Geschrieben von Kai Donnerstag, 01 Dezember 2011 19:19
Chuck Ragan - Interview mit dem Sänger und Gitarristen zur Revival Tour, Hot Water Music und anderen Projekten
CHUCK RAGAN ist ein vielbeschäftigter Mann. Er spielt bei HOT WATER MUSIC, einer der unbestreitbar einflussreichsten Punk/Posthardcorebands überhaupt, und veröffentlicht unter seinem eigenen Namen Solo-Alben, die ihn von einer eher folklastigen Seite zeigen. Dazu ist er seit ein paar Jahren noch Initiator und Teil der Revival-Tour, bei der in diesem Jahr Brian Fellon (THE GASLIGHT ANTHEM), Dave Hause (THE LOVED ONES) und Dan Andriano (ALKALINE TRIO) dabei waren. Und da man gerne mehr von interessanten Persönlichkeiten erfährt, stellten wir Chuck einige Fragen. Bühne frei für den Sympathiebolzen.
Wenn du dir irgendjemanden aussuchen könntest: Was wäre für dich die perfekte Besetzung für die Revival-Tour?
Ich könnte dir nicht mal ansatzweise erklären, wie lang diese Liste wäre. Von Steve Earle zu Neko Case zu Jacob Dylan zu Jeff Tweedy, Middle Brother und noch so viel mehr. Eines der herausragensten Dinge an der Tour ist, dass wir sie immer ändern und immer in Bewegung bleiben. Die individuellen Ansichten und Stile mögen zwar variieren, aber die umfassende Kameraderie, auf der diese Tour aufbaut, ist bisher bei jedem Lineup gleich gewesen.
Ich habe euch in Münster gesehen, mit ca. 1500 Leuten. Ist das so eine Durchschnittszahl für euch?
Auf der jetzigen Tour war das so ziemlich der Durchschnitt, ja. Mal haben wir in kleineren, aber mal auch in größeren Läden gespielt.
In wie weit ist die Tour in Europa anders als in den USA?
Diese letzte Europatour fand im allgemeinen in größeren Hallen statt. In den Staaten kommen wir da noch nicht in so große Läden rein. Der Rest fühlte sich eigentlich ziemlich genauso an, wie das, was wir in den Staaten und Australien gemacht haben. Die Energie und die Publikumsreaktionen waren einfach gut!
Ist eigentlich vor jeder Show klar, wer mit wem spielt oder gibt es da auch zufällige Zusammenarbeiten?
Das haben wir schon auf beiden Wegen so gehabt, und es gibt wohl keine zwei Nächte, die komplett identisch sind. Viele Songs werden aus einer spontanen Laune heraus gespielt, was einer der Gründe dafür ist, warum die Tour so aufregend sein kann. Zum einen sind das nämlich einfach mehre aufeinander folgende Gigs, aber aus der Musikersicht ist es eines der spannensten Dinge überhaupt. Immer auf der Kante sein und immer schauen, was als nächstes passiert. Da gibt es dann Songs, die gut funktionieren und die wir dann immer wieder spielen, also ist ein Teil wohl vorher bekannt. Aber zum Großteil ändern und probieren wir.
Was macht ihr denn, wenn ihr da grade nicht auf der Bühne seid und auf eure Auftritte oder Gastauftritte wartet?
Ha! Zum Großteil reden wir darüber, wann wir auf die Bühne gehen und was wir da spielen wollen – es sei denn, wir haben eine fertige Setlist. Aber auch die scheint sich immer öfter mal zu ändern. Jeder ist da anders und ich habe Musiker gesehen, die alles von Zurücklehen und die Show genießen bis hin zu Essen, Waschen, Telefonieren, Filme sehen, Bücher lesen oder sich um's Business kümmern machen. Aber die meisten von uns halten ein Auge und Ohr offen, um mitzubekommen, wann wir dran sind. Das weißt du da nie so genau.
Warum nennt ihr es eigentlich "Revival Tour"?
Für viele von uns, die auf diesen Touren mitgemacht haben, hat diese Art des Tourens nicht nur die Art und Weise wieder aufgefrischt, wie Familien oder Gemeinden früher Musik geteilt haben, sondern auch unseren Glauben an Musik, Kameraderie zwischen Musikern und dem Publikum wieder erneuert.
Ich habe dich mal bei HOT WATER MUSIC in Hannover getroffen. Du bist zu jedem extrem nett gewesen und schienst wirklich gut drauf gewesen zu sein, hast Hände geschüttelt und jeden begrüßt. Bist du da schon immer so drangegangen, oder hat sich das entwickelt?
Ich bin in einem Haushalt groß geworden, der nach der goldenen Regel gelebt hat, dass du andere so behandeln sollst, wie du selber behandelt werden möchtest. Also zum Großteil ist das wohl Erziehung, die mein Bruder und ich genossen haben. Über die Jahre habe ich auch gelernt, dass es einfach ein guter Lebensweg ist und ich das definitiv auch meinen Kindern mitgeben möchte. What goes around comes around, and we will get what we give. Ich begegne den Leuten auf Shows mit Respekt, Ehrlichkeit und einem Lächeln, denn das bekomme ich auch von ihnen. Das ist eigentlich ziemlich simpel.
Du bist in HOT WATER MUSIC, auf der Revival Tour und machst noch Solo-Platten. Arbeitest du noch neben der Musik?
Nur an meinem Haus und im Garten, und dann organisiere ich noch Touren, Alben und ein Plattenlabel zusammen mit meinem Wirbelwind von Frau.
In diesem Sommer hast du ja Solo- und HWM-Shows am gleichen Tag gemacht. Wie war das für dich und wirst du das auch weiterhin machen?
Es ist manchmal ganz schön brutal, aber wenn ich so weit weg von zu Hause bin und die Energie dafür habe, fühle ich mich manchmal so, als ob ich die Leute nicht enttäuschen sollte, wenn sie sich wirklich so dafür interessieren. Es ist manchmal ganz schön heftig, aber ich habe keine Angst davor, hart zu arbeiten – was manchmal nicht ganz so gut ist, da ich dazu tendiere, mich zu überarbeiten und meinen Körper und Geist damit kaputt zu machen.
Was wirst du in den nächsten sechs Monaten voraussichtlich tun?
Ich würde sagen, zusammen mit meiner Frau und meinem Hund herumlungern und Filme an einem oder zwei Abenden sehen, etwas Fischen und Jagen, etwas HWM, meine eigene Tour mit SOCIAL DISTORTION um „Covering Ground" supporten, Ferien mit meiner Familie, mehr Musik schreiben, hoffentlich guten Schnee fürs Snowboarden in diesem Winter finden, noch mehr Musik schreiben, Holzböden zu Hause verlegen sowie bergeweise andere Hausarbeit, noch mehr Musik schreiben und aufnehmen, dabei dann die nächste Revival Tour organisieren, für HWM planen – und das alles neben meiner Zeit mit dem wie gesagt besten Hund der Welt und einer unglaublichen Frau.
Famous last Words?
Wenn du allergisch gegen Cashewes bist, iss besser nicht das Pesto in Costa Rica – oder ließ zumindest das Etikett vorher. Danke für eure Zeit, meine Freunde!
Chuck Ragan
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