Geschrieben von Samstag, 28 Juni 2003 22:39

Emil Bulls - Interview mit Sänger Christoph

Mit "Porcelain" lieferten die Emil Bulls jüngst ihr zweites Album ab, und alle sind sich einig, dass die Scheibe ein großer Schritt nach vorne ist. Trotz überschwänglicher Kritiken und guter Live-Auftritte ist der kommerzielle Durchbruch leider immer noch nicht geschafft. Die Band ist dennoch guter Dinge. Wir trafen Sänger Christoph nach dem Auftritt bei Rock am Ring. Bei einer wirklich sehr kühlen Cola unterhielten wir uns über die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft der bayrischen Bullen.

Fangen wir gleich mal mit eurem Auftritt an. Wir war es für euch?

Christoph:
Ich fand es hammergeil, einfach überwältigend. Ich hätte nicht erwartet, dass so viele Leute da sind und so abgehen. Das war unser erster Auftritt auf einer Centerstage bei einem so großen Festival und so gesehen eine völlig neue Erfahrung.

Hattet ihr vorher Bammel?

Christoph:
Es ging eigentlich. Es war eine Mischung aus Bammel und Vorfreude, wobei die Vorfreude schon überwogen hat. Wir sind normalerweise eine Clubband und heute war die Bühne so groß wie ein Club. Es war auf jeden Fall geil, aber wir werden da auch noch routinierter werden müssen. Da braucht man noch ein paar Auftritte mehr in der Größenordnung, damit man souverän ist.

Habt ihr euch irgendwie speziell auf diesen Auftritt vorbereitet?

Christoph:
Ja, wir haben die Woche vorher mal geprobt. Das machen wir sonst nie. (lacht)

Zum neuen Album. Meiner Meinung nach klingt es konsequenter. Bei "Angel Delivery Service" hatte man teilweise den Eindruck, dass ihr verschiedene Sounds ausprobiert habt. Diesmal habt ihr es entschlossener durchgezogen. Habt ihr euren Stil gefunden?

Christoph:
Wenn du als Band das erste Album aufnimmst, was "Angel Delivery Service" ja mehr oder weniger war, dann sind da auch Songs drauf, die vier oder fünf Jahre alt sind. Du sammelst halt über Jahre hinweg Material. Beim neuen Album ist deswegen eher ein roter Faden zu erkennen, da die Songs innerhalb weniger Monate geschrieben wurden. Wir haben als Schulband angefangen, und auf dem alten Album sind da noch Überreste vorhanden. Jetzt ist es das erste Mal so, dass mir überhaupt kein Song peinlich ist. Eigentlich wollte ich schon auf dem ersten Album nicht rappen, weil das schon damals kein Mensch mehr gebraucht hat, aber die Songs waren halt so ausgelegt. Schöne Melodien und krasse Gitarren - ich glaube, das ist uns ganz gut gelungen.

Das mit dem Rappen habt ihr ad acta gelegt. Ihr verwendet aber immer noch Scratches und Samples. Such A Surge und Thumb hatten das in ihrer Anfangszeit auch und haben es dann sein lassen. Ist das bei euch eher eine Spielerei oder gehört es zum Sound?

Christoph:
Es gehört auf jeden Fall zum Sound. Wir haben den Vorteil, dass wir einen fähigen Mann haben. Unser DJ ist ein Allround-Genie. Er kann alles, spielt tausend Instrumente. Die Sachen, die er macht, setzt er ja auch nicht so klischeemäßig ein. Er benutzt sein Turntable wie ein Instrument. Er will jetzt nicht irgendwie in den Vordergrund scratchen. Man kann das mit den Deftones vergleichen, wo du gar nicht weißt, dass die einen DJ haben.

Wegen den tiefer gestimmten Gitarren und dem teils aggressiven Gesang werdet ihr oft in die New Metal-Schublade gesteckt. Einige Leute hören bei euch viele Achtziger-Jahre-Einflüsse heraus. Wo würdet ihr euch einordnen?

