Rock am Ring 2011? War großartig, wie eigentlich immer – und nachdem wir Euch letztes Jahr sträflich allein gelassen haben, waren wir dieses Mal wieder mit am Start! Allein die die letzten Kilometer vor dem Festival-Platz, die man durch eine wunderschöne, naturbelassene und fast Serpentinen-artige Strecke fahren muss... ein Highlight, von dem es an den drei Festivaltagen so viele gab. Welche das waren und was wir unter'm Strich nicht so toll fanden – Ihr lest es im Bericht!
FREITAG, erster Tag
Da wir uns am Freitag bereits um 4 Uhr morgens von Hamburg aus Richtung Ring aufmachen, erreichen wir das kleine niedliche Örtchen Adenau, welches etwa 5 km vom Ring entfernt liegt, bereits um 9:30 Uhr morgens. Im dortigen Getränkemarkt wollen wir uns dann noch ein wenig mit Proviant fürs Festivalwochenende eindecken, sind aber um diese frühe Zeit bei weitem nicht die einzigen mit dieser Idee, und der kleine Getränkemarkt platzt vor Ringrockern fast aus allen Nähten. Sponsor Warsteiner sorgt allerdings vor der Tür mit zwei Pappaufstellern ihrer Ehrengäste, den Klitschko-Brüdern, etwas Musik und einem Freibier für jeden Besucher für gute Stimmung unter den Einkäufern.
Unser Campingplatz A7a befindet sich dieses Mal direkt gegenüber des Dortint Hotels am Eingang des Festivals und bietet so früh am Morgen noch jede Menge freie Campingflächen. Nach dem Zeltaufbau geht es bei heftiger Hitze auf zum Media Center, wo wir unsere Pässe abholen können. Der Einlass läuft reibungslos, da wir von den zwei sympathischen Securities vor der Tür noch nicht einmal durchsucht werden, was auch alle Festivaltage über so bleibt.
Das heutige Programm beginnt für uns erst um 17:10 Uhr mit den britischen Metalcorelern ASKING ALEXANDRIA. Die Rotzlöffel aus UK legen nach dem Synthie-Intro „Welcome“ aus ihrem aktuellen Album Reckless And Relentless und den Worten „What's up Germany, you motherfuckers!“ durch Sänger Danny Worsnop mit dem Song „Closure“ los. Der Sound ist gut, die Stimmung ausgelassen und der leicht aufgedunsene Danny zeigt sich ebenfalls bester Laune, obwohl seine permanenten Macho-Sprüche a la "Who's gonna be drunk and completely shit-faced at the end of the day?" oder "Who's gonna have sex with someone today and never talk to that person again?" einem nach kurzer Zeit tierisch auf den Zeiger gehen. Aber besonders seine jüngeren Fans scheint Danny damit doch ziemlich beeindrucken zu können – genauso, wie mit seinen Aufrufen zur Gewalt in den Circle Pits "Come on – show me some fucking violence!".
Ist zugegebenermaßen auch nicht mehr ganz meine Generation, aber trotzdem finde ich den Auftritt der Briten ansonsten ziemlich gelungen. Das Highlight ist eindeutig die Stelle, an der die Band das Publikum auffordert, sich zu setzen – erneut auf Dannys charmante Art und Weise – um dann nach einem bombastisches Intro mit „The Final Episode“ loszulegen. Beim Technopart am Ende gibt es kein Halten mehr und Dannys Schrei des Wortes "Scared" der Zeile "You Need A Doctor Baby, You Scared?" ruft selbst bei mir eine Gänsehaut hervor. Wirklich sehr cool, auch wenn ich verstehen kann, dass viele die Arschloch-Attitude der fünf Jungs mächtig annervt. Innovativ ist die Mukke der Briten auch nicht wirklich, denn es gibt die üblichen Breakdowns, Moshparts und ein paar Technointerludes. Außerdem sind die "Violent Dancer" in der Menge einfach nur anstrengend und absolut rücksichtslos. Ich weiß wirklich nicht, warum auch dieses Phänomen aus den Staaten zu uns rübergeschwappt ist.
