Geschrieben von Donnerstag, 19 Oktober 2017 10:59

Eskimo Callboy im Interview über "Die Bachelorette", Sexismus und Arschkriecher

Eskimo Callboy im Interview über "Die Bachelorette", Sexismus und Arschkriecher Bild: Christian Ripkens / whitecap-creations.de

Vor der Show im Stuttgarter LKA Longhorn bekamen wir die Möglichkeit, uns in einem chaotischen Interview mit den beiden ESKIMO CALLBOY-Sängern Kevin Ratajczak und Sebastian (Sushi) Biesler im After-Party-Tourbus über die Bachelorette, Arschkriecher, Sexismus, Schneeschuhe und Lyrics auf dem Weg zum Klo zu unterhalten.

Wie geht’s euch?

Sushi: Gut.

Kevin: Gut, also wir haben zwei Tage in München jetzt gehabt und wenn du nichts aufbauen musst den zweiten Tag, da haben wir alles stehen gelassen, war ja alles eingestellt, da hast Du ein bisschen Narrenfreiheit. Und wir dachten: "Ja, dann kannste mal auf die Kacke hauen ..." – und dann haben wir so ein bisschen Party gemacht.

Sushi: Da wird man nachlässig ...

Kevin: Jaja, dann wird man nachlässig. Und deshalb sind wir jetzt ein bisschen am Arsch, aber das ist immer so. Du ruhst dich am Tag aus und zur Show bist du dann wieder wach.

Sushi: Ich werde dann immer noch müder vorher.

Herzlichen Glückwunsch zur neuen Platte.

Sushi und Kevin: Dankeschön!

... mit der hat sich ja ein wenig euer Image verändert.

Kevin: Ja.

Gerade wenn man das mit dem Eskimo Callboy von 2014 vergleicht, beispielsweise. Pinke Gitarren sind schwarz geworden.

Sushi: Ja, wir haben uns gesagt, "so, jetzt ist der Zeitpunkt gekommen – wir werden ja auch alle 30 – wir müssen das mal ein bisschen anziehen und einfach mal das ganze erwachsener gestalten." Wir wollten für uns mal den Sound ein bisschen verändern. Die ganze Partygeschichte, die da vorher ein wenig forciert wurde, die ist ja auch irgendwann einmal vorbei – wir machen ja auch nicht immer Party – obwohl, eigentlich schon. (lacht)

Kevin: Das Ding ist halt, du machst zwar Party und das merkst du auch, wenn du auf Tour bist, aber das Leben besteht ja nicht nur aus Party. Und als Künstler wird das irgendwann auch mal langweilig, nur über Party zu reden und auch nur so wahrgenommen zu werden. Wir haben ja auch ein bisschen mehr Tiefgang, als nur diese Partygeschichten. Das hat uns irgendwann nicht mehr gereicht, daher haben wir jetzt auch ein paar ernstere Texte, ein paar Sachen mit Inhalt und so. Wir sahen uns nicht mehr in irgendwelchen Kostümen.

Sushi: Hat man ja vorher schon gemerkt, aber wir haben auch dieses Mal versucht, den Sound ein bisschen un-pop-lastiger zu gestalten, sag ich jetzt mal. Also, dass man jetzt bei den Synthies zum Beispiel einfach mal guckt, dass man da nicht jetzt immer den 0815-Popsong-Synthiesound reinpackt, sondern dass man ein paar andere Sounds verwendet.

Kevin: ... hochwertiger.

Ihr habt ja mit „Crystals“ eigentlich die Messlatte ziemlich hoch angelegt. Hattet ihr beim Release von „The Scene“ Bedenken, wie es bei den Fans ankommen würde?

Kevin: Absolut.

Sushi: Total. Also auch gerade bei der Album-Schreibphase war das das Allerschlimmste. „Crystals“ lief ja sehr gut für uns und dann stehst du erstmal da: „Ja, wo wollen wir denn jetzt hin, wie wollen wir überhaupt klingen?“, und so weiter und so fort. Und alles, was wir irgendwie geschrieben haben, hat sich dann immer noch so angehört, wie das, was wir vorher auch gemacht haben, da mussten wir schon ein bisschen umdenken. Natürlich hast du dann auch Angst davor, wie nehmen die Leute das jetzt auf, wenn auf einmal nicht eine ruhige Nummer auf dem Album ist, sondern vier ... Das hast du aber eigentlich bei jedem Album.

