We are all in the gutter but some of us are looking at the stars”, dessen Titel auf ein Zitat von Oskar Wilde zurückgeht und unsere „Rock my Reality“ EP, die auf „Rock My Relegion“, die Arbeit des Ex-Rock Kritikers Dan Graham hinweist, entschieden wir uns auch diesmal, bekannte Thesen in unseren Texten zu verwenden.  „Lipstick Traces“ ist ein wirklich wichtiges Buch, das uns hilft zu verstehen, wie die heutige populäre Kultur mit der Gesellschaft verbunden ist. Der Autor versucht die Ablehnung von sozialen und kulturellen Werten, die in der Punk-Bewegung verwurzelt ist, zu erklären. Er begründet das in der Verweigerung vom Kapitalismus, was, wie er erklärt, Menschen, Kunst und Ideen zu Marktwerten degradiert. “The Secret History of the 20th Century”, die sich in diesem Buch entwickelt, ist ein Widerstand gegen alles, was unsere Existenz und Kultur zu nichts anderem als zu Konsumierbarem macht. Und da uns das sehr ansprach, haben wir unser Debüt diesem Buch gewidmet und die soziale Komponente hervorgehoben.
Erzähl doch mal, wie euer Album entstanden ist.
Nachdem wir die Songs ausgewählt hatten, die wir auf diesem Album haben wollten, suchten wir nach einem guten Studio: Das Loko Studio war genau das, was wir suchten. Viele französische Punkbands hatten dort schon Alben aufgenommen und deren CDs waren wirklich großartig geworden, und besonders gefiel uns der Sound, der zu hören war. Also nahmen wir Kontakt mit den Besitzern und Produzenten des Studios auf, erzählten ihnen über uns und was wir uns von der Aufnahme erwarteten, und wie wir uns den Sound vorstellten. Die Produzenten Guillaume André und Sébastien Langle, die entscheiden, mit welchen Bands sie arbeiten, da das Studio wirklich ziemlich ausgebucht ist, riefen uns drei Tage später an und teilten uns mit: „Ja, wir machen das!“. Wir waren wirklich froh, dass die beiden mit uns arbeiten wollten. Zwei lange Wochen verbrachten wir dann in dem Studio, um die CD einzuspielen, und eine weitere Woche nutzten wir dann für den Mix des Albums. Es war wirklich ein Geschenk, dass wir mir Guillaume und Sébastien arbeiten durften, denn die beiden verstehen was von ihrem Job. Und so entstand genau der Sound, den wir wollten. Danach verschickten wir unsere CDs und hatten so die Möglichkeit, bei Long Beach Records Europa, genauso wie bei Übersee Records und Guerilla Asso, zu unterschreiben. Und das wäre dann die ganze Geschichte!
Wenn du die Songs des neuen Albums mit denen euer EPs und eurer älteren Songs vergleichst, wo denkst du sind die größten Unterschiede und was habt ihr verändert?
Es klingt vielleicht wie ein Klischee, aber ich glaube, dass unsere neuen Songs viel erwachsener und reifer klingen, als unsere alten Stücke. Wir haben einfach länger an dem neuen Material gearbeitet und die vielen Erfahrungen, die wir gesammelt haben, die meisten davon unterwegs auf Tour, haben wir wahrscheinlich in unsere Texte mit einfließen lassen. Außerdem haben wir viele Bands kennen gelernt, uns mit vielen von denen angefreundet, und irgendwie hat uns auch das ganz schön beeinflusst und floss so wieder in unsere Songs mit ein.
Habt ihr eine besondere Erwartung an euer aktuelles Album?
Wir haben hart an unserem Debüt gearbeitet und das gemacht, was wir lieben. Und wir würden unseren Weg nie ändern, um irgendwelchen Leuten einen Gefallen zu tun. Wir stehen zu dem, was wir tun, und das zu 100 Prozent, und machen unsere Musik so gut, wie wir nur können. Aber besondere Erwartungen an diese Scheibe haben wir nicht wirklich. Das einzige, was uns vielleicht dabei interessiert, ist, dass wir eine Liveband sind und soviel Geld mit unseren CDs verdienen wollen, um Sprit für unseren Bus bezahlen zu können. Denn wir lieben es auf der Bühne vor vielen Leuten zu stehen, die wegen uns gekommen sind und unsere Songs hören wollen. So hoffen wir, dass uns dieses Album ermöglicht, so viele Konzerte wir möglich zu spielen.
Welche Bands oder Musiker haben euch am stärksten beeinflusst?
Da wir eine Band sind, die aus sechs Mitgliedern besteht, haben wir unglaublich viele verschiedene Einflüsse. Einige von uns hören Jazz, andere Hardcore, Rap oder Ska. Die Bands die wir mögen sind daher so zahlreich, dass es unmöglich ist, sie alle zu nennen. Aber wir mischen diese Einflüsse und vereinen sie zu Ska-Punk. Bands, die wir alle mögen und die uns sicher am meisten beeinflusst haben, sind NOFX, BIG D AND THE KIDS TABLE, STREETLIGHT MANIFESTO, CAPDOWN, BOMB THE MUSIC INDUSTRY und viele mehr.