Die nächste Band am Freitag sind für uns THE GASLIGHT ANTHEM aus New Jersey, die wir uns herrlicherweise vom Balkon der Boxengasse aus ansehen dürfen. Ich kenne die Jungs noch nicht sehr lange, aber ich liebe ihr Album The '59 Sound. Als erstes sticht uns natürlich die St.Pauli Flagge ins Auge, die demonstrativ auf der linken Seite der Bühne über eine Monitorbox gelegt wurde. Los geht's mit dem Song "Orphans" und gleich danach folgt der Hit "Old White Lincoln". Leider ist Brian Fellons Hammerstimme bei uns oben in der Boxengasse kaum zu hören und ich hoffe sehr, das die Leute in der Menge da mehr Glück haben. Den Reaktionen des Publikums nach zu urteilen, scheint der Sound unten ähnlich leise gewesen zu sein, denn die Stimmung ist nicht besonders überschwänglich.
Dennoch sind die Jungs aus New Jersey obersympathisch und Sänger Brian lässt sich permanent zu Sprüchen hinreißen wie "I'm gonna take home the plastic lady, 'cause the real one is gonna make me work", als eine Sex-Puppe auf der Bühne platziert wird. Oder auch "Note to yourself, play more shows with the Kings of Leon because the chicks come out!" und "The '59 Sound" widmet Fellon dann der allseitsbekannten "Festival -Helga". Schweren Herzens müssen wir uns bereits bei "The '59 Sound" wieder auf den Weg zur Clubstage machen, wodurch wir unter anderem mit "Great Expectations" und "The Backseats" zwei meiner Lieblingssongs verpassen.
Durch die Überschneidungen der Spielpläne bekommen wir das Set von THE DEVIL WEARS PRADA leider auch erst ab Song Nummer drei, dem großartigen "Dez Moines" mit. Die Jungs aus Dayton, US gehen wie gewohnt ordentlich ab, besonders Sänger Mike Hranica verausgabt sich nahezu komplett. Wenn er nicht gerade wild gestikulierend mit einem Bein auf einer Monitorbox steht, rennt der heute sehr schick gekleidete Frontmann wie aufgescheucht von einer Seite der Bühne zur anderen. Gitarrist Jeremy Depoyster, der bei den Jungs aus Ohio für den oft sehr hohen Klargesang verantwortlich ist, singt seine Parts im großen und ganzen ebenfalls souverän, muss sich allerdings mit einigen Soundproblemen herumschlagen, denn mal sind seine Einsätze zu laut und das andere Mal zu leise.
Der Hauptteil der Setlist der Christen stammt eindeutig aus Songs ihres 2010er Releases, der Zombie EP, bei der die Jungs weniger Wert auf cleane Vocalparts gelegt, sondern eher auf brutale, vernichtende Breakdowns gesetzt haben, was bei den Core-Kiddies super ankommt. Für mich ist das Highlight allerdings der letzte Song "Assistant To The Regional Manager" mit der unvergesslich schönen Textzeile "All Glory To The One In Existence", unterlegt mit einem weitschweifenden, bombastischen Keyboardsound. Am Ende lässt sich Sänger Mike auch noch kurz zu einer kleinen Lobrede auf unseren Schöpfer hinreißen, und dann ist der Zauber nach einer halben Stunde leider wieder viel zu früh vorbei.
Da wir kaputt sind von nur vier Stunden Schlaf und leicht gestresst von dem mit knapp 85.000 Leuten für mich viel zu überladenen Festival, beschließen wir uns kurz aufs Ohr zu hauen, wodurch wir leider die Auftritte der ARCHITECTS, TIMES OF GRACE und BLACK STONE CHERRY verpassen, die wir uns auch noch gerne angeschaut hätten.
Weiter geht es für uns dann kurz vor 23 Uhr mit ALL THAT REMAINS aus Springfield, Massachusetts. Zu dieser Zeit ist der Zuschauerbereich vor der Clubstage endlich zum ersten Mal äußerst angenehm gefüllt – wahrscheinlich weil sich der Hauptteil die KINGS OF LEON auf der Centerstage anschaut. Leider ist der Sound von Anfang an zu leise, ansonsten ist bei den Metalcorelern alles beim alten geblieben. Sänger Philip Labonte gibt sich gewohnt prollig, aber trotzdem sympathisch, und setzt mit seinen Aufrufen "Put your horns in the air!" oder "Get your fists in the air!" voll auf Metal. Sichtlich angetan von der Masse vor der Bühne holt der drahtige Sänger immer wieder sein Handy raus, um das Publikum zu fotografieren, und fordert seine Fans auf, sich später auf einem der Fotos auf Facebook zu verlinken. Die Setlist umfasst Hits wie "Two Weeks", "Forever In Your Hands" (für die Mädels) und natürlich als Abschluss "This Calling", welches live einfach immer gut kommt. Beeindruckend bei allen ATR Auftritten ist für mich Basserin Jeanne Sagan, die nebenbei noch gekonnt tiefe Growls und coole Screams zustande bekommt – ansonsten durch ihr eher derbes Äußeres allerdings keine besondere Augenweide für die Männer sein dürfte. Nach 40 Minuten haben wir noch ein wenig mehr Platz vor der Bühne, was wohl ebenfalls am Center Headliner liegen dürfte, obwohl als nächstes AUGUST BURNS RED dran sind, die übrigens sogar ihren Soundcheck höchstpersönlich durchführen.