Hat sich eure Einstellung zum Musikbusiness im Laufe der Zeit verändert?

Kevin: Ja, du hast ja Erfahrung gesammelt einfach. Und sonst weiß ich's nur vom Hörensagen, aber wir können jetzt nichts Schlechtes darüber sagen. Wir haben jetzt auch die Labels gewechselt, sind dann irgendwann zu einem Major gewechselt und die Strukturen waren dann ganz anders. Die haben sich auf den deutschen Markt konzentriert, haben – das ist jetzt nicht negativ gemeint – mehr Cash, die kloppen da mehr rein.

Aber wenn du viel Geld bezahlst, vergisst du manchmal, dass auch Eigeninitiative wichtig ist und das war uns immer wichtig – klar muss man für manche Sachen Geld in die Hand nehmen, das kostet halt, wenn man ein Video dreht oder was auch immer, aber ich kann jetzt mit Herzblut irgendetwas machen, mich selber dahinter klemmen. Selbst wenn ich einen externen Videotypen engagiere, kann ich trotzdem mit dem zusammen sagen: „Hey, lass das so machen!“, oder „ich hab‘ keinen Bock auf den Scheiß“ und geb' dem dann doppelt und sage „lass mich mit dem ganzen Scheiß in Ruhe und mach mal.“ Und das ist so eher diese Major-Struktur, dass man da nicht so mitreden kann. Und das hat uns auch nicht so gefallen.

Sushi: Ich glaube, das ist auch ein bisschen so der „Arbeitsvibe“, der da an den Tag gelegt wird. Da wird halt sehr viel über Geld generiert, dass man im Prinzip sagt: „Okay, Typ XY, der kostet jetzt vielleicht nicht fünf, sondern 20.000 Euro.“ Vielleicht ist der ja auch besser, aber das heißt nicht, dass er die Vision, die wir da verbreiten wollen, versteht und das war auch so'n Ding, wo wir letzten Endes gesagt haben, dass wir internationaler werden wollen, dass wir unser Label auch mal vor der Tür haben wollen und mit Leuten zusammenarbeiten wollen, die wir schon über Jahre kennen. Deshalb sind wir auch zu unserem derzeitigen Label gewechselt, weil wir das Gefühl hatten, die verstehen eher die Thematik, da die auch im Metal bewandert sind.

Kevin: Business besteht ja nicht nur aus Label, wir haben ja auch Beziehungen zu anderen Bands und da muss man gucken ... das ist jetzt nicht so verbreitet, aber du hast dann Oberflächlichkeit. Ich bin immer von Natur aus skeptisch, Sushi ist immer sehr aufgeschlossen. Meine ich jetzt auch gar nicht qualitativ.

Sushi: Ich bin immer skeptisch beim Kevin – du bist die einzige Person, bei der ich skeptisch bin.

Kevin: Du hast dann halt so Leute, die, als wir angefangen haben, alle gemeckert haben. Da war das ja irgendwie cool, ESKIMO CALLBOY kacke zu finden und „die sind eh nicht lange da“. Und eben diese Leute, die früher übelst über dich hergezogen sind, sind jetzt dabei, dir mega in den Arsch zu kriechen, weil du eine Größe erreicht hast, bei der die Leute gar nicht mehr an dir vorbeikommen. Da musst du vorsichtig sein, weil Vorneherum sind immer alle lieb. Erst recht, wenn du etwas erreicht hast im Laufe der Jahre. Aber was hintenrum passiert, das ist wichtig. Das ist auch so eine Sache, da ist man bisschen vorsichtig geworden.

Ich muss das jetzt ansprechen: Die Bachelorette.

Kevin und Sushi lachen

War das Davids alleinige Entscheidung, oder habt ihr ihn ein wenig …

Kevin: Nein. Gar nicht. Wir haben das quasi zuletzt erfahren. Der kam zu uns in den Proberaum und er hatte seine Drum-Recordings für das neue Album abgeschlossen und hatte in dem Sinne nichts mehr zu tun mit dem laufenden Prozess und war dann zu Hause – er wohnt ja auch in Mörs – und meinte dann: „Jungs, ich muss euch was sagen. Ich habe mich da beworben und die haben direkt angerufen, die wollen mich.“ Naja, und dann war das für uns so: „Ja klar!“ – und haben uns den Arsch gelacht. Wir haben dann natürlich abgewogen, was passiert dadurch, was kann das für Konsequenzen haben, dass Leute sagen „was seid ihr für Arschlöcher, die sowas machen“ ... Aber wir haben vor allem als Band schon immer gemacht, worauf wir Bock hatten und haben auch eigentlich nicht die Notwendigkeit gesehen, uns für irgendetwas rechtfertigen zu müssen.

