Geschrieben von Montag, 05 Juni 2006 15:25

Rock am Ring 2006 - Der Festivalbericht




 
Jedes Jahr, wenn ich mir einen neuen Taschenkalender kaufe, streiche ich das Pfingstwochenende zuerst an. "RaR" steht dann dort in großen Lettern, was so viel bedeutet wie ROCK AM RING! Und dank des attraktiven Line-Ups wollte ich mir das spektakulärste Musik-Festival des Jahres auch diesmal nicht entgehen lassen, es war mein insgesamt siebter Besuch am Nürburgring (zum ersten Mal 1994). Gott sei Dank spielte das Wetter dieses Jahr endlich mal mit. Zwar wurde es nie so richtig warm, immerhin hat es aber auch nicht geregnet. Zumindest nicht so richtig, jedenfalls kann man sich darüber nicht beschweren. Wie auch immer, mit den drei Headlinern METALLICA, TOOL, DEPECHE MODE, sowie dem Special Guest GUNS `N ROSES konnte eigentlich sowieso nix schief gehen.
Den Anfang machten am frühen Freitagnachmittag auf der Centerstage BLOODSIMPLE, die mit ihrem wuchtig-modernen Groove-Metal-Gewitter durchaus zu gefallen wussten, aber auf der großen Bühne etwas verloren wirkten. Da zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht so viele Leute auf dem Gelände gewesen sind, kann deshalb nur von einem kleinen Achtungserfolg gesprochen werden. Warum BLOODSIMPLE auf der Centerstage spielen durften, und nicht auf der Club- oder Alternastage, ist mir auch nicht ganz begreiflich, immerhin sind die Amis hier in Deutschland alles andere als angesagt, im Gegensatz zu ihrem Heimatland. Na ja, da hat sich das Majorlabel Warner mal wieder durchgesetzt, was beweist, dass die Spielpläne der Bühnen nicht unbedingt nach der Popularität der Bands, sondern nach dem Einfluss des Labels festgelegt werden. Eine Politik, die man nicht unbedingt gut finden muss …
Danach waren STONE SOUR an der Reihe, die demnächst ihr neues Album „Come What(ever) May“ veröffentlichen werden. Deshalb durfte man auch gespannt darauf sein, wie das neue Material von Corey Taylor (auch bekannt als Slipknot-Sänger) klingen würde. Um es kurz zu machen: Die neuen Songs klingen wesentlich melodiöser, ohne an Aggressivität verloren zu haben. Mein Kritikerdaumen zeigte jedenfalls nach oben, und auch die Fans vor der Bühne beklatschten die alten Songs genauso frenetisch wie das neue Material.
Die Spannung wurde natürlich vom unerwarteten Comeback der Seattle-Grunger ALICE IN CHAINS getoppt, die nach dem Tod von Sänger Layne Staley in eine Krise stürzten und eigentlich keine Zukunft mehr hatten. Erst als sie bei einem Benefiz-Konzert auf William DuVall stießen, entschied sich die Band, mit DuVall als Staley-Ersatz, wieder live aufzutreten. Mit an Bord waren ebenfalls Jerry Cantrell (Gitarre) und Mike Inez (Bass), die bei der gelungenen Umsetzung der Klassiker „No Excuses“, „Again“, „Them Bones“ und „We Die Young“ trotz der melancholisch-depressiven Musik für ein Dauergrinsen bei den Festivalbesuchern sorgten. Höhepunkt des Auftritts ist der Besuch von METALLICA-Sänger James Hetfield gewesen, der bei „Would?“ einige Vocals übernahm. Coole Sache!
Die nachfolgenden DIR EN GREY schaute ich mir dann nur im Innenraum auf dem Monitor an. In ihrer Heimat Japan sind sie bereits Superstars, und auch in Europa und den USA sorgen sie mittlerweile für Furore, was aber irgendwie an mir vorbei gegangen sein muss. Der wilde Mischmasch aus chaotischem Metal und opernhaftem Drama-Rock (auch Visual Rock genannt) war zwar unterhaltsam, aber ihr merkt schon: Das war nichts für mich, wobei die Musik auf Platte durchaus ihre Reize haben dürfte, denn der eine oder andere Refrain sagte mir doch zu. Werde ich auf jeden Fall noch mal in Ruhe antesten. Aber live sind DIR EN GREY eher anstrengend, und dass Sänger KYO sich während des Auftritts selbst die eine oder andere Wunde zufügte, finde ich eher krank als unterhaltsam. Jedenfalls hatte ich beim Anblick seines blutüberströmten Körpers eher Mitleid als Respekt.
Dann mal wieder die DEFTONES, die bereits das dritte oder vierte Mal bei Rock am Ring dabei waren. Viel zu erzählen gibt es nicht, der Auftritt war einer der unspektakulären Sorte, auch wenn sich Chino sichtlich Mühe gab, das Publikum in Fahrt zu bringen. Ich kann nicht genau erklären warum, aber ich finde nicht, dass die DEFTONES zu ROCK AM RING passen, vor allem nicht auf die viel zu große Centerstage. Da geht doch etwas von der Magie und Intensität verloren.
Vor zwei Jahren sind KORN noch Headliner gewesen, dieses Jahr mussten sie bereits um 20.30 Uhr auf die Bretter, was aber auch letztendlich egal war, inzwischen reichte auch die Menschenmenge bis zum Horizont. Letztendlich konnte man mit dem Auftritt und der Songauswahl zufrieden sein, nur dass das Problem an der zweiten Gitarre noch nicht gelöst wurde (wer war das denn? Christian von Fear Factory?) und hinzu ein paar weitere Musiker mit Tiermasken auf der Bühne herum sprangen, war etwas nervig. Auch hatte ich mir den lässigen Überhit „Twisted Transistor“ live besser vorgestellt. Aber wer Hits wie „Got The Life“, „Blind“ und „Falling Away From Me“ im Gepäck hat, kann nicht viel falsch machen.