Als Intro benutzen ABR erneut Rozallas "Everybody's Free To Feel Good", was schon mal für eine super Stimmung unter den Anwesenden sorgt. Danach legen die Jungs aus Manheim, US gleich mit dem mächtigen "Composure" los, bei dem Sänger Jake Luhrs gleich sein klasse Talent zum brachialen Growlen unter Beweis stellt. Zu Beginn ist der ein wenig kräftiger gewordene Frontmann noch in eine dicke Jacke eingepackt, von der er sich allerdings nach einigen Songs trennt. Nach einem kleinen Auflug ins 2007er Album Messengers mit dem Song "The Truth Of A Liar" folgen zwei Nummern aus dem Erfolgsalbum Constellations, und spätestens die Single "Meddler" ist dem Publikum eindeutig bekannt und wird von Anfang an taktvoll mitgeklatscht. Der Sound bei ABR ist ok, aber leider auch nicht überragend und für mich erneut zu leise.
Insgesamt stellen die Jungs aus Pennsylvania zwei Song aus ihrem neuen Album Leveler vor. Als erstes folgt die bereits vorab veröffentlichte Single "Empire", während der Jake mit kreisenden Fingerbewegungen zu Circlepits auffordert. Zum Ende des Songs folgt dann ein melodischer Part mit eingespieltem Kinderchor, allerdings wird bei dem später sozusagen als Weltpremiere vorgestellten "Divisions" klar, dass die Single nicht wegweisend für den Sound der kommenden Scheibe ist. "Divisions" ist wesentlich härter und weist wenig Melodien, dafür aber einige Rhythmuswechsel auf. Das traurig-schöne "Indonesia" wird leider ohne Einspieler der tollen, cleanen Vocals von BETWEEN THE BURIED AND ME Fronter Tommy Rogers vorgestellt, ist aber dennoch eine herrliche Livenummer. Beim ruhigeren Anfang von "Marianas Trench" verlangt die Band nach "Cell Phones" und Feuerzeugen, was von der Menge sofort aufgeführt wird und an einem so schönen lauen Vorsommerabend für eine Hammeratmosphäre sorgt. Fronter Jake scheint ebenfalls sichtlich ergriffen und reißt zum Ende des Songs theatralisch seine Arme hoch zu seinem Schöpfer, denn auch ABR sind strenggläubige Christen. Das ältere "Back Burner", mit einem fetten Breakdown und einem spontan von Jake tief gegrowlten "Rock Am Ring", sorgt nochmals für ordentlich Schwung in den Circlepits. Zu guter Letzt geben ABR das wunderbare "Redemption" zum besten, welches die Band ihrem "Lord And Savior" widmet.
Um kurz nach 1 Uhr endet für uns ein toller erster Festivaltag, und ich muss sagen, dass mir AUGUST BURNS RED eindeutig am besten gefallen haben – aber es liegen ja noch zwei Tage vor uns!
