Stil (Spielzeit): Screamo/Emo/Punk/Metalcore (48:01)
Label/Vertrieb (VÖ): Lumberjack/ Morddam Music Group (28.06.06)
Bewertung: 8,5/10
Link: http://www.myspace.com/alesana
http://www.alesanarock.com/
ALESANA – eine Band, die mich selbst in ziemlich viele Widersprüche verwickelt.
Denn auf der einen Seite scheinen sie wirklich so ziemlich jedes Klischee mitzunehmen und auf der anderen Seite legen sie hier eine Platte ab, die sich bereits in meinem CD-Player fest gefräst hat.
Klischee Nummer1: Eine Screamo-Platte, bei der er es nur um Herzschmerz geht. In jedem Lied scheint der Sänger sterben zu wollen oder seine Ex umzubringen. Auch fließen hier in den Texten literweise Tränen, Blut und einmal auch noch ganz andere Körperflüssigkeiten.
Klischee Nummer2: Die sechs Jungs stehen David Backham in Sachen Metrosexualität in nichts nach. Wenn man den Kajal und die Frisuren zusammenrechnet, könnte man von der Tourplanung her auch überlegen, ob sich ein mobiler „Makeup-Artist“ lohnen würde. Also mir wäre so ein Bandfoto peinlich…
Klischee Nummer3: Ihre Musik ist exakt die Schnittmenge zwischen Emo, Punk, Hardcore und Metalcore - trotzdem bleiben sie dabei irgendwie auch „poppig“. Und es wird natürlich aus voller Kehle (bzw. aus drei Kehlen) geschrieen. Wobei der Mann für die cleanen Passagen extrem hoch singt.
Also praktisch alles, was man in den letzten Jahren schon zur Genüge gehört hat.
Das Seltsame: Die Platte begeistert mich von vorne bis hinten! Zu jedem Moment! In jedem Song! OK, am Schluss geht die Begeisterungskurve nicht mehr so steil nach oben, aber trotzdem. Nicht, dass hier irgendwas Neues geboten würde, aber der Stilmix ist so sicher und überzeugend, das es mir den Atem verschlägt. Das Songwriting steckt so voller kleiner Details und gut gemachten Passagen das man sich wirklich fallen lassen und sich voll auf die Platte konzentrieren kann, ohne einen Moment der Langeweile befürchten zu müssen.
Fangen wir mit dem Gesang an. Wie gesagt, hier findet sich einmal Gesang (sehr hoch und extrem „Emo“) und zweimal Geschrei. Wie ich bereits zum Vorgänger von 2005 geschrieben habe, klingen die beiden Schreier ein wenig wie Gremlins auf Drogen, da sie die ganze Zeit wie tollwütige Tiere (eventuell aber noch Jungtiere) herumschreien oder „growlen“. Das ganze wirkt dadurch ziemlich hysterisch (muss man vermutlich einfach mögen – sonst klingt es albern). Aber die Art und Weise, wie der Gesang aufgeteilt ist, darf den Hörer auch mal an TAKING BACK SUNDAY denken lassen. Nur das es hier nicht zeilenweise, sondern jeder Satz, teilweise Wort für Wort aufgeteilt wird. Wie gesagt, aufgeteilt zwischen Schreien, Singen, Growlen und Krächtzen – ich glaube, ich erwähnte das Wort „hysterisch“ bereits. Dafür gibt es in vier Songs aber noch Unterstützung durch eine Frauenstimme, die jene des Sängers wunderbar umschmeichelt. Bei einem Song singt auch der Produzent, Mischer und Labelkollege Kit Walters (seines Zeichens Sänger der unvergleichlichen SCAPEGOAT) mit. Und einige der Songs warten mit einfach fantastischen Melodien auf. Hier scheint sich in meinen Ohren beinahe Hit an Hit zu reihen, weswegen ich einzelne Songs gar nicht großartig herausheben will. Zusätzlich gibt es dann immer noch wieder kleine Details wie gesprochene Passagen, die nicht künstlich sondern 100prozentig Songdienlich sind als Sahnehäubchen.
Aber auch die instrumentale Seite lässt mich Loblieder singen. Tolle Riffs, unerwartete Breaks, sogar ein paar richtig gute und noch nicht ausgenudelte Breakdowns (Wer A DAY TO REMEBER mag, sollte hier gut zuhören), Pianopassagen (von Shawn Mike, dem das Gitarrespielen und Schreien noch nicht genug ist), Geschwindigkeit und flüssiges Songwriting. Beim Opener der Platte gesellt sich sogar ein „Beinahe-GUNS N ROSES-Part“ ans Ende des Songs. Andere Bands an die ich dauernd beim Genuss der Platte denken musste, sind FROM FIRST TO LAST und MY CHEMICAL ROMANCE. MCR vor allem, wenn man sieht was für einen Sprung ALESANA auf „On Frail Wings Of Vanity And Wax“ gemacht haben, wenn man es mit ihrem Vorgänger „Try This With Your Eyes Closed“ vergleicht. Sowohl in der Beherrschung ihrer Instrumente als auch im Songwriting. Natürlich geht es auch hier darum, gute Hooks hinzukriegen, aber darunter muss die Detailverliebtheit ja nicht leiden, wie ALESANA deutlich beweisen.
Wenn ich mich hier selber so schwärmen sehe, weiß ich gar nicht genau, warum ich nicht mehr Punkte gebe. Aber wie gesagt, der Gesang und die Aufteilung des Geschreis ist auf jeden Fall ziemliche Geschmackssache und wie viele Punkte müsste ich dann einer Band geben, die a) die oben genannten Klischees vermeidet und b) noch mehrere oder einfach eigenständigere Einflüsse mitbringt? Ich bin mir aber trotzdem ziemlich sicher, dass dies Album am Ende des Jahres in meiner Top 10 landen wird.
p.s. Ach ja, wir (also ich und die Welt) könnten uns jetzt eigentlich darauf einigen, dass ab jetzt alle folgenden Screamoplatten dieses Niveau halten können oder wir uns langsam mal anderen Sachen zuwenden – ne, war nur Spaß, schreit ruhig weiter!