Geschrieben von Donnerstag, 07 Juni 2007 17:36

Northcore 2007 - Bremen / Wehrschloss


Review

 

26.05.07 - Neunzehnhundertachtundneunzig besuchte ich die Unterstufe einer kleinen weiterführenden Schule in Baden-Württemberg und bekam nicht viel davon mit, dass im hohen Norden das Northcore-Festival auf dem Plan stand. Nicht, dass mich das zu dieser Zeit irgendwie interessiert hätte, doch in den nächsten neun Jahren jährte sich diese eigentlich feine Idee nicht noch einmal und ging so stets spurlos an mir vorbei.
Zweitausendsieben, also fast eine Dekade danach, tauchten aber erste Flugblätter auf, und für mich war nach dem ersten Überfliegen klar, dass ich an diesem Abend nicht fehlen durfte. Es hätte ja schon gereicht, wenn sich nur die nationale Creme-Schicht die Klinke in die Hand gegeben hätte, doch standen neben Norddeutschlands Finest auch die begehrten US-Amerikaner von ANOTHER BREATH und KILLING THE DREAM in den Startlöchern.
Nach wenigen, eigentlich zu vernachlässigenden Schwierigkeiten erreichten meine geräderten Begleiter und ich, der eigentlich mit recht guter Laune gesegnet war, das zauberhafte Wehrschloss in unmittelbarer Nähe zur Weser. Die rechteckig um einen Atrium-ähnlichen Innenhof angeordneten Räume waren in ihrer Größe, Gestaltung und Atmosphäre optimal und wurden für den Erwerb von Schallplatten, Bandshirts, Essen und Anderem genutzt. 



Mitten am Nachmittag, es muss wohl gegen halb fünf gewesen sein, begann nun nach dem großen Bekanntentreffen und Orientieren das lange Programm. Im hellen Tageslicht, das durch die Fenster und die Tür des Innenhofes in den kleinen Saal fiel, legten LOCK AND LOAD los. Aus dem schönen und gar nicht so weit entfernten Münsterland stammend, gingen sie für die erste von neun Bands mehr als nur gewissenhaft zur Sache. Musikalisch konnten sie mich zwar vereinzelt durch ihre glühende Hingabe überzeugen, doch blieb von den einzelnen Stücken nicht viel mehr als die optischen Eindrücke hängen. Potential war in dem energiegeladenen Hardcore allemal zu finden, und ich war eigentlich ganz ordentlich unterhalten.







Aus dem Tor zur Welt hatten sich HOODS UP herbemüht und lieferten am späten Nachmittag auch gleich einen der ersten hochkarätigen Auftritte an diesem noch jungen Tag ab. Von Gemütlichkeit fehlte seitens der Hamburger jede Spur, denn während der recht kurzen Spielzeit pressten sie ihre dem Publikum teils wohlbekannten Stücke mit schwindelerregendem Nachdruck durch die Anlage. "Blink Of An Eye", "Clear" oder "Eyes Wide Shot" ließen die Körper in den vorderen Reihen von links nach rechts, von hinten nach vorne und von oben nach unten fliegen; ja selbst die ungewöhnlich hohe und dadurch etwas zu unpersönliche Bühne stellte kein Hindernis dar.





Dass der hohe Standart noch eine Ecke optimiert werden konnte, zeigten EMPTY VISION - Die Könige der Herzen. Der letzte Wurf der Norddeutschen sorgte für nicht ganz ungeahntes Aufsehen und spukte in etlichen Magazinen durch die Höchstwertungen. Die bedeutendsten Stücke des Albums fanden auch an diesem Abend Gehör, und obwohl die Technik vereinzelt Mätzchen machte, war die Stimmung ausgelassen und ungetrübt.
Melodischer, eingängiger und trotzdem asphaltharter Hardcore stürmte die Gehörgänge und Herzen der inzwischen reichlich Erschienenen. "The Rise" mit "Unbreakable", "We Are The Change" und "The Shape" oder der wämende "Sundown" waren nennenswerte Juwelen in dem durchgehend mitreißenden Auftritt, der trotz technischer Probleme vom Publikum wert geschätzt wurde und mit "Empty Handed" auch noch ein mir unbekanntes Stück zu bieten hatte. Stetige Bewegung, Publikumsnähe und sympathische Ansagen beherrschten zwar ihre Vorredner auch, doch schufen die Niedersachsen mit Abiturienten-Hardcore eines der Worte des Jahres.





Während SHORT FUSE hingen wir eher auf seltsamen, gewaltigen Stahlstangen am Ufer der Weser herum, die in unmittelbarer Nähe zum Wehrschloss floss, als wirklich dem Auftritt beizuwohnen. Die wenigen Minuten, die ich von der Band mitbekam, fetzten mich auch nicht aus den Socken. Auf stark auf die Wurzeln fokussierten, wenig abwechselungsreichen und mit charakteristisch gespuktem Geschrei gespickten Hardcore hatte ich einfach nicht allzu große Lust in dem Moment.