SAMSTAG, zweiter Tag
Bereits um 7 Uhr morgens am Samstag werden wir von unseren netten Zeltnachbarn von "Rockstar Energy Drink" mit ESCAPE THE FATEs "Ashley" geweckt, die dann aber glücklicherweise eine Stunde später nochmal für zwei Stunden Ruhe geben. Das Programm beginnt für uns nach einer Runde Chargen im Mediacenter um kurz vor 15 Uhr mit CALIBAN auf der Alternastage. Es ist zu dieser Zeit brütend heiß, weshalb ich versuche, so nah wie möglich an die Bühne zu gelangen, um im Schatten stehen zu können. In letzter Zeit habe ich mich kaum noch mit der Mukke der Jungs aus Hattingen beschäftigt, aber live sind sie doch jedes Mal wieder mitreißend. Sänger Andy ist zwar zwischen den Songs bei seinen Ansagen etwas zu betont cool, aber dafür überzeugt der Cleangesang von Gitarrist Denis Schmidt komplett. Das Gelände ist angenehmerweise zu dieser Zeit noch herrlich leer – nur der Bereich direkt vor der Bühne ist einigermaßen gefüllt und auch schon zu einigen Circlepits bereit. Besonders gefeiert werden während der leider sehr kurzen Spielzeit der Hit "It's Our Burden To Bleed" und das RAMMSTEIN-Cover "Sonne". Da die "Wall Of Death" glücklicherweise mittlerweile out zu sein scheint, sorgt Andys Ansage "Die Wall könnt Ihr machen, wie Ihr wollt" vor dem letzten Song "I Will Never Let You Down" auch für einige Schmunzler. Ein absolut gelungener Auftakt für Festivaltag Nummer zwei!
Die nun folgende dänische Band KELLERMENSCH ist uns bisher kein Begriff, aber als ein Riesencello auf der Bühne platziert wird, bleiben wir dann doch interessiert stehen. Den Namen haben die Jungs übrigens aus der deutschen Übersetzung des Romans "Notes from Underground" von Fyodor Dostoevsky. Um 15:30 Uhr stolpern dann sechs fast komplett schwarz gekleidete Herren auf die Alternastage und legen mit ihrem düsteren, basslastigen Sound, der mit einigen plötzlichen brachialen Ausbrüchen gespickt ist, los. Sänger Sebastian Wolff singt seine Songs mit einem Gefühl, einer Inbrunst und immer mit einem so tottraurigen Gesicht, dass man seinen Schmerz fast selbst spüren kann. Die Musik, die von der Akkordfolge fast ausschließlich in Moll stattzufinden scheint, ist definitiv interessant und sicherlich auch unkonventionell, mir persönlich aber viel zu getragen und traurig. Außerdem passt die Musik nicht wirklich zur ausgelassenen Festivalstimmung.
Direkt im Anschluss folgen vier Rotzlöffel aus der Glitzermetropole Las Vegas: ESCAPE THE FATE, bei denen sich der Zuschauerbereich rasend schnell füllt. Als die Bandmitglieder während eines bombastischen, vom Band stammenden Intros die Bühne entern, fällt als erstes auf, dass Bassist und Gründungsmitglied Max Green nicht mit von der Partie ist, da er sich zur Zeit in einer Entziehungsklinik befindet. Da ich ETF bereits zwei Mal gesehen habe – das erste Mal auf der Warped Tour 2007 in Los Angeles mit ihrem damaligen Sänger Ronnie Radke, und das zweite Mal einige Jahre später im Rahmen der Give It A Name Festivaltour in Köln mit Craig Mabbit am Mikro – bin ich sehr gespannt auf den heutigen Auftritt. Leider enttäuschen mich die Jungs auf ganzer Linie.
Craig Mabbit, der früher noch bei den Christen von BLESSTHEFALL am Mikro stand, macht nicht nur äußerlich so gezwungen auf Bad Boy und obercool, dass es absolut null authentisch wirkt; hinzu kommt, dass sein Gesang, wenn dieser nicht gerade vom Band kommt, sehr leierig und meist angestrengt klingt. Direkt beim ersten Song streckt er seinen Fans permanent die Zunge entgegen oder kippt sich – cool wie er ist – Bier über den Schädel oder spuckt wild umher. Stimmung kommt daher auch nicht wirklich auf, was der Sänger dann nach "10 Miles Wide" auch selber feststellt, worauf er dem Publikum den Spruch "You look asleep – Pick up the energy 10 times!" drückt. Auch wenn danach mit "Gorgeous Nightmare", "This War Is Ours" und "The Aftermath" drei sehr schöne Songs folgen, bei denen es sogar Circlepits und eine Wall Of Death gibt. Dabei beginnt Craig sogar auf Knien zu moshen. Leider vermisse ich bei der Setlist eindeutig Songs aus dem noch mit Ronnie Radke aufgenommenen Debütalbum Dying Is Your Latest Fashion. Zu guter Letzt scheitert der Frontmann auch noch dabei, sich a lá TAKING BACK SUNDAY sein Mikrokabel lässig um seinen Hals zu schwingen, was abschließend leider auch symbolisch für den heutigen Auftritt ist. Enttäuschend!