Sushi: So soll das ja auch sein.

Kevin: Es war ja auch sein Ding. Und dann haben wir gesagt, dass wir das schon hinkriegen. Wir hatten nur Angst, dass unsere Leute das falsch verstehen. Weil das Thema Promo eben aufkam, aber es war eben gar keine Promo, der hatte einfach Bock drauf und hat's gemacht. Warum sollen wir es ihm verbieten? Und dann war das für ihn im schlimmsten Fall ein bezahlter Urlaub. Es ist ein Abenteuer und wer kann es ihm verübeln.

Wir haben dann auch drüber nachgedacht. Das ist jetzt der Punkt: Wir wären ja doof, wenn wir das nicht so ein bisschen mitgenommen hätten. Es war nicht die Entscheidung, das als Promomaßnahme zu machen. Aber als David dann gesagt hat, er will’s machen, dann haben wir gesagt: „Ja, weißt du was, dann müssen wir nur gucken, wie wir das unseren Leuten verkaufen, damit die nicht denken, wir sind Arschlöcher.“ Und dann haben wir diese Streams auf Facebook gemacht. Haben dann quasi mit unseren Leuten, die Bock hatten, zusammen die Sendung angeguckt und dann haben die auch relativ schnell kapiert, dass wir uns selber darüber lustig machen. Dass wir nicht dastehen nach dem Motto „ja geil, jetzt sind wir fame“, sondern wir machen uns selber darüber lustig. Und das hat dann alles geklärt.

David Friedrich von Eskimo CallboyEskimo Callboy Schlagzeuger David Friedrich war Kandidat bei "Die Bachelorette"

Und wie hat sich das auf euren Erfolg ausgewirkt?

Sushi: Marginal. Nicht so wirklich, wie man es jetzt so meint. Also natürlich ist da der eine oder andere, der die Mucke auch ganz gut findet. Aber die Sendung spricht eine ganz andere Klientel an, als wir mit unserer Musik. Und sicherlich sind da ein paar Leute, die die Mucke ganz gut fanden und deshalb auch auf die Shows gekommen sind. Aber so ein riesen Ansturm hat da nicht stattgefunden.

Die Fanbase hat sich also nicht wirklich verändert.

Sushi: Ne, so jeder zehnte ist dann mal wegen David nur da. Sagen wir's mal so.

Kevin: Wir sind ja mit unserer Mucke, wenn man sich das so anhört über YouTube, Spotify, Deezer, whatever – dann sind die meisten auch schnell abgeschreckt. Aber wir haben das ab und zu mal, dass wir Interviews für „Promiflash“ oder so machen. Die interessieren sich natürlich nur für uns, weil David bei uns ist. Das sind so die Kleinigkeiten.

Sushi: Nein, die interessieren sich für uns.

Kevin: (lacht) Dann haben wir teilweise auch so Leute … Also wir als Frontmänner sind normalerweise gewohnt, dass die Leute mehr zu uns wollen, das klingt jetzt blöd, aber ihr wisst, was ich meine. Ja und dann hast du da teilweise Leute – vereinzelt –, die sagen: „Ey, du da vorne, langer Lulatsch, geh mal zur Seite, der David soll mal herkommen!“ Aber sonst so große Auswirkungen hat das nicht.

Durch die Aufmerksamkeit von den Medien gab's ja auch kritische Stimmen zu euren Inhalten. Die Bild hat euch Sexismus und Homophobie vorgeworfen.

Kevin: Ach, weißt du, das ist so ein Thema, das hatten wir schon vor drei, vier Jahren und da haben wir uns auch schon damals dazu geäußert. Die Bild ist voll hinterher. Die hat jetzt mitgekriegt: „Jo, die sind 'ne Band“ und dann haben die wahrscheinlich einmal gegoogelt und wenn man „ESKIMO CALLBOY“ bei Google eingibt, dann findet man Artikel aus der lokalen Castrop-Rauxeler Zeitung: „Ist diese Band sexistisch?“

Sushi: Da kann jeder irgendwas herausbuddeln. Wenn man lange genug danach sucht und gräbt.