JUST WENT BLACK
, die unmittelbar danach das Abendprogramm eröffneten, waren schon viel mehr nach meinem Geschmack. Nachdem die Hamburger kürzlich ihr fünfjähriges Bestehen in der Terroristenschmiede nahe der Sternschanze zu feiern hatten, bei dem die Stimme auf Grund einer Erkältung nicht das volle Potential entfalten konnte, war der ursprüngliche Plan an diesem Abend, ihr neuestes Album in Bremen an die Frau und den Mann zu bringen. Organisatorische Schwierigkeiten machten dem aber einen Strich durch die Rechnung. In Rücksicht auf den erstklassigen Auftritt, der in den vor Herzblut triefenden Hymnen "The City Lights", "An Arsonists Flame" oder "Some Little Tragedy" zahlreiche Höhepunkte fand, der guten Stimmung, den neuen Stücken und der reinen Hingabe scherte mich das allerdings kaum. Das authentisch wütende Geschrei wurde von melancholisch-bittersüßen Gitarren begleitet, während das hervorragend Schlagzeug unbeirrt den Weg wies. 



Was von DAY OF THE DEAD zu meinen Ohren gelangte, war eigentlich viel versprechend, doch die Weser hurte bei recht gutem Wetter, nach einem anstrengendem Tag und in Rücksicht auf das, was noch kommen würde, um unsere Aufmerksamkeit. So bekam ich nur am Rande etwas von den zwar leicht austauschbaren aber nicht weniger energiegeladenen Stücken der Portugiesen mit. Von THE LEGACY bekam ich außer einem guten Allgemeineindruck genauso wenig mit: Viel Melodien, viel Härte, wenig Abwechselung, aber insgesamt eine ordentliche Figur. 

ANOTHER BREATH
spielten nun in einer wesentlich anderen Liga. Es hatten sich nun fast alle Besucher in den Saal gequetscht; Wetter, Stimmung, Lokalität und vor allem die Band boten so fast perfekte Ausgangsbedingungen.
Die New Yorker turnten Bilderbuch-Hardcore zusammen, der in verspielten Stücken immer wieder neue Nischen und Grenzen ertastete. Langeweile suchte man vergebens, wir wurden aber trotzdem nicht durch zu öde oder austauschbare, massenkompatible Gesangsparts belästigt. Die Körper der Besucher purzelten über die teils "gekreuzigten" Hände, der Schönling am Mikrophon trennte sich von seinem Leibchen, und es ging für viele an die Reserven.
Ein langhaariger Sturzbetrunkener, der verständlicherweise die Ausnahme schlechthin an diesem Abend war, taumelte nach draußen und ließ sich das vegane Essen bei soviel Bewegung noch einmal durch den Kopf gehen. Die Kameras hagelten mit Blitzen auf die US-Amerikaner ein, und ich war gesamte Spielzeit wirklich vorzüglich unterhalten. So wünsche ich mir das! 







Auf KILLING THE DREAM waren wohl die meisten gespannt, doch kam das, was die Kalifornier da fabrizierten, nicht so dynamisch wie sich viele erhofft hatten. Und obwohl ich gut gelaunt den Auftritt genoss, ließ sich eine gewisse Taubheit, Lähmung und Unlust seitens der Band kaum leugnen. Nicht, dass sich die letzte Band des Abends nicht genug bewegt hätte oder eine miese Stimmung verbreitet hätte - mit "Good Looking Out" lieferten sie auch noch ein kurzweiliges SICK OF IT ALL-Cover ab - sondern die erschöpften und verwöhnten Zuschauer müssen sich wohl einfach mehr erhofft haben, da die Band einen sehr guten Ruf zu verteidigen hat. Diesen Ruf konnten sie trotz dem Spaß, den ich hatte, nicht verteidigen, und nach einer knappen halben Stunde verdrückten wir uns während des letzten Stücks in Richtung Bremer Hauptbahnhof.







Fazit:
Bands, Veranstaltungsort und Besucher ließen eigentlich keine Wünsche offen: Ein wirklich schöner und krönender Abschluss meiner Zeit im Norden.



15:30 doors open
16:30 - 17:00 LOCK AND LOAD
17:15 - 17:45 HOODS UP
18:00 - 18:30 EMPTY VISION
18:45 - 19:15 SHORT FUSE
19:30 - 20:00 JUST WENT BLACK
20:15 - 20:45 DAY OF THE DEAD
21:15 - 21:45 THE LEGACY
22:00 - 22:45 ANOTHER BREATH
23:00 - 00:00 KILLING THE DREAM

(Die Zeiten waren - wie zu Erwarten - nur grobe Orietierungspunkte)

http://www.myspace.com/lockandloadhardcore
http://www.hoodsxup.com
http://www.emptyvision.de/
http://www.short-fuse.de/
http://www.justwentblack.com/
http://www.dayofthedeadhc.com/
http://www.myspace.com/thelegacy
http://www.myspace.com/anotherbreath
http://www.myspace.com/killingthedream