Ray Wilson & Stiltskin - She


Review


Stil (Spielzeit): Rock/Alternative (50:04)
Label/Vertrieb (VÖ): Inside Out/SPV (06.10.06)
Bewertung: 7,5/10 - Gutes Rockalbum des Ausnahmesängers, jedoch kein richtiges STILTSKIN-Album
Link:

http://www.stiltskin.org
http://www.myspace.com/stiltskin2006

 
Schreibt man eine Rezension zu einem neuen STILTSKIN-Album, kommt man nicht umhin, einige Worte über die Bandgeschichte zu verlieren. Hat die Combo doch nur einen internationalen Hit zu verzeichnen und seit mehr als einer Dekade kein neues Album veröffentlicht. Also gut, werde ich eben kurz Revue passieren lassen, woher STILTSKIN eigentlich kommen:
Im Jahre 1992 hatte der britische Musiker und Produzent PETER LAWLOR, bislang hauptsächlich für die Werbung tätig, einen Song für eine breit angelegte Levi’s-Kampagne komponiert. Da man keine etablierte Band gewinnen konnte, die „Inside“ für den Jeans-Hersteller intonieren wollte, beschloss LAWLOR schließlich, eine fiktive Band zusammenzustellen, die als Vehikel für den Song und somit für den TV-Spot dienen sollte. STILTSKIN, eindrucksvoll repräsentiert durch den schottischen Sänger RAY WILSON, waren geboren.

Man stelle sich vor, wir befinden uns am Ende der Grunge-Ära. Na klar: Der richtige Sound, um an das Lebensgefühl der Hosenträger zu appellieren, war natürlich eine Vermengung von Grunge und Indie. Ein Umstand, der dafür verantwortlich ist, dass STILTSKIN auch heute noch gerne dem Grunge zugeordnet werden. Dass dies eine Fehleinschätzung ist, beweist das Debüt- und bis dato einzige Album „The Mind’s Eye“, das noch zwei respektable Chartserfolge lieferte. 

Aber so weit sind wir ja noch nicht. „Inside“ wurde durch die erfolgreiche Werbekampagne ein Smash, und STILTSKIN wurde zu einer richtigen Band mit richtigen Gigs. Schon damals zeichnete sich ab, dass Studio-Zampano LAWLOR, der sich auch den Gitarristenposten geschnappt hatte, nicht unbedingt ein einfacher Zeitgenosse ist. Kritisch auch: LAWLOR war zu diesem Zeitpunkt bereits Millionär, und bezahlte den Bandmitgliedern einen Musikerlohn. Die Krise war perfekt. 

Bereits während der Aufnahmen zum zweiten Album zerbrach die Band aufgrund interner Differenzen. Und dann kam da noch eine Band namens GENESIS daher, die einen Nachfolger für den leidlich bekannten Popsänger PHIL COLLINS suchte.
Heute blickt Ray Wilson auf eine turbulente Karriere zurück: Ein Tape mit seiner ersten Band GUARANTEED PURE, ein Album mit STILTSKIN, ein Album mit GENESIS, das nicht den gewünschten Erfolg liefern konnte, ein Album mit der STILSKIN-Nachfolgeband CUT,  Gastauftritte bei TURNTABLEROCKER und den SCORPIONS, sowie zwei Soloalben und zahlreiche Live- und Unplugged-Aufnahmen, die es in CD-Form zu erwerben gibt. So richtig zu Gold wurde leider nichts davon, und wenn, dann scheiterte es bereits beim Versuch, den Erfolg aufrecht zu erhalten. 