Christoph:
Wir haben uns von Anfang an gegen die New-Metal-Kategorisierung gewehrt, bis wir irgendwann gemerkt haben, dass es keinen Sinn hat, weil man immer in irgendeine Schublade gesteckt wird. Die Journalisten machen sich auch gar keine Mühe, eine neue Schublade zu erfinden. Es ist ja auch schön und gut, aber wir wollen zeigen, dass wir nicht zu diesem New-Metal-Klischee gehören. Wir machen einfach zeitgemäße Rockmusik. Es ist eigentlich viel mehr Rock und Pop drin als New Metal. Klar, unser Fundament besteht aus harten Gitarren, aber mehr haben wir damit gar nicht zu tun. Hör die eine Band wie Deftones an, die werden auch als New Metal bezeichnet. (schüttelt den Kopf)

Die Deftones sind auch sicherlich ein großer Einfluss für euch. Welche Bands waren das, als ihr mit der Musik angefangen habt?

Christoph:
Ganz am Anfang waren das Rage Against The Machine und Korn. Es ist halt so, wenn du als Musiker anfängst, dass orientierst du dich erstmal an deinen Vorbildern.

Und woher kommen die melodischen Einflüsse? Erinnert mich manchmal an Babylon Zoo von der Stimme her.

Christoph:
Das haben mir schon ein paar Leute gesagt. Aber ich selbst höre mich ja ganz anders, deswegen kann ich dazu nichts sagen. Bei mir ist es so, dass ich ein Kind des Pop bin. Meine Lieblingsband ist A-Ha, und vielleicht orientiere ich mich unterbewusst daran. Daher der Hang zu schönen Pop-Melodien. Das schöne ist, dass man das bei Emil Bulls auch ausleben kann. Ich kann beides vereinbaren. Ich liebe es, wenn es voll zur Sache geht, habe es aber auch mal gerne, wenn es schön spacig wird.

Ihr packt ja immer alles in einen Song. Habt ihr schon mal darüber nachgedacht, vielleicht einen Knüppel-Song und einen rein melodischen Song zu schreiben?

Christoph:
Au ja, vielleicht machen wir auch mal so ein "St. Anger", was ich übrigens spitze finde. Beim ersten Hören war ich ein wenig vor den Kopf gestoßen, aber jetzt finde ich es einfach Wahnsinn. Mein persönliches Album des Jahres bisher.

Würdest du sagen, dass ein Song wie "This Day" radiotauglich ist?

Christoph:
Er ist schon radiotauglich, den Radiostationen aber immer noch zu hart. Wir haben diesen Song als Clip ausgewählt, weil er halt am Single-tauglichsten war, und wenn man auf MTV oder Viva gespielt werden will, dann muss man so eine Entscheidung treffen. Wenn wir einen harten Song ausgewählt hätten, wäre das Video nirgendwo gespielt worden. Und deswegen wählt man halt den kommerziellsten Song aus. Ich stehe zu "This Day", und wir spielen ihn auch gerne live. Unsere Old-School-Fans haben auch erstmal blöd geschaut, und jetzt singen ihn alle mit.

Ihr habt die Instrumente in verschiedenen Studios aufgenommen. Wolltet ihr alles perfekt machen? Oder einfach zu viel Kohle gehabt?

Christoph:
Das fragen uns viele. Aber die Studios im Ausland sind meistens viel billiger als in Deutschland. In Spanien war es billiger, das Studio war besser als in Köln, und deshalb hat sich das gerechnet. Die Aufnahmen in Stockholm waren natürlich Luxus, aber da hatten wir den Mischer von Rammstein, Clawfinger und Bon Jovi. Wir haben bei unserem Label nachgefragt, ob es möglich wäre, mit ihm zusammen zu arbeiten, und glücklicherweise hat es vom Budget her gepasst. Es war eine unglaubliche Erfahrung. Das Studio war unspektakulär, aber man bekommt halt einen geilen Sound hin.