Von TOOL habe ich nur etwa den halben Auftritt mitbekommen, doch die Sorge, das komplexe Songmaterial würde sich nicht für die Bühne eignen, war unbegründet. Im Gegenteil: Beeindruckend, wie perfekt die Band aufeinander eingespielt war, vor allem Schlagzeuger Danny stach als perfekte Rhythmusmaschine heraus. Zwar gab es nur wenig Kommunikation mit dem Publikum, doch dafür umso mehr fürs Auge und damit meine ich nicht die Musiker (hat sich Maynard eigentlich überhaupt mal von der Stelle gerührt?), sondern die kunstvollen Animationen auf der Leinwand. Auf jeden Fall ein würdiger Headliner!
Für mich ging es dann schnell runter zur Club Stage, wo DREDG um ein Uhr nachts ihren hartgesottenen Fans noch etwa 60 Minuten Musik vom Feinsten boten. Schade nur, dass sie nicht schon früher ran durften, denn meiner Meinung nach sind DREDG verkannte Genies, aber gleichzeitig auch massentauglich. Warum der Durchbruch trotz Visions-Support nicht gelingen will, ist mir schleierhaft. Ich jedenfalls hatte meinen Spaß und es geht nichts über Songs wie „Bug Eyes“ oder „Tanbark“. Großartig!
Dann spielten tatsächlich auch noch GUNS `N ROSES, was wirklich eine Überraschung war, denn erstens wusste niemand, ob die Band tatsächlich noch existierte, und zweitens, welchen Grund sich Axl Rose diesmal einfallen lassen würde, um den Auftritt kurzfristig zu canceln. Dann stand er aber doch noch um etwa zwei Uhr Nachts auf der Bühne, zusammen mit einigen anderen Musikern (Slash, Duff, Izzy und Co. hatten sich ja schon vor ein paar Jahren von Axl getrennt.). Das Comeback war in meinen Augen nicht mehr als ein nostalgischer Trip mit einigen hörenswerten Evergreens wie „Welcome To The Jungle“ oder „Paradise City“. Doch es ist mir schleierhaft, warum ausgerechnet alle drei Gitarristen zwischen den Songs minutenlange Soli spielen durften. Nur um auf zwei Stunden Spielzeit zu kommen? Wenn es Slash gewesen wäre, okay, aber um halb vier Uhr morgens vor 80.000 Zuschauern rumdudeln zu müssen (und dann auch noch richtig schlecht!), muss ja wohl nicht sein. In dieser Form taugen GUNS `N`ROSES höchstens für Retro-Auftritte. Vom Comeback einer Band zu sprechen geht dann doch zu weit, denn auch wenn Axl Rose immer noch so markant singen kann wie vor 15 Jahren, so ist der Flair der Glam Rocker komplett verschwunden.
Am darauf folgenden Tag stimmten mich besonders TRIVIUM (mit „Detonation“ wurde auch ein neuer Song vorgestellt, Sänger Matt hat übrigens seinen Gesangsstil etwas umgestellt - checkt die Videos), BULLET FOR MY VALENTINE (mit matschigem Sound, aber geilen Songs), ALTER BRIDGE (live besser als auf Platte), SOULFLY (35 Minute voll auf die Fresse – Max Cavalera hat’s immer noch drauf!), DANKO JONES und LACUNA COIL freudig. Erstaunlich vor allem, dass TRIVIUM und BULLET FOR MY VALENTINE, die letztes Jahr noch auf der Mini-Bühne vor ein paar hundert Leuten spielten, jetzt so viele Leute vor die Centerstage locken.
Leider habe ich aber auch mit 36 CRAZYFISTS, IN FLAMES, TAKING BACK SUNDAY und ATREYU gleich vier Knallerbands sausen lassen müssen, um zur selben Zeit the mighty METALLICA sehen zu können. Schade, dass so viele hervorragende Bands gleichzeitig mit METALLICA spielen mussten, und am Sonntag dafür im Metal-Bereich tote Hose angesagt gewesen ist. James, Lars, Kirk und Robert ließen jedenfalls nicht viel anbrennen, zockten zum 20-jährigen Jubiläum sogar das komplette „Master Of Puppets“-Album runter (!!!).
Hier die komplette Setlist:
1. Creeping Death
2. Fuel
3. Wherever I May Roam
4. For Whom The Bell Tolls
5. Fade To Black
6. Battery
7. Master Of Puppets
8. The Thing That Should Not Be
9. Welcome Home (Sanitarium)
10. Disposable Heroes
11. Leper Messiah
12. Bass Solo
13. Orion
14. Damage, Inc.
15. Sad But True --------------------------------------------
16. Nothing Else Matters
17. One
18. Enter Sandman
19. Last Caress
20. Seek & Destroy
Der Sonntag bot dann eigentlich nichts mehr für die BurnYourEars-Leser, ich blieb aber noch, um mir DEPECHE MODE anzuschauen, was sich auch voll gelohnt hat.

Fazit: ROCK AM RING bleibt immer noch die Nummer eins unter den Festivals, und auch über das Line-Up kann man sich nicht beschweren. Im nächsten Jahr werde ich mit Sicherheit wieder dabei sein und auch ihr solltet euren Arsch zum Nürburgring schwingen. See ya there 2007! 



TV-Tipp: In den nächsten Tagen überträgt der WDR in der Reihe „Rockpalast“ einige Auftritte von ROCK AM RING, checkt einfach die Sendetermine unter http://www.rockpalast.de/

http://www.rock-am-ring.de