Saltatio Mortis - Brot und Spiele (Deluxe Edition) Tipp

Saltatio Mortis - Brot und Spiele (Deluxe Edition)
    Deutschrock/Mittelalter/Folk

    Label: We Love Music/Universal
    VÖ: 17.07.2018
    Bewertung:8/10

    SALTATIO MORTIS im Web


SALTATIO MORTIS sind spätestens seit "Zirkus Zeitgeist" eine der kommerziell erfolgreichsten Mittelalter-Bands Deutschlands. Drei Jahre später veröffentlichen die produktiven Spielleute mit "Brot und Spiele" das elfte Studioalbum im 19. Bandjahr. Ob es an den Erfolg des Vorgängers anknüpfen kann, erfahrt Ihr hier.

"Zirkus Zeitgeist", das wenige Monate nach Veröffentlichung nochmals in einer Akustiversion erschien, schaffte es auf Platz 1 der deutschen Charts, konnte musikalisch bis auf einige Ausnahmen aber nicht überzeugen. Um das Fazit gleich vorweg zu nehmen: Die zwölf Songs auf "Brot und Spiele" sind wesentlich stärker ausgefallen und kommen verdammt schnell auf den Punkt. Alt-Fans müssen aber tapfer sein.

Quo vadis, SALTATIO MORTIS?

Grund dafür ist der deutlich erhöhte Deutschrock-Anteil, der hörbar von DIE TOTEN HOSEN beeinflusst wurde. Vom stürmischen, hochmelodischen Gänsehaut-Opener "Große Träume" über das treibende "Dorn im Ohr" und das wütende "Europa" mit denkwürdigen Textzeilen wie "All die vielen gold'nen Sterne, sind so schön, doch weit entfernt / Aus den Trümmern all der Kriege haben wir doch nichts gelernt" bis zum Abschluss "Sie tanzt allein" glänzen zwei Drittel der Songs mit unwiderstehlichen Mitsing-Refrains, von Dudelsäcken untermalten "Ohohoh"-Chören und höchst eingängigen Melodien.

Songaufbauten, Melodien und Vocals erinnern teils stark an die Punkrocker aus Düsseldorf, ohne aber abgekupfert zu klingen. Insbesondere Sänger Alea profitiert von der rockigen Ausrichtung und setzt mit einer starken Performance sein raues, wütendes Organ gekonnt in Szene - ganz gleich, ob in aggressiven Songs oder ruhigen Momenten.

Schmissiger Deutschrock mit Dudelsack-Untermalung

Im Gegenzug wurde der Anteil an mittelalterlicher Instrumentierung sehr stark zurückgefahren. Die prägnanten Dudelsäcke dienen hauptsächlich der Untermalung und Betonung von Melodien und Chören, die Harmonien könnten aber problemlos von den Gitarren übernommen werden. Bis auf vereinzelte Klänge und Akzente hat die Mittelalter-Abteilung neben der klassischen Gitarre/Schlagzeug/Bass-Besetzung recht wenig zu tun.

Im Grunde findet sich mit dem fröhlichen Tanzlied "Mittelalter" mit Vocals von Malte Hoyer (VERSENGOLD) und Mr. Hurley (MR. HURLEY & DIE PULVERAFFEN) nur ein Track auf "Brot und Spiele", der auf elektrisch verstärkte Gitarren verzichtet und luftige Flöten und Fideln in den Vordergrund rückt. Für ungetrübtes Mittelalter-Flair muss man auf die Deluxe Edition mit der Bonus-CD "Panem et circenses - ad fontes" zurückgreifen - dazu später mehr.

Deutlich plakativer als "Mittelalter" und mit rotzigem Punk-Anstrich versehen ist das Sauflied "Nie wieder Alkohol" nicht unbedingt mein Favorit, aber mit einem so schrecklichen Refrain versehen, dass er schon wieder geil ist - zwei, drei Bier intus vorausgesetzt. Verschnaufpausen gibt es mit dem traurigen, von einem Piano getragenen "Spur des Lebens" mit Gast-Vocals der wunderbaren Marta Jandova (DIE HAPPY), auf das Der Graf von UNHEILIG stolz wäre, und "Träume aus Eis" mit einem merkwürdigen Kontrast aus getragenen, melancholischen Strophen und befreitem Chorus.