Wesentlich heftiger, aber auch überzeugender, ist um 19:20 Uhr der Auftritt von BRING ME THE HORIZON auf der Alternastage. Ich habe die Jungs bereits etliche Male live erlebt, aber der heutige Auftritt am Ring toppt sie wirklich alle. Allerdings muss ich zugeben, dass ich nur das aktuelle Album There Is A Hell, Believe Me I've Seen It. There Is A Heaven, Let's Keep It A Secret absolut liebe und die beiden ersten Alben mir zum großen Teil zu heftig sind. Live sind BRING ME aber dennoch jedes Mal überzeugend, auch wenn mir ihr modischer Vorzeige-Frontmann und Mädchenschwarm Oli Skyes meistens zu rotzig daherkommt und die Shows zu aggressionsgeladen sind. Auch heute ist der wieder super stylisch gekleidete, zierliche Sykes hauptsächlich am Kotzen, schmeißt angewidert sein Mikro auf die Bühne, fordert die Fans zum Stinkefinger-Zeigen oder zu Gewalt in den Pits auf, aber er strahlt und lächelt auch häufig, was ich bei dem sonst sehr introvertierten Sänger noch nie erlebt habe. Sowieso ist die komplette Band nur am Abgehen und sichtlich angetan von ihrer riesigen Zuschauermenge, wodurch der Funke von Anfang an überspringt.
Neben Oli zeigt sich heute außerdem Gitarrist Jona Weinhofen von seiner besten Seite. Erst singt er die cleanen Vocals bei "F.U.C.K.", die auf CD von Josh Franceschi (YOU ME AT SIX) beigesteuert wurden, so megageil und dann klettert er gegen Ende des Sets auch noch samt Instrument fast das komplette Bühnengerüst hoch, um von dort oben aus weiterzuspielen. Des weiteren schüren die Briten mit kurzen Anspielern der Songs "Blind" von KORN und "Down With The Sickness" von DISTURBED die Vorfreude auf die heutigen Headliner der Alternastage. Hasstiraden wie "And after everything you put me through, I should have fucking pissed on you!" oder Partyaufrufe wie "Party til you pass out, drink til you're dead. Dance all night til you can't feel your legs!" werden von nahezu allen Anwesenden lauthals mitgeschrien. Die Stimmung ist wirklich bombastisch, und auch wenn vielen die Attitüde der Band etwas too much ist, muss sicherlich jeder zugeben, dass BMTH es einfach drauf haben, eine Liveshow zu spielen und alles abzureißen. Herrlich!
Setlist BRING ME THE HORIZON: Alligator Blood / Diamonds Aren't Forever / It Never Ends / Fuck / Pray for Plagues / Football Season Is Over / Anthem / Chelsea Smile / No Need for Introductions, I've Read About Girls Like You on the Backs of Toilet Doors
Direkt im Anschluss an BMTH sind meine Lieblingsschweden IN FLAMES schon an der Reihe, die neben A7X mein Hauptgrund waren, zum Ring zu fahren. Da ich die Jungs am 01.06. bereits in Berlin im Rahmen einer Clubshow erleben durfte, bei der sie leider keine Pyro eingesetzt haben, hoffe ich bei der heutigen Show auf ordentlich Feuerwerk, werde allerdings schnell enttäuscht. Außer einer fetten Lichtshow setzen IF dieses Jahr anscheinend "nur" auf ihre Musik. Aber auch ohne fette Zusatzeffekte schaffen es IN FLAMES, ihre Fans von Anfang bis Ende mitzureißen. Nach den Hits "Cloud Connected" und "Trigger" begrüßt Sänger Anders die Meute mit einem kurzen "Rock Am Ring – Good Afternoon" und schon geht es mit "Alias" weiter. An den Drums sitzt heute nicht wie gewohnt Daniel Svensson, da dieser jüngst erneut Vater geworden ist, sondern Jonas Ekdahl (DEATHDESTRUCTION).
An Gitarrist Niclas Engelin, der seit diesem Jahr festes Bandmitglied der Schweden ist und der den im Februar 2010 wegen Alkoholproblemen ausgeschiedenen Jesper Strömblad ersetzt, hat man sich mittlerweile gewöhnt, da er auch bereits auf den letzten IN FLAMES Tourneen für Jesper eingesprungen ist. Sänger Anders präsentiert sich – neben neuen Tattoos und neuer Frise – gewohnt locker und sorgt auch zwischen den Songs mit lockeren Sprüchen wie "I hope it's ok if we play some new songs today? And if not – I don't give a fuck, but feel free to dance!" für etliche Schmunzler. Als nach "Only For The Weak" Roadie Biffen nackt auf die Bühne spaziert, um Anders ein Getränk zu reichen, erwidert der Sänger die verblüfften Blicke der Menge mit einem "What?! That's everyday life in Sweden!" Sein Wunsch beim darauf folgenden "Disconnected" nach einem "Big massive circlepit" wird ebenfalls sofort erfüllt.