Kevin: Guck dir unser aktuelles Album an. Guck dir unsere letzten beiden Alben an. Ganz ehrlich, fuck it. Mach einmal dein Radio an und dann weißt du, was Sexismus bedeutet. Da reden wir gar nicht mehr darüber. Und da antworten wir auch gar nicht mehr dazu. Das ist mittlerweile so über ...

Sushi: War ja klar, dass gerade die Bild wieder so etwas auspackt. Das ist ein Magazin, das Sexismus seit Jahren fördert. Aber genau so ist es passiert. Da haben sich letzten Endes viele gegen die Bild positioniert, was wir eigentlich ganz witzig fanden.

Habt ihr noch Probleme mit eurem Bandnamen?

Kevin: Wegen "Eskimo"? "Callboy" ist scheißegal, das ist ja ein Beruf. Aber "Eskimo" – da stehe ich auch dazu ... Ich bin kein Sprachwissenschaftler, aber wir haben den Namen ESKIMO CALLBOY ohne Bedacht damals gewählt. Klar, war ein dummer Name, deswegen haben wir ihn genommen. Wir haben uns aber keine großartigen Gedanken darüber gemacht, ob ESKIMO CALLBOY irgendwie in irgendeiner Weise einer Gruppe gegenüber schlecht ist.

Aber ich sage dir, wie es ist: "Eskimo" wird nur als rassistisch wahrgenommen, weil man es als „Rohfleischfresser“ übersetzt. Aber wenn du mal ein paar Artikel darüber liest, ist es mittlerweile revidiert, dass "Eskimo" auf die Schneeschuhe – die haben früher so biegsame Stöcke genommen und eine Art Tennisschläger daraus gemacht und die unter die Schuhe gepackt, um damit auf Schnee laufen zu können – zurückzuführen ist. Also es gibt wichtigere Sachen auf der Welt, als sich über den Bandnamen aufzuregen.

Ihr hattet damals auch Probleme, Werbung zu schalten wegen des Bandnamens.

Kevin: Ach so, ne, das ist mittlerweile kein Problem mehr. Alles cool.

Bei älteren Alben wie „Bury Me In Vegas“ hattet ihr eine viel provokantere Art – gerade bei den Texten. Dieser Teil von ESKIMO CALLBOY ist auf dem neuen Album ein wenig verloren gegangen.

Sushi: Naja, ich sag' mal: Man kann das unter Sexismus verbuchen, aber als wir damals die Platten geschrieben hatten ... ich meine, du bist ne junge Band. Erstmal weißt du sowieso nicht, ob Leute deinen Scheiß überhaupt hören und dann kriegst du's halt von der kompletten Musikindustrie auch so vorgelegt, dass das, was du machst, irgendwo okay ist.

Die meisten Leute, wenn du so auf der Straße läufst, die können mit dem Begriff „Sexismus“ wahrscheinlich nicht mal etwas anfangen. Wo es jetzt anfängt und wo es jetzt aufhört ... die ganzen Menschen, die darüber lachen, dass Frauen nicht einparken können, was ja so jetzt auch nicht stimmt und Sexismus ist. Unser Bassist ist der schlimmste Einparker überhaupt. Das Ding ist halt, damals dachte man gar nicht darüber nach und das ist auch gar nicht mehr unser Anspruch. Wir haben einfach ins Blaue rein die Lyrics geschrieben.

Kevin: Ich weiß das noch, auf dem Weg zum Klo. Oder „Light To Skyline“. Ja, der Text ist geil, was können wir da machen?

Sushi: „Or I‘ll ram a cucumber in your fucking head.“ Cool, machen wir das! Man hat da nicht nachgedacht, was man mit dem Text aussagen will. Und das hat sich jetzt halt ein wenig gewandelt.

Kevin: Es war ja auch nie die Aussage, dass wir jetzt jemanden irgendwie damit degradieren wollen. Wir haben uns einfach einen Spaß daraus gemacht, weil wir große Eier zeigen wollten. Wenn man "Sexismus" hört, denkt man immer sofort, dass es von Männern gegen Frauen ist. Aber es gibt auch Sexismus gegen Männer. In vielen Fällen. Der Punkt ist, dass es ein bisschen darauf ankommt, wie denkt der Sender sich das jetzt? Also derjenige, der etwas sagt oder etwas tut, was als sexistisch betitelt werden könnte. Meint der das auch so? Bin ich jetzt echt jemand, der populistisch unter die Leute bringen will, dass Frauen weniger wert sind? Oder dass man eine Frau beim Sex degradieren muss?