Euer neues Album ist bei Motor Music erschienen. Vorher seid ihr bei Island Mercury gewesen. Beide gehören zu Universal. Warum der Wechsel?

Christoph:
Vor ein paar Monaten hieß es auf einmal „Island gibt es nicht mehr." Motor hat dann die Bands von Island übernommen. Es hätte natürlich besser laufen können, weil sich dadurch alles um zwei Mionate verschoben hat. Aber wir sind trotzdem glücklich.

Ihr habt fast überall positive Kritiken bekommen, das Album wurde sehr gut angenommen. Trotzdem seid ihr in den Charts nur auf Platz 62 eingestiegen. Enttäuscht?

Christoph:
Wenn ich ehrlich bin, habe ich schon etwas mehr erwartet. Mit Rezensionen hatten wir eigentlich nie große Probleme. Es ist momentan sehr schwer...

...als deutsche Band?

Christoph:
Ich denke mir manchmal, dass, wenn wir aus den USA wären, wir hier nicht um vier Uhr Nachmittags spielen würden, sondern um sieben oder acht.

Was fehlt eurer Meinung nach deutschen Bands wie 4Lyn, Crosscut oder den Farmer Boys, um mehr Platten zu verkaufen?

Christoph:
Es ist genau dieser Punkt, dass es gerade als deutsche Band nicht sehr einfach ist, weil dir dieser krasse Promo-Apparat fehlt. Außerdem schauen die Leute auf das, was aus Amerika kommt. Die kaufen sich dann halt lieber die Linkin-Park-CD als die Emil Bulls aus Bayern.

Wie wollt ihr "Porcelain" noch toppen? Verspürt ihr Druck?

Christoph:
Das ist nicht die Frage. In uns steckt noch so viel Potential. Wir haben auch das erste Album getoppt, und das zweite werden wir auch toppen können. Ich hätte mir vor ein paar Jahren nie erträumt, dass wir hier mal auf der Centerstage spielen würden. Wenn es so weitergehen würde, wäre das der absolute Hammer.

Gibt es irgendeine Band, mit der ihr gerne auf Tour gehen würdet?

Christoph:
Da gibt es einige. Wir haben ja kürzlich mit Linkin Park gespielt und das ist ein gutes Beispiel, weil die viele Leute ziehen, denen unsere Musik auch gefallen könnte. Auf jeden Fall ist das gute Promo.

Würdet ihr also lieber eine größere Band supporten oder lieber als Headliner in kleineren Clubs spielen?

Christoph:
Ganz am Anfang waren wir mal Support von Such A Surge, und die waren für uns damals sehr groß. Ansonsten sind wir noch mit keiner anderen Band über Deutschland hinaus auf Tour gegangen, würden es aber gerne mal machen. Als Support-Band hast du ja auch nicht so den Druck wie als Headliner. Wir sind ja auch noch nicht so groß, dass wir große Hallen füllen können. Außerdem müssen wir noch jeden Pfennig umdrehen. Es ist aber auf jeden Fall auch schön, als Support den Leuten richtig einzuheizen.

Apropos Such A Surge: Ihr hattet ja deren Sänger Olli als Gast auf der ersten CD. Habt ihr vor, so was in Zukunft wieder zu machen?

Christoph:
Wenn es passt, auf jeden Fall. Bei "Porcelain" hat es sich einfach nicht ergeben. Es war kein Song dabei, wo wir gesagt haben, da würde jetzt jemand zwingend mit drauf müssen. Bei unserem ersten Album gab es halt diesen Song "Tomorrow I'll Be Back", und da wollten wir Hardcore-Shouts, und das hätte ich nicht so gut hinbekommen wie Olli. Wir haben ihn einfach gefragt, weil er auch diese Sick-Of-It-All-Stimme hat. Er kam zu uns ins Studio, und es hat sofort geklappt. Besser als wenn ich das probiert hätte.