Vor dem neuen Livekracher "Where The Dead Ship's Dwell" sichtet Anders einen Crowdsurfer in einem Rollstuhl auf der Menge und erklärt diesen als seinen persönlichen Helden des Tages und meint, er hätte heute am liebsten Sex mit jedem der Anwesenden, wenn er denn auch in einem Zelt übernachten würde. Spätestens an dieser Stelle ist die Stimmung auf dem absoluten Höhepunkt und die Band sichtlich beeindruckt von den Reaktionen ihrer Fans. Als Dankeschön folgen dann auch noch vier Hammersongs, und vor dem obligatorischen Schlusssong "My Sweet Shadow" verabschieden sich IN FLAMES mit den Worten "We hope to see some of your beautiful faces again this winter!". Einfach fantastisch – allerdings haben mich die aggressiven Corekids um uns herum total genervt. Die meisten waren tatsächlich nur anwesend, um sich vollkommen zuzulöten und danach in den Pits zu kloppen oder die ganze Zeit ununterbrochen zu quatschen. Selbst ich habe mit voller Wucht einen Ellbogen in die Rippen bekommen, nachdem ich wohl kurze Zeit etwas zu genervt in deren Richtung geschaut habe. Vom Auftritt her waren IN FLAMES bisher ohne Zweifel das absolute Highlight für mich.
Setlist IN FLAMES: Cloud Connected / Trigger / Alias / Pinball Map / Deliver Us / Only For The Weak / Disconnected / The Mirror's Truth / Where The Dead Ship's Dwell / Leeches / The Quiet Place / Take This Life / My Sweet Shadow
Da ich kein so großer KORN oder DISTURBED Fan bin und beide bereits etliche Male live erlebt habe, machen wir uns auf zur Centerstage und schauen uns nebenbei ein wenig die Auftritte von den SÖHNEN MANNHEIMS und COLDPLAY an. Die fehlende Pyro bei IN FLAMES gibt es dann zu Beginn bei COLDPLAY, und auch ein wenig Konfetti und große Ballons werden in die Menge gepustet. Dann beginnt plötzlich ein fieses Unwetter über dem Nürburgring zu wüten, mit heftigen Blitzen und Donner, wie ich es vorher nur selten erlebt habe. Wir eilen daraufhin schnell ins Zelt, doch dort ist das Gewitter noch weniger zu ertragen als auf dem Festivalgelände. Nach zwei Stunden wilden Tobens beruhigt sich die Wetterlage ein wenig und wir finden endlich ein paar Stunden Schlaf.
SONNTAG, dritter Tag
Der dritte und letzte Festivaltag startet wieder bei glühender Hitze und musiktechnisch für uns um 15:15 Uhr mit den Walisern FUNERAL FOR A FRIEND. Den kurz zuvor auf der Alternastage auftretenden, singenden Schauspieler TOM BECK aus der RTL Serie "Alarm für Cobra 11" bekommen wir glücklicherweise nur noch kurz zu sehen – und ich denke auch nicht, dass wir viel verpasst haben, denn es gab ja noch nicht einmal explodierende Autos auf der Bühne.
FFAF sind wie immer super gelaunt, und der obersymphatische Sänger Matt Davies-Kreye, der vor kurzem eine Münchnerin geheiratet hat, begrüßt die Meute nach den beiden ersten Songs "Roses For The Dead" und "Young And Defenceless" mit dem Satz "Guten Tag, you are fucking geil as fuck". Danach folgen "Damned If You Do, Dead If You Don't" und "Broken Foundation", wobei der letztere laut Matt "fast as fuck" sei. Leider dröhnen die Instrumente etwas zu sehr und die Growls von Drummer Ryan Richards sind ein wenig zu leise, dennoch herrscht unter den Anwesenden gute Stimmung. Auch der Band scheint's zu gefallen, denn Matt gesteht uns plötzlich "Ich liebe Dich, meine Freunds". Nach "Streetcar" und "Front Row Seats To The End Of The World" haben die Waliser leider nur noch kurz Zeit für das wundervolle "Escape Artists Never Die" und verabschieden sich nach nur einer halben Stunde schon wieder von uns – schade!
