Geschrieben von Montag, 04 März 2019 12:05

Turbobier - Interview mit Dr. Marco Pogo zu "King Of Simmering"

Dr. Marco Pogo befindet sich mitten in der Tour mit WIZO, für die TURBOBIER einige Konzerte eröffnen dürfen, als wir ihn am Telefon erwischen. Er fühlt sich eigentlich relativ entspannt, achtet auf ausreichend Schlaf: "Wenn man manchmal um 3 Uhr ins Bett geht, anstatt um 6 Uhr, dann kann das dem Ganzen schon zuträglich sein." Das Vorgängeralbum "Das Neue Festament" ist nun zwei Jahre alt und nach ungefähr einem Jahr Touren startete der Doktor schon mit dem Schreibprozess für das aktuelle Album "King Of Simmering".

Von jeher identifiziert er sich stark mit seinem Bezirk Simmerung, der Albumtitel klärt sozusagen die Fronten: "Ich habe da schon was zu melden, man muss aber auch schon Flagge zeigen. Patriotismus finde ich aber nur dann gut, wenn es Lokalpatriotismus ist und kein Nationalpatriotismus. Wenn man einmal in Simmering war, sieht man sofort, was ich meine. Es ist nämlich wirklich ein toller Bezirk, architektonisch ist das jetzt kein Florenz, aber es hat seine schönen Ecken und da bin ich ganz gerne."

Marco Pogo, der komische Typ aus Simmering?

In jedem Bezirk gibt es diesen einen komischen Typen, der da immer rumschlawenzelt und den alle kennen. Ob das im Falle von Simmering Marco ist, beantwortet er ganz souverän: "Na ja, sonst würde ich das Album ja nicht so taufen. Und ich bin sowieso der Meinung, dass jeder 'King of Simmering' sein kann. Das ist mehr eine Einstellungssache", lacht er. "Und auch wenn das auf meine Person gemünzt ist, glaube ich dennoch, dass Simmering nur ein Platzhalterbezirk ist. Wenn man aus Köpenick oder Köln-Porz kommt, kann man auch da King sein." Natürlich kann es auch mehrere geben, alles andere wäre faschistoid.

"Heute fahr ma Polizei" ist der Opener von "King Of Simmering". Ein Song, der gleich aus dem Rahmen fällt und die Deutschen mit dem in Österreich durchaus bekannten Paul Pizzera bekannt macht. "Bei einem bis vier Bierchen haben wir beschlossen, dass wir das machen. Es fällt aus dem Schema F heraus, aber so epochale Hitalben, wie "Das Neue Festament" oder "Irokenstango" sind ja schon da. Man muss es ja nicht nochmal machen. Man kann auch beginnen, in anderen Kategorien zu denken. Und weil jetzt ein Song mal so klingt, heißt es ja auch nicht, dass die alten Alben weg sind."

Die Lösung für jemanden, der sich nach dem alten Saufpunk von TURBOBIER sehnt, ist für Marco ganz einfach: "Der kann ja dann Album eins hören, das nimmt ihm ja keiner weg." Die Entwicklung von TURBOBIER ist nicht nur mutig, sondern auch wichtig. Dass Marco das letzte Mal Polizei gefahren ist, ist allerdings schon etwas her: "Ich finde, dass das zu einer gut durchlebten Jugend dazugehört, mindestens einmal hinten im Streifenwagen gesessen zu haben. Das kann im Rahmen einer strafbaren Handlung sein oder zur Freizeitbelustigung, wenn der Polizist einfach vergessen hat, sein Auto abzusperren."

Innenminister Kickl fand die Bitte, die Band noch ein Stückchen des Weges zu geleiten, nicht so toll. Zumindest berichtete die Österreicher Presse entsprechend auf die natürlich nicht ganz ernst gemeinte Aufforderung: "Wir hoffen, dass Kickl uns jemals weder privat noch in seiner Rolle als Innenminister nach Hause fährt. Aber ein guter Reim ist es allemal."

Im Song "VHS" setzen sich TURBOBIER mit der guten, alten Zeit und der Angst vor dem Vergessen auseinander: "Ich glaube, dass viele Leute diese Angst haben oder viele auch oft das Gefühl haben, dass es nie wieder so gut wird, wie heute. Es ist eine dreckige Popnummer, auch wenn es noch den TURBOBIER-Anstrich hat. Es ist ein sehr schöner und ehrlicher Song geworden, mit einem Gefühl, das jeder kennt."

Es ist wirklich viel passiert seit dem letzten Album. In Bezug auf TURBOBIER ist die Chance, dass alles zu schnell ging und man einiges vergisst also wirklich nicht unbegründet. "Es war in der Menge so viel, man vergisst wirklich einiges. Aber retrospektiv, wenn man sich die Konzertliste ansieht, dann fällt einem Vieles wieder ein", lacht Marco. "Und zum Glück gibt es ja das Internet, da ist alles auf 50 Millionen Jahre gespeichert und dann weiß ich auch, dass ich mit TURBOBIER  letztes Jahr in China und Japan spielen durfte."