Abwechslungsreiche Songs, gelungene Lyrics

Als Kontrast können SALTATIO MORTIS richtig wütend werden. Der Titeltrack überrascht mit megafetten Riffs, treibendem Rhythmus und aggressiver Stimmung, im Text wird mit der nach Unterhaltung gierenden Gesellschaft und verblödeten Medienlandschaft abgerechnet, und die mittelalterlichen Instrumente haben mehr zu tun als in den übrigen Rocksongs. Das knackige "Besorgter Bürger" ist ein deutliches Statement gegen Rassisten und Neonazis, in dem die Musiker wie gewohnt (und geschätzt) kein Blatt vor den Mund nehmen.

Das befreite "Ich werde Wind" beginnt mit einer Melodie, die man unmöglich aus dem Kopf bekommt und verbreitet etwas gemäßigter pure Aufbruchstimmung. Geradezu episch ist das mitreißende, dramatisch aufgebaute "Brunhild" mit satten Riffs, das als einzige Nummer einen historisch bezogenen Text beinhaltet. Mit mächtigem Groove, dramatischen Strophen und hochmelodischem Chorus geht die knackige Nummer ebenfalls direkt ins Ohr.

Textlich bieten SALTATIO MORTIS wieder eine breite thematische Palette: Leicht pathetischer Rückblick auf das eigene Schaffen, persönliche Geschichten und Erfahrungen, deutliche Worte zur aktuellen politischen Lage (Europa, Rechtsruck), ein bisschen Spaß, ein wenig Historisches. Gerade bei einer deutschen Band hört man ja immer etwas genauer auf die Texte, die insgesamt sehr gelungen und intelligent ausgefallen sind (was in der Vergangenheit nicht immer der Fall war) - auch, wenn die Reime stellenweise etwas holprig und einige Umschreibungen manchmal etwas zu direkt und plakativ oder aber nicht deutlich genug und zu anspielend wirken.

Mittelalter? Da war doch was ...

Wer nach einer knappen Dreiviertelstunde Deutschrock mit latenter Dudelsack- und Flötenuntermalung nach der vollen Mittelalter-Dröhnung dürstet, sollte sich unbedingt die Deluxe Edition von "Brot und Spiele" kaufen. Die ist im stabilen Mediabook nicht nur hübscher und wertiger aufgemacht als die Einzel-CD, sondern beinhaltet mit "Panem et circenses - ad fontes" eine ebenso lange CD mit zusätzlichen 13 Tracks, allesamt ohne E-Gitarren, aber mit zahlreichen mittelalterlichen Instrumenten eingespielt.

Neben packenden Instrumentals und Zwischenstücken ("Drachentanz", "Ad digitum prurigo", "Raghs-e-pari", "Amo lem ad nauseam") kommen Mittelalter-Fans so in den Genuss von mitreißenden Nummern wie "Heimdall" mit sehr gutem Text zum Wächter Asgards aus der nordischen Göttersaga und getragenen, schmerzvollen Momenten ("Schon wieder Herbst").

Ungewöhnliche, anderssprachige Songs wie "Epitaph To A Friend", das in bittersüßer Stimmung dazu einlädt, das Glas Guinness oder Whiskey auf die von uns gegangenen Freunde zu erheben, "Marselha" oder "Volta", der dänische Weihnachtssong (!) "Mitt Hjerte Alltid Vanker", der altschwedische Folksong "Herr Holkin" und die hörenswerte Erzählung "Tränen des Teufels" komplettieren die Tracklist, in der sich rein instrumentale Stücke und solche mit Gesang gekonnt abwechseln.

"Brot und Spiele" ist ein mehr als rundes Paket (nicht nur) für Fans der letzten Alben

Weil nicht nur die sowohl rockigen als auch mittelalterlichen Stücke auf voller Linie überzeugen, sondern auch die sehr satte Produktion gefällt, kann für "Brot und Spiele" nur eine klare Kaufempfehlung ausgesprochen werden. Nur, wer die Entwicklung zum von den HOSEN beeinflussten Deutschrock und Ähnlichkeiten zur metallischen Ausrichtung von IN EXTREMO nicht mag, wird höchstens mit der zweiten CD der Deluxe Edition glücklich.

Trackliste

CD 1
Ein Stück Unsterblichkeit
Große Träume
Dorn im Ohr
Ich werde Wind
Europa
Spur des Lebens
Brot und Spiele
Nie wieder Alkohol
Träume aus Eis
Mittelalter
Brunhild
Besorgter Bürger
Sie tanzt allein

CD 2
Präludium - Ad fontes
Heimdall
Drachentanz
Schon wieder Herbst
Epitaph To A Friend
Ad digitum prurigo
Herr Holkin
Raghs-e-Pari
Tränen des Teufels
Amo lem ad nauseam
Marselha
Volta
Mitt Hjerte Alltid Vanker