Leider muss ich mich dann eine gute Stunde später zwischen LIFEHOUSE und AVENGED SEVENFOLD entscheiden, wobei mir die Wahl da nicht ganz so schwer fällt, denn A7X zählen nun mal zu meinen absoluten Lieblingsbands. Bevor die Kalifornier loslegen dürfen, bekommen wir noch das Ende des MILLENCOLIN Auftritts mit, welcher mich tatsächlich sehr berührt. Besonders das wunderschöne, abschließende "The Ballad" kommt live bei einem so großen Festival richtig gut!
Dann verwandelt sich die Bühne in einen Friedhof mit drei riesigen Friedhofsgattern, die jeweils eines dieser Zeichen tragen: A, 7 und X. Einige Nebelschwaden läuten um 17.30 Uhr den Auftritt von AVENGED SEVENFOLD ein, und die Jungs legen gewohnt bombastisch mit "Nightmare" los. Die Amerikaner sind nicht gerade zimperlich, was ihre Show angeht, denn außer der fetten Bühnedeko entflammen im Hintergrund immer wieder einige Feuerbälle, was einfach super zu einem fetten Festivalauftritt passt. Einziges Manko ist, dass es für die Pyro noch nicht dunkel genug ist, aber das tut der überschwänglichen Stimmung keinen Abbruch. Sänger M. Shadows gibt sich gewohnt cool, allerdings heute ohne Cappie, dafür mit ordentlich Mukkies, Tattoos und ganz viel Bühnenpräsenz. Seine Ansagen sind meist nur kurz, und so gibt es zur Begrüßung auch nur die Worte "Welcome to the show, motherfuckers", und bevor darauf passenderweise "Welcome to the family" gespielt wird, bemerkt Matt noch, dass die Jungs sich viel zu selten hier in Deutschland blicken lassen und dass dies in Zukunft geändert werden soll. Ich bin gespannt, ob er Wort hält.
Nach der ironischen Ankündigung "We are going to play a ballad for you now...", wird der Hit "Almost Easy" vom 2007er self-titled Album zum Besten gegeben. Beim Übergang zum heftigeren Part des wunderschönen "Buried Alive" schmeißt Shadows seinen Mikroständer kurzerhand seiner Assistentin zu, um ordentlich abzugehen. Als danach "Afterlife" – einer meiner Lieblingssongs – folgt und so überzeugend dargeboten wird, laufen mir unaufhaltsam die Tränen übers Gesicht, was sicherlich auch mit an der Hammeratmosphäre am Ring liegt – Gänsehaut pur! Nach der kleinen Verschaufspause gehen die Kalifornier wieder zu härteren Tönen über und kündigen den nächsten Song "God Hates Us" als einen Song an, den sie an einem Sonntag wohl eher nicht spielen sollten. Sänger Shadows Organ ist der absolute Wahnsinn und besonders seine Screams sind einfach weltklasse. Zum Abschluss folgen dann die beiden Klassiker "Bat Country" und "Unholy Confessions", bei denen die Meute in den Pits gar kein Halten mehr kennt. Ich bin überglücklich und habe durch A7X mein persönliches Festivalhighlight bereits erreicht.
Setlist AVENGED SEVENFOLD: Nightmare / Critical Acclaim / Welcome to the Family / Almost Easy / Buried Alive / Afterlife / God Hates Us / Bat Country /Unholy Confessions
Nach A7X eilen wir rüber zur Alternastage, um wenigstens noch ein paar Klänge von den fast parallel spielenden ALTER BRIDGE mitzubekommen. Leider erwischen wir lediglich noch die letzten drei Songs "Come To Life", "Rise Today" und "Isolation". Aber die Stimmung ist top und der Sound einfach nur fett. Die anwesenden Mädels schmachten teilweise sogar mit "Myles marry me"-Schildern nur den sexy Frontmann an, die Jungs dagegen verfolgen gespannt das permanente Gitarrenduell zwischen Sänger Myles und Gitarrist Mark Tremonti. Mir ist dieses Gitarrengepose auf Dauer eigentlich immer too much, allerdings hätte ich heute gerne noch mehr gesehen. Zum Abschluss schenkt uns Myles noch ein tollen Kompliment mit "Germany, you are beyond beautiful" und rät allen, auf sich aufzupassen und nicht allzu viel zu trinken. Alles klar, Myles – aber wer kann einem solchen Mann schon etwas krumm nehmen. Meine Vorfreude auf Mittwoch im Hamburger Stadtpark ist jedenfalls nochmals gestiegen!