Allerdings beißt sich die Katze in den Schwanz, denn die Zeit, die man für den Blick nach hinten braucht, fehlt einem wieder für die Zukunft. Und ändern kann man sowieso nichts mehr, allerdings ist Marco auch zufrieden mit seinen bisherigen Entscheidungen: "Ich habe schon viel richtig gemacht. Allerdings hätte man einige Dinge auslassen können. Zum Beispiel, dass ich mal Natur Radler gekostet habe, das würde ich echt gerne rückgängig machen. Zufällig und das trifft mich noch immer hart."

Der Aufnahmeprozess zu "King Of Simmering" in Vorarlberg war größtenteils auf dem Instagram-Kanal von TURBOBIER  nachvollziehbar. Der Doktor macht viele Dinge alleine, immer mal wieder unterstützt von der so genannten Turbobande. Das ist eine Gruppe aus einem Dutzend unterschiedlicher Musiker, die Marco live begleiteten, wenn sie nicht gerade auf Reha waren. Die Songs stammen allerdings alle aus seiner Feder, ebenso das Coverartwork.

Alles, was Saiten hat, kann er selbst spielen: "Wer jemals in seinem Leben eine Bassgitarre in den Händen gehalten hat, der weiß auch, dass da nicht so viel dazugehört." Dass eine Person hauptverantwortlich für die meisten kreativen Prozesse innerhalb einer Band ist, ist nicht unüblich. Dass jemand wie Marco Pogo diese Dinge auch wirklich gut kann, fällt allerdings auf. "Das nehme ich jetzt als Lob", freut sich Marco.

"Leute sollen sich nicht so viel zanken und das Leben etwas lockerer nehmen"

In "Zgroße Schuach" setzt er sich erneut mit Miesepetern auseinander. Leute, die sich und ihre Umwelt zu ernst nehmen, findet er eher peinlich: "Das Thema ist mir schon wichtig, absolut. Leute sollen sich nicht so viel zanken und das Leben etwas lockerer nehmen. Es sollte Spaß sein und lustig. Dass alle Menschen gleich sind, habe ich auch schon einige Mal gesagt. Die Nummer spielt darauf an, dass materielle Güter nicht das Wichtigste sind. Mit seinen Freunden etwas zu machen ist besser, als das teuerste Auto oder die teuerste Wohnung zu haben."

Die Erkenntnis kam bei ihm nicht mit dem Alter, welches er allerdings nicht verraten möchte. Grundsätzlich fährt Marco Pogo eine konsequente Schiene, ist sich dem Kunstanspruch und der daraus resultierenden Kunstfigur Doktor Marco Pogo schon bewusst. Der einzige Unterschied zu anderen Musikern wird wahrscheinlich der sein, dass TURBOBIER die Kunstkarte bewusst und offen ausspielen. Eine Vorgehensweise, die über die Jahre im Musikbusiness leider etwas verloren gegangen ist. Hans Hölzl kennen auch die Wenigsten, während FALCO wohl jedem ein Begriff sein sollte.

King of Simmering Turbobier Cover

"Der TURBOBIER-Feldzug im asiastischen Raum ist quasi gottgegeben"

TURBOBIER haben im letzten Jahr eine Tour durch China und Japan erfolgreich hinter sich gebracht. Denkt man an das Gerücht, dass Asiaten keinen Alkohol vertragen sollen, wäre das dann aber die falsche Zielgruppe gewesen: "Nein, die sind ganz schön stark am Glas, was mir persönlich sehr gut gefällt. Der gemeine Japaner geht nach der Arbeit sich noch schön einen reinstellen und dann erst heim. So gesehen war der TURBOBIER-Feldzug im asiatischen Raum quasi gottgegeben." Da die österreichischen Fluglinien mittlerweile regelmäßig nach Tokyo fliegen, ist man dort schneller, als von Wien im Ruhrgebiet.

Im Vorfeld der Veröffentlichung von "Das Neue Festament" haben TURBOBIER mit einer Eisrevue richtig aufgetrumpft. Für das neue Album "King Of Simmering" wurden nun eine Handvoll Wirtshauskonzerte angekündigt. In diesem Fall geht es Marco Pogo um die Besonderheit, die so ein kleiner Rahmen bietet, auch wenn die Band locker größere Hallen füllen könnte: "Es stand im Raum, in einem Stadion zu spielen, aber dann fiel die Entscheidung doch auf das Gasthaus Brigitte. Die Brigitte liegt direkt am Zentralfriedhof, da wo FALCO schläft und da sind sonst immer nur Leichenschmäuse und da war noch nie Rockmusik. Jetzt stellen wir eine Bühne hin und schauen mal, wie lange es dauert, bis die Polizeit kommt." Fahrservice á la TURBOBIER will man meinen.

Das Album ist auch mit einer Bonus-CD erhältlich. DIE SIMMERINGER HÜSNJÄGER haben ihre drei größten Hits zum ersten Mal auf CD gepresst, Marco erinnert sich an ein Konzert der Band: "Das waren keine Livekonzerte, das waren Hinrichtungen!" Wer jetzt an die SCHWARZWÄLDER KIRSCHTORTEN denkt, der ist ganz auf dem richtigen Weg.