Geschrieben von Dirk Dienstag, 20 November 2007 09:32
Thin Lizzy & Anthem Of Deaf - Köln / Live Music Hall
19.11.07 - THIN LIZZY ist definitiv eine, oder besser DIE Band, die ich mir wöchentlich ansehen könnte, ohne dass es mir langweilig werden würde. Und das, obwohl sie seit Jahren mit dem mehr oder weniger selben Programm unterwegs sind. Wenn ich mir aber die Publikumsreaktionen in der Vergangenheit vor Augen führe, ist immer der Wunsch der Fans da, die Band zu sehen. Die Musik von Phil Lynott hat eben über all die Jahre noch keinen Staub angesetzt, und vor allem John Sykes und Scott Gorham sorgen mit bewundernswerter Beharrlichkeit dafür, dass dies in der nächsten Zukunft auch nicht passieren wird. Und dafür kann man den beiden nicht oft genug danken.
Grund für diesen Abstecher ins mal wieder nasskalte und ungemütliche Köln war die Tatsache, dass man den 30. Jahrestag der Veröffentlichung der Mutter aller Live-Alben „Live & Dangerous“ feiern wollte, denn dieses Album hat damals tatsächlich Maßstäbe gesetzt. Und da dieser Gig der einzige in unserer Republik sein sollte, war die Fahrt auf die andere Rheinseite natürlich eine Pflichtveranstaltung.
Die Live Music Hall war gut zu zwei Drittel gefüllt, als pünktlich um 20:00h die kurzfristig gebuchte und gar nicht erwartete Supportband ANTHEM OF DEAF auf die Bühne kam.
Die fünf jungen Schweizer, die einen sehr LED ZEPPELIN-angehauchten Hard Rock der Marke 70er Jahre spielten, wussten nicht nur durch ihr sympathisches Auftreten zu gefallen, sondern auch durch die wirklich tolle Perfomance ihrer Songs, die sie sehr motiviert und mit viel Spaß unter das dankbare Volk brachten, das immer wieder freundlich applaudierte.
Auch wenn die große Explosion im Publikum ausblieb, wussten die Eidgenossen trotzdem mit tighten Rockern wie „Lady“ und „City Of Love“ verhaltene Begeisterung zu erzeugen.
Ich denke aber, die Jungens haben ihre Chance und die 40 Minuten Spielzeit gut genutzt und mit Sicherheit den ein oder anderen neuen Fan dazu gewonnen, denn ihre CD verkaufte sich anschließend ziemlich ordentlich, zumindest dem nach, was ich so beobachten konnte.
Nach 30 Minuten Umbaupause ging das Licht erneut aus, meine obligatorische THIN LIZZY Gänsehaut machte sich schon mal langsam warm, während John Sykes, Scott Gorham, Tommy Aldridge und der neue Basser Francesco diCosmo, der den anscheinend mit Soloaktivitäten beschäftigten Marco Mendoza ersetzte, unter großem Jubel die Bühne betraten.
Mit Sirenengeheul wurde ein fulminantes „Jailbreak“ eingeleitet, und schon nach dem ersten Song war klar, dass die Band mal wieder sehr gut drauf war. Allerdings war mir vom Sound her die Gitarre von Jon Sykes den ganzen Gig über etwas zu leise, was aber auch an unserem Standort gelegen haben mag.
„Waiting For An Alibi“ und „Don’t Believe A Word“ brachten die Band und die Fans dann auf Betriebstemperatur. Lustig war es, Basser Francescos Grimassen beim Spielen zu beobachten. Irgendwie scheinen die Fingerspitzen seiner Zupfhand mit seinen Augenbrauen verbunden zu sein, denn die sprangen wirklich bei jeder Aktion seiner Finger zentimeterweit nach oben. Mal ganz davon abgesehen, dass dies ziemlich lustig aussah, machte der Italiener mit seiner Perfomance einen sehr sympathischen Eindruck, und spielte die Bassläufe von Phil Lynott absolut perfekt runter.
„Massacre“, „Cold Sweat“ und „Are You Ready“ zeigten anschließend wieder einmal eindrucksvoll, dass die Songs, die Phil Lynott geschrieben hat, zeitlose Klassiker sind, was man nicht nur am Publikum sah, das fast alle Altersgruppen abdeckte, und egal ob 16 oder 60, die Songs lauthals mitsang, sondern auch an der unglaublichen Spielfreude der gesamten Band.
