Geschrieben von Fabien Samstag, 01 Mai 2010 00:00
Dying Fetus, Beneath The Massacre & Origin – Berlin / SO36
DYING FETUS, BENEATH THE MASSACRE und ORIGIN überbieten sich gegenseitig beim Finden einer neuen Definition für „Technical Metal“.
Ungefähr 700 Leute versammeln sich an diesem Mittwochabend im Berliner Club SO36 – ein paar weniger als reinpassen, sodass jeder noch genug Platz zum Haareschütteln hat. Das Tour-Plakat verzeichnet neben den drei Haupt-Acts noch REVOCATION und MAN MUST DIE, von denen ich aber nichts mitbekomme, obwohl ich kurz nach Einlass beim Club bin. Auch im Backstage sind nur die drei erstgenannten Bands anwesend. Was nur bedeuten kann, dass ich nichts verpasst habe. Umso besser!
ORIGIN halten sich nicht lange mit Sperenzchen auf, sondern geben dem Publikum erst mal eine Ohrfeige mit dem Spaten. Da ich die Band bis dato nicht kannte, stehe ich ebenso beeindruckt wie ratlos vor der Bühne. Gitarrist und Bassist stehen quasi reglos da, während ihre Finger in Überlichtgeschwindigkeit über die Griffbretter flitzen. Sowas haste noch nicht gesehen! Speziell der Bassist (der schon nach dem ersten Song geschätzte dreizehn Liter Schweiß verloren hat) sorgt für offene Münder bei den Zuschauern, sodass manch einer vor Begeisterung das Headbangen vergisst.
Für Außenstehende sind die Blast-Attacken der Band aber schwer zu durchschauen, sodass es am Ende vor allem Respektsbekundungen für die Einzelleistungen der Musiker gibt.
Bei BENEATH THE MASSACRE sieht die Sache nur leicht anders aus. Auch hier scheint es viele Leute im Publikum zu geben, die die Kanadier zum ersten Mal sehen und hören. Deren überlange und vertrackte Songs kommen im Saal aber etwas besser an als die nicht minder komplizierten Nummern von ORIGIN. Was wohl daran liegen mag, dass BENEATH THE MASSACRE einen Hauch mehr Groove in ihr Gefrickel legen. Zudem ist Sänger Elliot eine sympathische Rampensau, der einen markigen Spruch nach dem anderen von der Leine lässt.
Als DYING FETUS schließlich die Bühne entern, werden sie schon von einer jubelwütigen Menge erwartet. Anscheinend hat das Publikum im Respekt vor den Instrumentalkompetenzen der anderen Bands die Emotionen unterdrückt und lässt diese nun doppelt und dreifach an John, Sean und Trey aus.
Etwas schade ist es, dass DYING FETUS die ihnen entgegen gebrachte Liebe kaum erwidern. Basser und Sänger Sean Beasley lässt zwar einige sympathische Ansagen vom Stapel, behält aber größtenteils seine distanzierte Bühnenroutine bei. Bei Schlagzeuger Trey Williams liegt es in der Natur der Sache, dass er kaum Gelegenheit hat, mit dem Publikum zu flirten. Und John Gallagher... nun ja, er ist zwar kein Stinkstiefel – doch lächelnd habe ich ihn auch nie gesehen. Die Ansagen überlässt der Glatzkopf komplett seinem Kollegen Sean und auch sonst hält er sich routiniert zurück. Ob DYING FETUS im SO36 Spaß auf der Bühne hatten, wird wohl ihr Geheimnis bleiben.
Den Spaß hat dafür das Publikum, das trotz fehlender Reaktionen von der Bühne standhaft jubelt, tiriliert und bis zur Besinnungslosigkeit die Nackenwirbel beansprucht. Und im Prinzip haben sie auch allen Grund dazu, denn DYING FETUS kloppen einen Hit nach dem anderen raus, sind tight wie eine Jungfrau und inklusive Zugabe gute 80 Minuten auf der Bühne.
Als alles zuende ist und im SO36 die Lichter angehen, sieht man ausschließlich zufriedene Gesichter. Brutale Musik kann so glücklich machen.
Fotos (c) BurnYourEars / Fabien Blackwater
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