Es gibt ja auch genug Frauen – wie heißen die? –, auf jeden Fall so eine Frauen-Rap-Kombo und die sind auch hart am Gas. Reden über Männer auch krass. Aber das ist dann cool. Weil das sind ja starke Frauen. Die trauen sich, das mal zu sagen.

Aber generell im Rap ist das ja immer so eine Sache mit dem Sexismus.

Kevin: Ja genau, aber da wird das toleriert. Und wir sagen ein kleines Wort, so eine Piss-Garagen-Band aus Castrop-Rauxel sagt irgendetwas Falsches und dann kriegen wir alle Hater ab.

Sushi: Das ist ja eigentlich auch okay. Das Problem ist nur, dass niemand mit uns gesprochen und gesagt hat: „Aus dem und dem Grund ist das nicht so gut, was ihr hier macht.“ Das hat uns gezeigt, dass die Leute, die eigentlich dafür einstehen und sich dafür einsetzen, was auch gut ist, damals nicht das Gespräch mit uns gesucht haben. Dann hätten wir damals auch ganz anders auf gewisse Sachen reagiert. Und das ist schon schwierig. Ein schwieriges Thema allgemein, was die Musikszene angeht.

Denkt ihr, dass das momentane Konzept von ESKIMO CALLBOY Zukunft hat?

Kevin: Ich denke schon. Wir haben Schiss gehabt, du spürst ja den Druck, das ist ja unser Job. Und wir müssen selbst mit unserer Arbeit im Reinen sein – das heißt das, was wir rausbringen, da müssen wir selbst dahinterstehen können. Aber das bringt alles nichts, wenn die Leute es scheiße finden. Dann stehen wir zwar voll dahinter, aber haben keinen Job mehr. Und können dann wieder an der Tanke arbeiten. Deswegen musst du als Berufsmusiker irgendwie eine Waage finden.

Und wir hatten dementsprechend viel Schiss, als wir das Album rausgebracht haben. Was heißt Schiss, aber wir waren sehr, sehr gespannt. Wenn die Jungs und Mädels auch die ruhigen Songs hören, was sagen die dazu? Aber erstaunlicherweise – wir fanden die Songs ja sowieso geil – kommen selbst so ruhige Songs wie „VIP“, von dem wir nie gedacht hätten – das war eher als ein Witz gedacht – ... aber der Song kommt an. „New Age“ zum Beispiel, das ist ein anderes Konzept mittlerweile. Du hörst es dir an. Du musst nicht ausrasten. Das merkst du auch auf Show. Bei den Nummern sind die Leute einfach etwas ruhiger. Nicht immer volle Kanne, nur rumspringen, sondern auch mal nur zugucken. Und das ist auch gar nicht verkehrt.

Sushi: Das ist auch komisch für uns, wenn die Leute da stehen und gucken.

Wollt ihr für euch selbst einfach die Ruhe finden in der Musik?

Sushi: Naja, nicht unbedingt Ruhe. Aber es ist so, dass wir privat gar nicht mehr so Schreimusik hören. Außer Kevin, der ist da ein bisschen bekloppt. Der steht dann morgens auf und macht erstmal die ganz harte Knüppelmusik an. Das ist aber auch Kevin. Der Name sagt ja schon, dass da etwas nicht richtig gelaufen ist.

Kevin lacht

Sushi: Ne, aber das Ding ist halt, die Mucke, die du selber geil findest, die willst du ja auch irgendwie selbst in deine Lieder teilweise mit einfließen lassen. Du kannst auch nicht immer dasselbe machen. Weil klar, wir wollen auch nicht ganz von der Metal-Schiene weg, aber wir wollen auch mal ein paar andere Facetten aufzeigen. Damit es das für uns auch interessant macht.

Das Album ist ja sehr gut angekommen. Ihr habt auf dieser Tour auch viele Shows und musstet sogar Zusatztermine in München ansetzen. Wie fühlt sich das an?

Kevin und Sushi: Cool ...

 ... sind ja auch mittlerweile große Clubs, in denen ihr spielt.

Kevin: Genau das. Wenn du so Angst hast, wenn du das Album rausbringst, dann hast du natürlich die negativen Stimmen aus dem Internet im Kopf. Und die sind immer lauter als die positiven. Die Leute, die sich über etwas beschweren, haben immer große Fresse und die, die es gut finden …

... sind stille Genießer.