„Emerald“ sorgte dann dafür, dass die Gänsehaut bei mir Extrarunden drehte, bevor es mit „Dancin’ In The Moonlight“ mächtig groovig wurde, und zum ersten Mal an diesem Abend die Leute vor der Bühne lauter waren als John Sykes. Mag sein, dass ich vielleicht ein bisschen sentimental bin, oder in manchen Momenten zu nah am Wasser gebaut habe, aber bei „Still In Love With You“ stehen mir regelmäßig die Tränen in den Augen, und so war es auch diesem Abend. Wahnsinn, wie viel Gefühl Scott Gorham immer wieder in dieses unglaubliche Gitarrensolo legt.
Bei „Bad Reputation“ folgte dann das mittlerweile schon Kult gewordene Schlagzeugsolo von Tommy Aldridge, der irgendwann in dessen Verlauf die Sticks in die Ecke schmeißt, und mit bloßen Händen und Fäusten weiterspielt. Und obwohl ich das jetzt schon öfter bei THIN LIZZY und auch bei WHITESNAKE live gesehen habe, beeindruckt es immer wieder aufs neue und bestätigt die Tatsache, dass Tommy nicht umsonst als „one of the hardest hitters“ hinter den Drums gilt und für jeden Drumroadie eine wahre Herausforderung darstellt - weil es wohl kaum einen Drummer gibt, bei dem so oft die Snaredrum gewechselt werden muss.
Bei „Suicide“ fiel mir dann, wie bereits schon beim Auftritt im Rahmen des Sweden Rock auf, wie nah John Sykes mittlerweile mit seinen Vocals dem Original kommt, je länger er mit THIN LIZZY unterwegs ist. Wenn man live bei diesem Song einfach mal die Augen schließt, könnte durchaus der Mainman himself am Mikro stehen.
Zum „Cowboy Song“ muss man kaum noch Worte verlieren, alleine schon der Beginn dieses Lieds, bei dem fast die komplette Live Music Hall mitsang, ist schon eine Ohrenweide. Außerdem weiß man hier auch immer ganz genau, was als nächstes kommt, denn der Song geht nahtlos in „The Boys Are Back In Town“ über, den Song, den sogar jeder nicht THIN LIZZY Fan kennen dürfte, so oft wie der schon gecovert wurde. Leider war danach auch schon das erste Mal Schluss, und die Zeit ist mal wieder verflogen.
Allerdings kam die Band mit drei Zugaben noch mal zurück, wobei „Southbound“ eine echte Überraschung war, denn den Song habe ich, ehrlich gesagt, bisher noch nie live gehört. Kein Wunder, denn nach Aussage von John Sykes haben sie ihn auch erst dreimal gespielt.
„Rosalie“, das tolle Bob Seeger Cover, durfte natürlich im Zugabenteil auch nicht fehlen, und wie immer kam mit „Black Rose“ mein abslouter THIN LIZZY Song zum Schluss, und meine Gänsehaut kann jetzt aufgrund der vielen Extrarunden erstmal ein paar Wochen in Reha gehen. Und auch die Stimme hat mal wieder erheblich gelitten.
Fazit: Mir wird es nie langweilig werden, immer und immer wieder dieselben Songs von THIN LIZZY live zu hören, wenn sie weiterhin mit so viel Liebe, Spielfreude, Inbrunst und spielerischer Qualität dargeboten werden. Und jeder, der die Band noch nicht live gesehen hat, sollte diesen Umstand beim nächsten Gig in seiner Nähe sofort ändern.
Man kann John Sykes und Co. nicht oft genug danken, dass sie mit ihrem Engagement diese Musik weiterhin so lebendig halten, und jedes Mal wieder jede Strophe und jede Note dem Mann widmen, der uns diese geilen Songs geschenkt hat. Phil wäre stolz auf euch, da bin ich mir sicher.
Setlist THIN LIZZY:
Jailbreak
Waiting For An Alibi
Don’t Believe A Word
Massacre
Cold Sweat
Are You Ready
Emerald
Dancin’ In The Moonlight
Still In Love With You
Bad Reputation
Drum Solo
Suicide
Cowboy Song
The Boys Are Back In Town
---
Southbound
Rosalie
Black Rose
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