Die daraufhin auf der Centerstage folgenden Bands VOLBEAT und BEATSTEAKS sind beide nicht unbedingt mein Fall, aber wir verfolgen ihre Auftritte dennoch beiläufig, und besonders die BEATSTEAKS reißen hier wirklich alles ab. Der letzte Song "Let Me In" im wundervollen Sonnenuntergang am Ring ist ohne Frage ein absoluter Traum.
Für viele sicherlich verwunderlich ist, dass ich auch dem Festivalheadliner SYSTEM OF A DOWN nicht sonderlich zugetan bin und mich daher auch nur schweren Herzens gegen die parallel auf der Alterna spielenden 3 DOORS DOWN entscheiden kann. Der einsetzende Regen macht mir die Entscheidung dann aber doch ein wenig leichter.
Vor Beginn des Re-Union Auftritts von SOAD ist die Bühne noch in einen weißen Vorhang gehüllt, auf den kurze Zeit später durch Lichtstrahler der Bandname projiziert wird. Für das Publikum gibt es bereits ab diesem Zeitpunkt kein Halten mehr, und als der Vorhang dann plötzlich fällt und die Band enthüllt, herrscht Ausnahmezustand. Dabei setzt die Band um die beiden Frontmänner Serj Tankien und Daron Malakian auf keinerlei Bühnenshow oder andere Effekte. Die Musiker stehen jeweils auf großen Teppichen und bewegen sich auf ihre ganz eigene, durchgeknallte Art zum Takt ihrer Hymnen.
Auch wenn mich die Musik von SOAD privat kaum berührt, der heutige Auftritt am Ring tut es, und das liegt hauptsächlich am fantastischen Publikum, welches im teilweise strömenden Regen jede einzelne Textzeile der Kalifornier lauthals mitbrüllt. Das dann noch von oben erleben zu dürfen und auf die mit bengalischem Feuer verzierten Circlepits zu schauen, ist einfach atemberaubend und eine Erfahrung, die ich so schnell nicht vergessen werde. Mein Highlight ist auf alle Fälle das bereits zur Halbzeit gespielte „Chop Suey!“ - fantastisch und ein absolut würdiger Headliner für das schöne Festival in der Eifel.
Setlist SYSTEM OF A DOWN: Prison Song / Solder Side (Intro) / I-E-A-I-A-I-O / Needles / Deer Dance / Radio/Video / Hypnotize / Question! / Suggestions / Psycho / Chop Suey! / Lonely Day / Bounce / Kill Rock 'n Roll / Lost in Hollywood / Forest / Science / Darts / Aerials / Tentative / Cigaro / Suite-Pee / War? / Toxicity / Sugar
Abschließend muss ich sagen, dass ich wirklich glücklich und dankbar bin, ROCK AM RING 2011 miterlebt zu haben. Alle Bands, die ich gesehen habe, waren hochmotiviert, wobei für mich IN FLAMES und AVENGED SEVENFOLD am allermeisten geglänzt haben. Die Securities haben uns persönlich super behandelt, waren immer hilfsbereit und absolut unkompliziert. Außerdem wurden bei dem an eine Sackgasse erinnernden Zuschauerbereich vor der Alternastage im Anschluss an die Konzerte immer die Notausgänge geöffnet, wodurch der Publikumsansturm schnell abwandern konnte.
Negativ war für mich persönlich teilweise die Masse an Leuten – 85.000 ist schon echt ein heftiger Stiefel und auch für das eigentlich sehr großflächige Ring Festivalgelände kaum erträglich. Dann die Aggressivität der jungen Festivalbesucher und das dürftige Angebot an Band Merchandise Artikeln. Außerdem war der Sound meiner Meinung nach häufig zu leise.
Ansonsten gibt es aber nichts zu meckern und ich könnte mir gut vorstellen, der Eifel und dem Ring 2012, wenn DIE TOTEN HOSEN zu ihrem 30jährigen Bandjubiläum das Festival headlinen, wieder dabei zu sein.
http://www.rock-am-ring.com/
http://www.ringrocker.com/
Fotos © BurnYourEars / Jana Meyer
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