Kevin: Stille Genießer, genau. Aber die ausverkauften Shows sind ein Feedback, dass es gut ankommt. Die würden ja nicht zu einer Show gehen, wenn die die Musik scheiße fänden. Deshalb machen wir uns auch gar keine Gedanken mehr.

München war super. Wir haben in München immer eine gute Resonanz gehabt. Die Zusatzshow war natürlich nie ausverkauft, aber insgesamt hatten wir ein super Ergebnis. Insgesamt über 2.200 Zuschauer an zwei Tagen. Was willst du mehr. Und heute hier LKA komplett ausverkauft auch weit im Vorhinein. Das war sonst so Richtung Abendkasse und dann war Schluss, aber mittlerweile ist das vorher. Das ist für uns natürlich geil. Dann können wir nächstes Jahr oder bei der nächsten Tour vergrößern.

Ihr habt dann auch andere Mittel. Mit welchen Bands würdet ihr denn gerne touren?

Sushi: MARILYN MANSON und KORN.

Kevin: MARILYN MANSON ist natürlich cool, aber das ist gefährlich. Ich persönlich höre sehr gerne Rap und wir glauben alle daran – das macht unsere Musik aus, die Mischung der Genres.

Sushi: Dass man verschiedene Genres zusammenwerfen kann.

Kevin: Genau. Die Leute benutzen halt Musik immer – und das ist eigentlich eine doofe Entwicklung –, um sich abzugrenzen voneinander. Das ist in der Natur des Menschen, deshalb haben wir Staaten und Länder.

Sushi: Jetzt wirst du philosophisch.

Kevin: Ja, aber in der Musik finde ich das gerade kacke, weil Musik doch dazu da ist, um Leute zu verbinden. Und dann sehe ich, „der hat ja so ein Shirt an“ – das ist bei uns ja sehr eklatant, wenn dann Leute in ESKIMO CALLBOY-Shirts auf eine harte Metal-Show gehen –, dann sind die Ziel von irgendwelchen Tritt-Attacken. Dann denke ich mir, was ist das für eine hohle Welt.

Sushi: Was daraus mitzunehmen ist: Alle Leute, die ESKIMO CALLBOY-Shirts tragen, müssen hart pumpen gehen.

Kevin: Hart pumpen gehen? Damit die sich verteidigen können? (lacht)

Sushi: Ja, genau. Stell dir das mal vor. Dann sind das so die Harten, die darfst du nicht mehr anpacken. Dann kommt so ein ganz harter Typ aus dem Pit und heult: „Mir hat grad so ein dreizehnjähriges Mädchen ins Gesicht getreten!“

Was ist eure größte Angst auf der Bühne?

Sushi: Dass Vince Torpedo uns von der Tour kickt. Der hat uns ja dieses Mal die Möglichkeit gegeben, dass wir hier mal so ein paar Shows spielen können. Das sind ja alles seine Hallen.

Kevin: Die größte Angst ist …

Sushi:  ... ach, jetzt gehst du darauf nicht ein!

Kevin: (lacht) Wir können vor Vince nicht dauernd Angst haben. Wir leben auf engstem Raum, weil der 15 Backstageräume für sich beansprucht.

Sushi: Wir wollten heute auch eigentlich auf eine größere Venue upgraden, aber da ist jetzt leider sein Backstage.

Kevin: Krankheit, wenn du auf Tour bist. Wir sind nicht in der Lage, eine Show abzusagen. Wenn eine Show ist, ist eine Show. Wenn du kränkelst, das hatte Sushi ja zu Beginn, das geht ja direkt auf die Stimme meistens.

Sushi: Da ist dann der gelbe Schleim, der da hochkommt.

Kevin: Und du kannst das nicht ändern. Wir sind die Frontmänner und wir müssen da ein bisschen auf die Kacke hauen. Wir müssen selbstbewusst sein. Wenn die Stimme nicht funktioniert, dann nagt das an deinem Selbstbewusstsein, weil du weißt, dass du selbst nicht mit dir zufrieden bist. Und das ist eine Angst, die hast du immer.

Sushi: Und die zweite Angst ist, dass du nach einer kleinen Runde zurückkommst und der Gin Tonic alle ist. Das ist meine größte Angst. Wenn man diese leeren Flaschen auf dem Tisch sieht, das macht mich immer so unfassbar traurig. Da will ich am liebsten aufhören.