Womit wir in der Gegenwart angelangt wären: STILTSKIN veröffentlichen am 6. Oktober ihr zweites Album “She“. Stellt sich die Frage: Wer sind STILTSKIN 2006 eigentlich?
Der damals federführende LAWLOR ist zumindest nicht mehr dabei. Kreativer Kopf ist heute das damalige Aushängeschild RAY WILSON, Tourkeyboarder IRVIN DUGUID darf sich diesmal zur Stammbesetzung zählen. Wären da noch der deutsche UWE METZLER an der Gitarre, ALVIN MILLS am Bass sowie NIR Z an den Drums. Allesamt Musiker, die Seitenweise Referenzen im Studio und als Tourmusiker diverser Acts gesammelt haben. Von der Urbesetzung bleibt ungeachtet dessen nur WILSON. 
Was gibt es von den neuen STILTSKIN zu erwarten?
Zuerst einmal muss man sagen, dass sich “She” nicht unbedingt durch einen authentischen Bandsound auszeichnet, es ist eher das Album eines Singer/Songwriters und eines Produzenten, wobei die beteiligten Musiker durchaus alle ihren eigenen Musikgeschmack haben einfließen lassen. So nennen STILTSKIN als ihre Einflüsse unter anderem AUDIOSLAVE, DAVID BOWIE und DAFT PUNK. Nur war weder die ganze Band an der Komposition jedes Songs beteiligt, noch wurde jeder Song von einer einheitlichen Besetzung eingespielt.  
Auf den Punkt bringt es dann die kürzliche Umbenennung des Projekts: SPV entschied sich, das Label RAY WILSON mit auf das Cover zu packen. Sprich: “RAY WILSON & STILTSKIN”. Bei den bislang angekündigten Gigs sind dann auch NIR Z und ALVIN MILLS nicht mehr dabei, stattdessen dann die von den bisherigen Solo-Auftritten bewährten Brüder LAWRIE und ASHLEY MCMILLAN, sowie ALI FERGUSON als zusätzlicher Gitarrist.
Zu den Songs: Zu hören sind druckvolle Rocksongs, die zusammenfließen aus Elementen des NuMetal und Alternative Rock der Marke AUDIOSLAVE, wobei immer mal wieder atmosphärische und Synthie-getriebene Einschübe die Verwandtschaft zu GENESIS durchscheinen lassen, Streicher den Hintergrund zukleistern und massiv von Samples Gebrauch gemacht wird. Trocken oder gar cool wollen STILTSKIN Anno 2006 nicht klingen. Bei Songs wie „She“ ist das Grundgerüst sogar ein ziemlich tanzbarer Beat, wie man ihn auch bei oben genannten DAFT PUNK hören könnte, ein Verweis auf die Handschrift des Produzenten PETER HOFF (TURNTABLEROCKER), der offensichtlich diesen Einfluss mit in die Produktion gebracht hat. Auffälligerweise sind die Drums auch sehr anorganisch produziert, obwohl hier die ganze Zeit ein Drummer aus Fleisch und Blut am Werk ist, was sicherlich Geschmacksache ist. „Lemon Yellow Sun“ ist gar eine Art ROXETTE-Ballade geworden, während „Show Me The Way“ mit seinem Rhythmus und dem dominanten Piano auf COLDPLAY verweist. Auch markant: in „Summer Days“ hören wir die Gitarrenakkorde von „Hier kommt Alex“ von den TOTEN HOSEN. Der alte STILTSKIN-Sound kommt lediglich hier und da in den Bassriffs zum Vorschein, die den entspannten und dennoch treibenden Groove von INSIDE Revue passieren lassen. Und natürlich durch die unverwechselbare Stimme von RAY WILSON, der nichts von seiner Überzeugungskraft eingebüßt hat.
Also: „She“ ist eigentlich ein weiteres Soloalbum von RAY WILSON, das jedoch unter dem Namen STILTSKIN serviert wird, da es die härtere Seite seines Schaffens ebenso repräsentiert wie seinerzeit „The Mind’s Eye“. Man sollte aber nicht erwarten, dass man „She“ automatisch mag, wenn man schon den Erstling in seiner Sammlung hat. Über die Qualität des Albums sagt dieser Vergleich freilich nichts aus. Ich würde aber sagen, wer nicht unbedingt den letzten Schrei in Sachen zeitgemäßer Rockmusik erwartet und mit den oben genannten Einflüssen und Eigenheiten des hier präsenten Sounds etwas anfangen kann, sollte zumindest einmal reingehört haben. Die Produktion ist transparent und druckvoll, aber eben auch sehr mit Produktionsgimmicks angereichert. 

Fazit: Mir gefällt’s.
BYE Redaktion

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