Wie seid ihr mit Übersee Records, die aus meiner Heimatstadt kommen, in Kontakt gekommen?
Wie ich vorhin schon sagte, haben wir mit dem Album bei Long Beach Records Europa, bei Übersee und bei Gurilla Asso unterschrieben. Als wir unsere CDs an die Plattenfirmen verschickten, meldeten sich alle drei Labels, um uns zu signen. Wir konnten uns nicht wirklich entscheiden, denn Long Beach Records hat einen legendären Namen für uns (SUBLIME) und Gernot erzählte uns, was er mit uns und für uns tun wollte. Und das war einfach großartig für uns, der Deal war super und so unterschrieben wir. Übersee schätzen wir ebenfalls sehr für den großartigen Job, den sie tun, und auch der Deal war wirklich gut. Schließlich unterschrieben wir auch bei Guerilla Asso, welches eines der bekanntesten Labels in Frankreich ist, aber in allen Belangen auf DIY setzt, sich aber wirklich um seine Bands kümmert. Daher schlugen wir allen drei Labels vor, unser Album gemeinsam herauszubringen und sie machten es, und schnell war ein Abkommen zwischen uns und den drei Plattenfirmen gefunden.
Erzähl uns doch mal etwas über die Ska- und Punkszene in Frankreich und besonders in Nancy. Komischerweise ist aus Frankreich in Deutschland nicht viel zu hören, hier sind französische Bands kaum bekannt, wie kommt das?
Wir haben auf jeden Fall eine aktive Punk- und Ska-Szene in Frankreich. In unserer Heimatstadt Nancy aber gibt es nur einige wenige Bands, die auch nicht viel touren, vielleicht mit Ausnahme der FLYING DONUTS. Wenn wir über Frankreich sprechen, dann gibt es schon so einige Bands: Du hast sicher schon mal von den BURNING HEADS oder UNCOMMONMENFROMMARS gehört. Andere Bands sind auch richtig gut, aber haben in der Regel nur lokalen Status in Frankreich erreicht, wie GUERILLA POUBELLE oder FREYGOLO. Außerdem gibt hier bei uns viele Leute, die hart daran arbeiten, dass sich die Szene bei uns mehr entwickelt. Sie organisieren Konzerte, verbreiten Bands und Konzerte auf den Internet Fanzines, in Magazinen, promoten Bands, buchen Touren und vieles mehr. Frankreich rockt einfach weniger als es Deutschland tut, und so ist es hier bei uns richtig schwierig für eine unbekannte Band auftreten zu können, da die meisten Leute auch nur zu einem Konzert kommen, wenn sie die Band wirklich gut kennen. Daher nimmt kaum ein Promoter das Risiko auf sich und lässt unbekannte Bands spielen, da er nicht wissen kann, wie viele Leute kommen und ob er überhaupt in der Lage ist, die Bands nach dem Konzert zu bezahlen. Spielen können Bands immer, aber es ist halt nicht sicher, ob am Ende genug Geld übrig ist, um den Bus oder den Sprit bezahlen zu können.  Du findest das gleiche Problem auch bei den großen und bekannten Bands. Die Support-Bands spielen da vor 50 Leuten, während sich die restlichen 450 Besucher an der Bar aufhalten oder später kommen. Aber wie ich schon sagte, eine ganze Reihe an Leuten geben alles für die Szene und versuchen Änderungen herbeizuführen und eine Entwicklung zu bewirken, und so weiter…
Was habt ihr als nächstes geplant?
Wir haben eine Menge Konzerte vor uns, insbesondere in Deutschland, wo unsere Platte gerade erst herauskam. Dort starten wir im Februar 2008 eine längere Tour. Im April sind wir dann in Kanada unterwegs, wenn alles gut geht. Zwischen diesen Tourneen sind Wochenendkonzerte, Wochenendkonzerte und noch mal Wochenendkonzerte geplant…Wie ich schon sagte, wir lieben es auf der Bühne zu stehen, hehe… Außerdem werden wir  einige Demos von neuen Songs aufnehmen, die dann auf einem neuen Album Ende 2008 oder Anfang 2009 eingespielt werden.
Hast du zum Ende noch ein paar abschließende Worte für unsere Leser?
Danke für das Interview und die Unterstützung, das bedeutet uns sehr viel. Schaut mal auf unserer Internetseite vorbei, auf der Myspace Seite auch, geht in Kontakt mit uns, hört unsere Songs und schaut mal bei einer Show vorbei, das würde uns freuen...
Seb, danke für das interessante Interview!



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