Hallo Selim! Dich überrascht es wahrscheinlich nicht, dass die Leute versuchen, deine neue Musik mit THE DEVIL'S BLOOD zu vergleichen.
Nein. Das ist ein bisschen ärgerlich und sogar enttäuschend, aber definitiv nicht unerwartet.
Enttäuschend, weil dein aktuelles Projekt ein Neustart für dich ist?
Nein, sondern weil es unnötig ist. Es ist natürlich in Ordnung, den Kontext zu sehen, die Entwicklung und die Abweichungen, aber für andere Leute ist der Vergleich ein anderer Weg, um zu sagen: Die Vergangenheit war das, wie es sein sollte.
SELIM LEMOUCHI & HIS ENEMIES spielen auf jeden Fall einen anderen Stil als THE DEVILS BLOOD: wesentlich frei fließender und psychedelischer. Wie kommt’s?
Es ist das, was ich an diesem Punkt meines Lebens machen musste. THE DEVIL’S BLOOD war das, was ich an einem anderen Zeitpunkt machen musste, und als das vorbei war, musste ich mich auf eine Weise ausdrücken, wie ich es vorher nicht konnte. Der Unterschied liegt für mich nicht so sehr in der Musik. Entscheidend sind die Inhalte, der Grund, warum das Album entstanden ist, und seine Symbolik.
Dann erzähl mal, wie es entstanden ist. Hast du die Musik allein geschrieben?
Nein. Ich habe das Album mit einem guten Freund von mir geschrieben. Und viele weitere Leute waren ebenfalls daran beteiligt, insofern, als dass ich allen Gastmusikern die Freiheit gelassen habe, ihre Parts selbst zu gestalten. Das meiste davon war improvisiert. Wir hatten zwar eine Idee, in welche Richtung das Album gehen sollte, und die hat man auf den Demos gehört. Aber das Album ist Lichtjahre davon entfernt.
Bei THE DEVIL’S BLOOD hast du noch alles allein komponiert. Wieso hast du diesmal einen anderen Weg gewählt?
Weil es ein neues Kapitel war. Ich sehe keinen Sinn darin, ein neues Kapitel zu beginnen und dann die Strukturen des vorherigen weiterzuführen. Wenn du etwas verändern musst, musst du alles verändern.
Der Grund für THE DEVIL’S BLOOD war, dass ich Visionen und Träume hatte, die ich in die Realität umsetzen musste – in Form von Musik, denn das ist die einzige Sprache, die ich spreche. Es war nicht möglich, das anders zu machen, als ich es getan habe. Diesmal war ich völlig frei zu tun, was immer in dem Moment erforderlich war. Das ist der Hauptunterschied: Ich bin wesentlich freier, als ich früher war.
Was kannst du mir über die Texte erzählen?
Die Texte sind von mir. Es ist schwierig zu erklären, worum es geht. Lass es mich so beschreiben: Es geht um mich. Die Texte sind sehr ehrlich. Extrem spirituell und gleichzeitig sehr weltlich. Irdisch, aber auch über den Himmel. Feurig, aber auch über das Meer. Es geht um alle Faktoren, die mich ausmachen, mein Leben, meine Träume. Die Texte zeigen Schnappschüsse von dem, was in meinem Kopf ist. Und manchmal einen Moment meines Lebens, oder bestimmte Siege und Niederlagen, die ich erlebt habe, oder eine der Stimmen, die zu mir sprechen.
Ich habe den Eindruck, dass wir bereits über den Albumtitel reden. „Earth Air Spirit Fire Water“, das bist du – kann man es so einfach ausdrücken?
Ja, könnte man. Allerdings hat alles auch eine Schattenseite, die ebenso wahr ist. Deshalb bin nicht nur ich es, sondern auch du, der Rest der Welt, das Universum, jede Zelle meines Körpers und meine Seele.
Warum hast du das Projekt SELIM LEMOUCHI & HIS ENEMIES genannt?
Warum nicht?
Weil man denken könnte, dass der Name an diejenigen gerichtet ist, die dich vor Gericht gebracht haben. (Anm. d. Red.: Selim ist in Deutschland wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt worden.)
(Lacht) Daran habe ich nie gedacht. Für mich ist es einfach nur ein Name, der nicht wichtig ist.
Das überrascht mich. Alles an deinem Album hat eine Bedeutung, nur der Name, unter dem du es veröffentlichst, nicht?
Ich will nicht sagen, dass er gar keine Bedeutung hat. Aber mal angenommen, ich hätte der Band einen bestimmten Namen gegeben und dieses Album rausgebracht. Dann würde jeder denken, dass dies die Art von Musik ist, die diese Band spielt. Wenn ich dann das nächste Mal etwas Anderes gemacht hätte, hätten alle gesagt, dass es nicht das ist, was sie erwartet hatten. Du weißt, wie das läuft mit Bands, die versuchen, etwas zu verändern. Wenn ich meinen eigenen Namen verwende, kann ich machen was ich will.
