Anaal Nathrakh – Vanitas Tipp

Anaal Nathrakh Vanitas


Stil (Spielzeit): Black Metal/Grindcore (39:03)
Label/Vertrieb (VÖ): Candlelight Rec. (15.10.12)
Bewertung: 9/10

Myspace
Facebook

„Es ist alles eitel." Buch Kohelet 1, 2 – das heißt „Vanitas", also soviel wie „alles ist vergänglich". Ob die mittlerweile siebte Platte des britischen Duos zeitlos ist, wird sich noch zeigen.
Seit vierzehn Jahren ist Mick Kenney unter dem Pseudonym „Irrumator" der Macher von ANAAL NATHRAKH. Mit tatkräftiger Gesangsunterstützung des BENEDICTION-Sängers V.I.T.R.I.O.L. wurde gerade mal ein gutes Jahr nach dem letzten Output die neue Platte „Vanitas" fertiggestellt, so dass man schnell auf den Gedanken kommt, es zähle die Quantität statt der Qualität. Doch ich würde behaupten, bei den Briten ist beides hoch angesiedelt.

Sakraler Einstieg – kann das sein? Ah, da kommt das Geknüppel auch schon um die Ecke und die kranken Vocals sind wie eh und je ein extremer Genuss, der als Markenzeichen von ANAAL NATHRAKH gelten könnte.
Schon im zweiten Song hat man das Gefühl, dass das Hin- und Herspringen zwischen unmenschlich verzerrtem Kreischen, tiefen Growls und diversen anderen Gesangsarten auf die Spitze getrieben wird. Auch wenn das meiste von der Truppe schon einmal dargeboten wurde, müssen sie doch noch einmal eine vergiftete Sahnehaube draufsetzen. Daher wird am Ende dieses Songs geprüft, wie lange der Mann am Mikro Luft für seinen Schrei hat – und er hat viel Luft!
Dagegen beginnt „Todos Somos Humanos" fast human, auch wenn das Tempo wie meistens ziemlich flott gehalten ist. Hier hat Irrumator ganze Arbeit geleistet, denn der melodische Chorus geht schon von den ersten Tönen an ins Ohr und bleibt ohne Probleme an der Innenwand kleben. Kaum zu glauben, aber manche Riffs könnte man hier fast mit pfeifen.
Dafür werden zu Beginn von „You Can't Save Me, So Stop Fucking Trying" schwer groovende Riffs aufgefahren, die jeden Nacken zum Zucken bringen, bevor später starke Industrial-Einflüsse eingebaut werden und der Wahnsinn sich in Blastbeats, Disharmonien und schwierigeren Strukturen äußert. Interessanterweise werden jedoch selbst in diesem brutalen Song wohlklingende Gitarrenmelodien eingefügt, so dass das Trommelfell noch keine Risse bekommt.

Manchmal könnte man meinen, der Songaufbau von ANAAL NATHRAKH wäre zu oft ähnlich. Heftig verzerrte Riffs, die im Höchsttempo geschreddert werden, superfiese Vocals und ein halbwegs catchy Chorus. Doch dann wird es doch wieder einmal anders.
„Make Glorious The Embrace Of Saturn" beginnt zwar chaotisch, wirkt bald aber wie ein Melo-Death-Song mit einer Spur mehr Aggression als so manche Skandinavier-Band.
Passend zum Titel kommt es einem in „Feeding The Beast" so vor, als ob man sich langsam an einen Käfig heranschleicht, in dem wild ein kreischendes Viech sitzt und mit seinen Krallen an den Eisenstangen ohrenzerfetzende Töne kratzend erzeugt. „A Metaphor For The Dead" wagt zum Abschluss dafür wunderbar theatralisch-klaren Gesang und ist als apokalyptische Endzeithymne atmosphärisch eine tolle Mischung aus Brutalität und Weltschmerz mit Doppel-Leads.

In einem Interview sagte Mick einmal, die gemein klingenden Vocals kämen unter anderem zustande, indem die Jungs ein uraltes Mikrofon gefunden haben, welches sie seitdem zu den Aufnahmen benutzen und das eben seinen eigenen "Charme" hat. Auch wenn man sich kaum vorstellen kann, dass bei V.I.T.R.I.O.L. alles ohne Verzerrung ablaufen soll.
Lange Zeit dachte ich, inwiefern man ANAAL NATHRAKH nur mit Black Metal identifizieren kann, aber es gibt einige Momente, da kommen mir zum Beispiel DARK FUNERAL in den Sinn, deren High-Speed-Geholze in eine ähnliche Kerbe schlägt. Natürlich toppen die Engländer das Ganze mit aberwitzig krassem Gesang und kleinen Sondermerkmalen, die genügend Abwechslung bieten, dass auch diese Platte Spaß macht, wenn man es durchhält, sich knapp vierzig Minuten Irrsinn in musikalischer Form in die Ohren blasen zu lassen.
Auf gleich bleibend sehr hohem Niveau ist „Vanitas" ein vielfältiges und doch eindeutiges ANAAL NATHRAKH-Album geworden, das einem sehr reichhaltig in den Hintern tritt.
Manuel

"Größtenteils harmlos."