Also geht es wieder um Freiheit.
Absolut.
Wer sind die Musiker, die auf dem Album zu hören sind?
Sie sind meine Freunde. Menschen, mit denen ich in den letzten Jahren zusammengearbeitet habe, Menschen, die ich getroffen habe, Musiker, mit denen ich noch nie zusammen gespielt habe, aber dachte, dass es interessant sein könnte. Menschen, die nicht einfach nur spielen, was ich ihnen sage, sondern solche, die dem Ganzen etwas hinzufügen können.
Einer dieser Menschen ist deine Schwester Farida, die bei THE DEVIL’S BLOOD gesungen hat.
Das war sehr interessant. Farida war es gewohnt, dass ich ihr genau sage, was sie tun soll. Diesmal habe ich ihr erlaubt, ihren eigenen Weg zu finden – und ich bin überzeugt, dass das Ergebnis das Beste ist, das zu diesem Zeitpunkt möglich war. Und mit den anderen Musikern war es genauso. Wenn man talentierten Menschen den Freiraum lässt, kommen erstaunliche Dinge dabei heraus.
Du wirkst sehr zufrieden mit dem Ergebnis dieser neuen Art, Musik zu machen.
Es ist das, was ich im Moment mache, und es funktioniert. Das heißt aber nicht, dass sich das in der Zukunft nicht wieder ändern kann.
Das Konzept, keine Band im eigentlichen Sinne zu haben, macht es aber kompliziert, Konzerte zu spielen, oder?
Ja, da stimmt. Aber andererseits war es nie meine Hauptmotivation, live zu spielen. Es ist oft nervig, immer schwierig und nie perfekt. Oft ist es auch verknüpft mit Dingen, die ich absolut hasse, zum Beispiel mit vielen Menschen gleichzeitig zu tun zu haben, oder mit Leuten zu reden, wenn ich es nicht will. Außerdem waren THE DEVIL’S BLOOD immer eine Nullsummenrechnung: Wir haben sehr hart gearbeitet und buchstäblich nichts verdient. Diesmal werde ich nur noch spielen, wenn jeder in meiner Band etwas dafür bekommt. Das muss nicht viel sein, aber wenn das nicht geht, bleibe ich zu Hause.
Geht es also wieder um Freiheit?
Es geht darum, dass es auf meine Art läuft. Ich bin nicht mehr daran interessiert, einfach eine Rock n‘ Roll-Show zu spielen, davon gab und gibt es schon zu viele. Ich möchte etwas Spezielles machen – so wie bei der Album-Präsentation am 7. Dezember in Eindhoven. Da wird es Kunst geben, eine Ausstellung und Videos. Und wir werden zwei Shows spielen: Einmal das komplette Album und das gesamte Material, das wir bisher veröffentlicht haben, mit elf Musikern auf der Bühne. Danach kommt noch ein komplett improvisiertes Set. Ich will etwas erschaffen, das die Leute nicht sofort wieder vergessen, und das ist mir auch den Aufwand wert.
Du bist auch beim Hell Over Hammaburg Festival am 1. März in Hamburg dabei. Was hast du dort vor?
Dort werden wir auf einer recht kleinen Bühne spielen. Wir kommen wohl mit sechs oder sieben Musikern. Ich denke aber, dass wir es auch dort hinkriegen, etwas Besonderes auf die Beine zu stellen.
Und was wird in Zukunft passieren? Schreibst du schon an neuem Material?
Ja, das mache ich mehr oder weniger immer. Im Moment verbraucht der Gig im Dezember in Eindhoven aber all meine Energie. Danach: Wir werden sehen. Ich strebe aber mindestens ein oder zwei Veröffentlichungen für 2014 an.
Wieder unter dem Label SELIM LEMOUCHI & HIS ENEMIES?
Ja, wahrscheinlich. Außer, wenn ein sehr guter Grund dagegen spricht.
Gibt es eine Chance, noch einmal von THE DEVIL’S BLOOD zu hören?
Nein, nie.
Geschrieben von Helge Mittwoch, 27 November 2013 18:14
Selim Lemouchi im Interview zu "Earth Air Spirit Water Fire"
THE DEVIL'S BLOOD sind Geschichte – und der Kopf der Band, Selim Lemouchi, schlägt das nächste Kapitel seines Lebens auf. Wir haben mit ihm über sein neues Projekt SELIM LEMOUCHI & HIS ENEMIES und das erste Album "Earth Air Spirit Water Fire" gesprochen.
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